Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat die erste Ausschreibung zum Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Schnellladeparks gestartet – mit zweimonatiger Verspätung. Ursprünglich sollte diese erste Ausschreibung schon im Juni starten. Der Bund hofft, mit dem 1,9 Milliarden Euro schweren Förderprogramm rund 1.100 neue Schnellladeparks mit rund 10.000 Schnellladepunkten zu schaffen, an denen Fahrer von Elektroautos Strom mit wenigstens 200 und bis zu 350 kW Ladeleistung zapfen können.
„Die nächste Schnellladesäule muss in zehn Minuten erreichbar, Laden immr und überall in Deutschland möglich sein. Nur so gelingt es uns, dass wir Menschen von einer klimafreundlichen Mobilität begeistern und sie vom Verbrenner auf ein E-Auto umsteigen“, umriss Scheuer den Zweck des milliardenschweren Förderprogramms zum Aufbau des „Deutschlandnetzes“, mit dem in den kommenden Jahren das bereits vorhandene Angebot von großen Energieversorgern, Stadtwerken und von E-Mobility-Providern wie Ionity und Fastned „sinnvoll“ ergänzt werden soll.
Ad-hoc-Laden darf nicht mehr als 44 Cent/kWh kosten
Während die Auto-Strom-Preise an den öffentlichen Ladepunkten – je nach Anbieter und Tarif – stark varrieren, soll an den Ladesäulen des „Deutschlandnetzes“ ein Einheitspreis pro Kilowattstunde aufgerufen werden. Zum Start ist für das Laden ohne Vertrag (Ad-hoc) eine Begrenzung auf brutto 44 Cent pro kWh – als „atmender Deckel“ – vorgesehen, wie Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, erläuterte. Im Preis sind die Kosten für die Strombeschaffung mit 20,23 Cent/kWh veranschlagt. Hinzu komme eine Ausgleichskomponente von 17,85 Cent/kWh, die an den Bund als Teilrückzahlung der Förderung für den Bau zu zahlen sei. Beide Werte könnten bei Bedarf nach unten oder oben angepasst werden – wenn beispielsweise die Strompreise steigen. Wie heißt es so schön im Ausschreibungstext: „Darüber hinaus ist von jedem Bieter kalkulatorisch zu berücksichtigen, dass er einen überwiegenden Teil seiner Einnahmen aus den Ladevorgängen an den Bund weitergibt.“
Für die künftige Kalkulation zentral ist insbesondere die dritte Komponente, der sogenannte Preissetzungsspielraum, der auf höchstens 5,95 Cent/kWh festgelegt ist. Das heißt, mit dieser Schraube kann ein erfolgreicher Bieter maßgeblich seine Erlöse bestimmen. „Da werden wir sehen, wie ein Betreiber tickt“, so Pallasch. Das Laden mit Vertrag müsse dagegen günstiger sein, einen Wert nannte der Projektleiter aber nicht. Denn, so die Begründung, hier fielen geringere Transaktionskosten an. Der Endkundenpreis werde nicht festgelegt.
Mit dem Preismodell will die Bundesregierung der großen Intransparenz entgegentreten, die derzeit auf dem Markt für Autostrom herrscht und die nach Ansicht von Scheuer „ein grundlegendes Hemmnis für den Hochlauf der Elektromobilität“ist. Auch wenn das Verkehrsministerium betont, dass „eine Preisregulierung für die gesamte Schnellladeinfrastruktur in Deutschland nicht das Ziel“ sei, dürfte der „Preisdeckel“ im Deutschlandnetz schon Auswirkungen haben. Aktuell werden im Schnitt für eine Kilowattstunde Gleichstrom an öffentlichen Ladestationen 52 Cent erhoben, wie eine Auswertung von CIRRANTiC und TheonData für den „Charging Radar“ von EDISON ergab. Je nach Anbieter, Vertrag und Standort variieren die Strompreise dabei stark. Nach unten bis auf 24 Cent, nach oben bis zu 91 Cent pro Kilowattstunde.
Hochkomplexes, mehrstufiges Auswahlverfahren
Aber zunächst muss das „Deutschlandnetz“ erst einmal entstehen. Bieter auf staatliche Fördermittel für den Bau von Schnellladeparks haben nun mindestens sechs Wochen Zeit für ihre Bewerbung. Danach beginnt ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Zuschläge werden „frühestens Ende des zweiten Quartals des nächsten Jahres“ erteilt, erklärte ein Ministeriumsvertreter. Roman Ringwald, Partner der Kanzlei Becker Büttner Held, ergänzte, dass in insgesamt sechs Gebieten, die das Bundesgebiet abdecken, je drei bis fünf Lose zu vergeben seien – also 23 unter dem Strich. Davon könne ein einzelner Bieter maximal drei Stück erhalten, aber nur jeweils eines in einem der ausgewiesenen urbanen und subarbanen sowie ländlichen Gebieten und abseits der Autobahnen. Das solle die „Vielfalt“ der Anbieter in einer Region gewährleisten und lokale Monopole verhindern, so Ringwald.
In einer zweiten Runde sollen 200 weitere Standorte auf „unbewirtschafteten“ Rastplätzen entlang der Autobahnen ausgeschrieben werden. Angesprochen werden hier insbesondere Unternehmen, die deutschland- und europaweit tätig sind, Details hierzu wurden noch nicht genannt. Insgesamt hofft der Bund, mit diesem Förderprogramm mindestens 1.000 neue Schnellladeparks mit rund 10.000 Schnellladepunkten ab jeweils 200 kW Leistung zu schaffen. Das Verfahren selbst wird, wie andere auch, über die offizielle Vergabeplattform des Bundes laufen.
Die Förderung erhalte der künftige Betreiber in Form einer Vergütung für die Errichtung und den Betrieb des bezuschlagten Parks, wie Johannes Pallasch, Leiter Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur, erläuterte. „Wir schreiben ein Paket aus und sie müssen uns das auf den Tisch legen“. Die Kosten für die Beschaffung – Kauf oder Anmietung – der Grundstücke, auf denen die Ladeparks entstehen, tragen die Betreiber dafür selbst.
Die Ausschreibungsbedingungen sind ab sofort auf der Webseite der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur einsehbar.
CCS und Ökostrom sind Pflicht
Insgesamt orientieren sich die Fördermittelgeber an Standards herkömmlicher, fossiler Tankstellen. Im Mittelpunkt stehe vor allem die Nutzerfreundlichkeit, sagte Sebastian Lahmann von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Damit soll über die Ausschreibung auch ein Ideenwettbewerb bezüglich neuer kundenfreundlicher Standortkonzepte stattfinden. Bei der Sichtung der Bewerbungen werde etwa auch bewertet, ob das Projekt mit einem Dach und barrierefrei geplant sei oder über Toiletten verfüge, so Lahmann weiter. Verbindliche Vorgaben betreffen darüber hinaus die Ladetechnik. Hier ist der CCS-Steckerstandard Pflicht. Auch darf an den Ladesäulen ausschließlich Ökostrom fließen.
Die in der Branche umstrittene Vorgabe eines Karten-Lesegeräts für eine Bezahlung mit Giro- und Kreditkarten ist nach wie vor vorgesehen. Das heißt, Betreiber müssen zum Bezahlen auch Kartenlesegeräte samt Pin Pads installieren, was Zusatzkosten versursacht.
Netzanschluss soll „üppig“ dimensioniert sein
In puncto Netzanschluss folgt die Leitstelle früheren Verlautbarungen. Dieser solle „üppig“ dimensioniert werden, um zukunftsfähig zu sein – gelten solle hier der Faktor eins. Das bedeutet, dass bei vier Schnellladepunkten mit jeweils 200 kW Ladeleistung gleichzeitig 800 kW zur Verfügung stehen müssen, so Lahmann. Details zum möglichen Einsatz von Pufferspeichern an der Stelle würden später bekanntgegeben. Rechtsanwalt Ringwald stellte in Aussicht, dass der Bund „voraussichtlich die vollständigen Netzanschlusskosten“ bis zu einem nicht genannten Maximalbetrag übernehmen werde. Die genannten Vorgaben können sich bis zur Ausschreibung noch ändern, betonte der Vertreter des Verkehrsministeriums. Diese seien aber noch nicht verbindlich.
(Mit Ergänzungen von Franz W. Rother)