Früher entwarf Murat Günak für Mercedes die C-Klasse und für Volkswagen den Golf V. Heute ist der ehemalige VW-Chefdesigner Mitgründer des Berliner Start-ups Tretbox. Die Firma im Stadtteil Treptow entwickelt elektrische Lastenräder unter dem Markennamen Ono – und hat jetzt die Orderbücher für die Kunden in der Hauptstadt geöffnet.
Dabei hat das Team unter CEO Beres Seelbach nicht das übliche Cargo-Bike mit zwei Rädern und Ladefläche vorn entwickelt, das gerade besonders bei jungen Familien mit Kindern beliebt ist. Stattdessen hat es ein Dreirad gebaut, das bis zu 220 Kilogramm Zuladung und über zwei Kubikmeter Ladevolumen schluckt. Und der Pedalist geschützt in einer Kabine sitzt. Der Container auf der Laderampe ist abnehmbar, was etwa für Paketdienste praktisch ist. Denn im Depot können die Mitarbeiter eine leere Box schnell gegen eine volle tauschen und der Fahrer sofort wieder auf Tour gehen. Auch der Akku lässt sich dann schnell wechseln.
Seelbach und Günak setzen auch auf ein – zumindest im Fahrrad-Bereich – ungewöhnliches Geschäftsmodel: Sie verkaufen den Ono nicht, sondern vermieten ihn für 690 Euro im Monat. Eingeschlossen sind Versicherung, Wartung und der Zugang zu Automaten mit vollem Akkus. Wer jetzt bestellt, soll im Sommer kommenden Jahres das Dreirad erhalten.
Zielgruppe für den Ono sind damit klar gewerbliche Kunden. Logistiker, aber auch Handwerker, die drohenden Dieselfahrverboten entkommen, den Dauerstau auf der Straße umkurven und nicht viel Zeit mit der Parkplatzsuche verschwenden wollen. Und die klimafreundlich unterwegs sein wollen.
Für diese Klientel, zu denen große Paketdienste zählen, haben eine Reihe von Start-ups schluckfreudige Cargo-Bike entwickelt. So wie Urban Arrow aus Amsterdam mit dem Tender, der sogar Platz für zwei Europaletten hat. Oder das Armadillo des schwedischen Anbieters Velove, das wie ein Sattelschlepper funktioniert und bis zu sechs Räder hat.
Attraktiv werden diese Lastenräder erst dank des elektrischen Antriebs, der es dem Fahrer ermöglicht, die schweren Gefährten durch den Verkehr zu manövrieren. Er muss zwar noch selber mittreten, aber gerade das Anfahren erleichtern die Elektromotoren.
Politik entdeckt die Lastenräder
Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat das Potenzial von Cargobikes entdeckt und verkündete im Mai auf dem Nationalen Radverkehrskongress in Dresden, laut Experten könnten 20 Prozent des Lieferverkehrs per Rad in Städten abgewickelt werden: „Das sollte unser Ziel sein.“ Und seine Kabinettskollegin Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bezuschusst den Kauf von Schwerlasträder mit 2500 Euro. Einige Kommunen machen ebenfalls Geld locker. Und der Bundestag hat gerade die Abschreibungsregeln für gewerblich genutzte Cargobikes verbessert.
Entsprechend steigt die Nachfrage nach E-Lastenrädern. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) schätzt, dass 2018 rund 39.200 E-Cargobikes in Deutschland Käufer fanden – ein Plus von 80 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Jahr wurden etwas mehr als 36.000 Elektroautos neu zugelassen.
Aber damit Lastenräder in der Citylogistik wirklich eine tragende Rolle übernehmen, genügt es nicht, einfach nur neue Drahtlastesel auf den Markt zu werfen. Die Kurier- und Paketdienste müssen neue Lieferkonzepte entwickeln. Angesichts der geringeren Zuladung und Reichweite im Vergleich zum Transporter können die Cargobike nicht von einem Großlager vor den Toren der Stadt losradeln. Stattdessen sind viele kleine Mikrodepots verteilt über die Kommune nötig. Die könnten wiederum umweltfreundlich mit Straßenbahn beliefert werden – was gerade die Verkehrsbetriebe in Frankfurt am Main mit Partnern testen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei sicherlich für eine Auslieferungstour fertig bestückte, wechselbare Boxen, wie sie etwa Ono vorgesehen hat.
Sinnvollerweise teilen sich dann mehrere Lieferdienste die Mikrodepots, damit sie nicht zu viele von ihnen im knappen Stadtraumein einrichten müssen. Wie das funktionieren kann, hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) in einem vom Bundesumweltministerium geförderten Forschungsprojekt gemeinsam mit den fünf größten nationalen Paketdienstleister DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS in Berlin Prenzlauer Berg getestet.
Die Bilanz kann sich sehen lassen: Innerhalb eines Jahres legten die bis zu elf eingesetzten Lastenräder rund 38.000 Kilometer zurück und lieferten dabei 160.000 Pakete aus. Insgesamt vermieden sie so CO2-Emissioen von elf Tonnen im Vergleich zu konventionellen Transportern.
Und die beteiligten Paketdienstleister wollen den Standort auch nach dem Ende der öffentlichen Förderung weiter nutzen. Marc Rüffer, Abteilungsleiter Betrieb bei DHL Paket, zog am Ende des Projektes das Fazit: „Die in innerstädtischen Bereichen ergänzende Zustellung per Lastenrad ist eine attraktive Alternative, weil effektiv, wendig und ökologisch sinnvoll.“
220kg Zuladung mit 250Watt?
Da könnte man in der Politik ansetzen. Wenn man z.B. 1000 Watt MAXIMALLEISTUNG freigibt, dann kommt man auch mit einem schweren Lastenrad in Schwung. Man könnte die Maximalleistung ja an ein mindest-zulässiges Gesamtgewicht koppeln. Also Räder unter 180kg GG bleiben bei den 250 Watt NENNDAUERLEISTUNG (also ca. 600 Watt Maximalleistung, kurzfristig), schwere Lastenräder liegen dann darüber. Für Velomobile wäre das auch interessant, vor allem für die großen, bequemen, die auch was zuladen dürfen. Denn die wiegen leer schon über 50 kg.
Gute Idee, scheint bereits angewandt und ist legal. Wenn ich mich recht erinnere laut Interview bei den Elektro Tagen in Bad Saarow….