Limburg ist von seinem Wohnort keine 50 Kilometer entfernt. Reichweitenängste plagen Karl-Thomas Neumann deshalb sicherlich nicht, als er mit seinem Porsche Taycan auf das Gelände des Ladeparks von Fastned einbiegt und sein Elektroauto an den High-Power-Charger mit 300 Kilowatt Ladeleistung hängt. Der Akku ist noch zu gut 60 Prozent gefüllt und könnte laut Bordrechner schon in wenigen Minuten wieder komplett gefüllt sein – im Unterschied zu unserem Honda-e, der nach einer Fahrt von 150 Kilometern über die Autobahn völlig erschöpft ist. Glücklicherweise hat der Automanager, der Opel und Continental leitete und für Volkswagen einst das Geschäftsfeld Elektrotraktion entwickelte, für den Ladetalk viel Zeit mitgebracht.

Hallo Herr Neumann, was haben Sie uns denn da mitgebracht?

Einen Porsche Taycan Turbo S.

Sie sind Porsche-Fan? Das hätte ich nicht gedacht.

Das bin ich schon lange. Vorher hatte ich allerdings immer einen Porsche 911.

Ich hatte eher einen Opel Ampera-e erwartet.

Das ist lange her. Einen Opel habe ich noch – mein Diplomat A Coupe mit V8-Motor von 1967.

Als Opel-Chef waren Sie seinerzeit aber sehr stolz auf den Ampera-e.

Das war ja auch ein tolles Auto damals mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern. Das war zu dieser Zeit einzigartig – vor allem in der Fahrzeugklasse. Als ich bei Opel raus war, hatten wir zunächst ein Model S von Tesla, das ich gebraucht von einem Freund gekauft habe. Nach meinem Wechsel in die USA fuhr ich dann ein Tesla Model X, das ich mich sehr begeistert hat. Als ich aber nach Deutschland zurückkam, wollte ich das Elektroauto fahren, das aktuell die Spitze des Automobilbaus in Deutschland ist. Den Taycan hatte ich auf der Autoshow in Los Angeles gesehen. Und schon da hat er mich sehr beeindruckt.

Dann haben Sie ja schon eine lange E-Auto-Historie. Ein Auto mit Verbrennungsmotor kommt für Sie heute nicht mehr in Frage?

Nein, wer einmal in einem Elektroauto sitzt, kommt da nicht mehr raus. Mir ist schon 2017, in meinem letzten Jahr bei Opel, klar geworden, dass die Zukunft dem Elektroantrieb gehört, die ganze Welt elektrisch wird. Dafür hat auch die Abgasaffäre gesorgt…

…der Skandal um manipulierte Abgaswerte von Dieselautos.

Ja. Da wurde mir klar, dass es nicht reicht, gerade nur so die Gesetze zu erfüllen. Es ist wichtig, daß man Haltung zeigt und eine klare Vorstellung von der Zukunft hat.

EDISON-Ladetalk mit Karl-Thomas Neumann am High-Power-Charger in Limburg
„Nach der Rückkehr aus den USA wollte ich das Elektroauto fahren, das aktuell die Spitze des Automobilbaus in Deutschland ist.“ Foto: Ramon Haindl

Sie fahren also jetzt bereits seit sechs Jahr immer wieder elektrisch…

Nein, noch viel länger. Meine ersten nachdrücklichen Erfahrungen mit dem Elektroantrieb sammelte ich schon während meiner Zeit bei Continental, als wir das Bremssystem für den Tesla Roadster gemacht haben…

…der 2008 auf den Markt kam.

Den durfte ich schon vor der Modelleinführung fahren – zusammen mit dem Lotus Elise, von dem der elektrische Tesla abgeleitet war. Schon da ist mir klar geworden: Das ist es. Wie der auf der Autobahn losging – Wahnsinn. Und jetzt fällt mir noch ein: Während meiner Zeit bei Motorola in den 1990er Jahren bin ich auch schon einmal das allererste Elektroauto von General Motors gefahren. Wie hieß der noch einmal?

Saturn EV1.

Stimmt. Für den hat mein damaliger Arbeitgeber Motorola nämlich die Leitsungshalbleiter gebaut. Das war auch toll – auch wenn ich die Fahrt fast schon wieder vergessen habe. Also in Summe kann ich schon auf eine Erfahrung mit Elektroautos zurückblicken, die einen Zeitraum von 25 Jahren umfasst.

Die Elektromobilität hat seitdem eine enorme Entwicklung zurückgelegt.

In der Tat. Das zeigt sich schon im direkten Vergleich zwischen meinem Tesla und dem Taycan.

Inwiefern?

Der Porsche ist ganz klar das bessere Auto zum Fahren. Aber die Elektroautos von Tesla begeistern in anderen Aspekten. Mein Model X war besser vernetzt und veränderte sich durch Over-the-Air-Updates permanent. Es wurde darüber mit der Zeit zu einem anderen, zu einem besseren Auto. Wie bei einem Smartphone.

Porsche hat dem Taycan des ersten Modelljahrs gerade auch ein Update verpasst.

Diesem Auto auch. Dazu war der Wagen aber einen ganzen Tag, über Nacht, in der Werkstatt. Over the Air hat das Auto bislang nur kleine Updates, etwa für das Navigationssystem bekommen.

In dem Punkt hat Porsche also noch einiges aufzuholen?

Ich denke, alle Autohersteller haben noch viel aufzuholen. Tesla hat man zweimal unterschätzt. Beim ersten Mal hielt man Elektroautos wegen der kurzen Reichweiten für einen Irrweg. Dabei unterschätzte man, wie weit Tesla mit den Batterien und der Effizienz des gesamten Antriebssystems bereits war. Aber ich denke, in dem Punkt wird der Vorsprung von Tesla schnell schmelzen. Schwerer wird es in dem anderen Punkt, bei dem man Tesla unterschätzt hat.

Honda-e am Fastned-Charger
Nach 150 Kilometern über die Autobahn ist der Akku des kleinen Stromers erschöpft.

Bei welchem?

Man hat anfangs nicht begriffen, dass ein Tesla ein rollender Computer ist. Das war und ist das erste Auto, bei dem die Software eine ganz andere Rolle spielt, bei dem die Elektronikarchitektur voll und ganz auf die Software ausgerichtet ist.

Und das Auto verfügt bereits sogar schon über einen so genannten Autopiloten.

Das ist in der Tat ein Wahnsinns-System. Auf der Autobahn steuert er das Fahrzeug komplett autonom. Es zeigt, was technisch machbar ist. Aber das System des Porsche ist inzwischen auch ganz gut. Die deutschen Autohersteller gehen auf dem Weg zum Autonomen Fahren wesentlich vorsichtiger voran – beim Tesla konnte man dem System zum Beispiel vorgeben, 10 km/h schneller zu fahren als gesetzlich erlaubt.

Das würde ich nicht unbedingt als Fortschritt bezeichnen. Da lobe ich mir eher die Vorsicht der deutschen Autoindustrie – die neue Features erst einmal selbst testet, bevor sie dem Kunden übergeben werden. Tesla hingegen macht seine Kunden zu Testfahrern.

Klar, die traditionellen Autohersteller sind viel besorgter, dass die System den Fahrer ablenken oder zu einer missbräuchlichen Nutzung verleiten. Hierzulande greifen da sofort die Juristen ein – Tesla probiert es erst einmal. Dahinter steht eine ganz andere Philosophie und Risikobereitschaft. Meine Frau wollte deshalb auch nie mit dem Model X fahren.

Warum?

Weil schon mal die Displays während der Fahrt komplett schwarz wurden. Das Auto ist brav weitergefahren und hat auch weiter gebremst. Aber in einem Tesla muss man sehr schnell lernen, wie man das System durch das gleichzeitige Drücken mehrerer Knöpfe am Lenkrad rebootet.  

Im zweiten Teil erklärt Karl-Thomas Neumann, warum die Autohersteller mehr Mut brauchen.

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