Zu viel Wagemut auf der einen, zu wenig Risikobereitschaft auf der anderen Seite: Wie findet ein Autohersteller in dieser vielleicht größten Transformationsphase in der Geschichte der Autoindustrie die richtige Balance?

Der richtige Weg liegt irgendwo in der Mitte. Natürlich muss ein Auto sicher sein, aber um die Entwicklung voranzubringen, muss ein Hersteller auch Risiken eingehen, wenn er überleben möchte.

Der Abschied von etablierten Geschäftsmodellen und Antriebskonzepten ist mit erheblichen Risiken verbunden. Dafür braucht es aber auch eine Menge Mut.

Ja, aber das Risiko ist kalkulierbar. Und zum Wandel gibt es keine Alternative: Wir müssen CO2- neutral werden, müssen die Emissionen deutlich reduzieren. Im Verkehrssektor ist da bislang zu wenig passiert. Das Auto muss dazu einen größeren Beitrag leisten. Sie sind über die Jahre immer sauberer geworden – aber nur auf Druck durch den Gesetzgeber. Immer wurde zuvor gefragt: Muss das denn wirklich sein? Und die Grenzwerte erfüllt man dann auch nur so gerade. Das akzeptiert die Gesellschaft aber inzwischen nicht mehr. Die Autoindustrie muss heute selbst einen Schritt nach vorne gehen – und darf einer Diskussion nicht immer nur hinterherlaufen. Das macht einen Teil des Erfolgs von Tesla aus und schlägt sich auch in der hohen Bewertung der Tesla-Aktie nieder.

Warum brachte die deutsche Autoindustrie den Mut zum Schritt nach vorn so lange nicht auf?

Weil es in Großkonzernen sehr schwer ist, sich selbst zu neu zu erfinden. Mit einem SUV können sie richtig Geld verdienen. Mit einem E-Auto – ohne hohe Verkaufsprämien, wie wir sie heute haben – ist das schwierig. Lange wussten wir nicht, wie das gehen sollte. Dann braucht es schon sehr viel Mut, sich von SUVs mit Verbrennungsmotoren zu verabschieden und nur noch effizient Elektroautos zu bauen. Elon Musk hat praktisch bei Null angefangen und trat mit dem Anspruch an, die Welt zu verbessern. Da sind Elektroautos und ein Vertrieb allein über das Internet kein Problem.

Zumal es ja auch lange so aussah, als könnte man allein mit dem Diesel die CO2-Grenzwerte erfüllen.

Mit dem Diesel und dem Hybridantrieb – das war die nächste Krücke, die man sich da baute. Aber die Zukunft, das wissen wir nun, ist elektrisch. Und deshalb finde ich es auch toll, dass sich VW so klar darauf festlegt. So wie mittlerweile GM, Hyundai, Volvo und andere. Aber erstaunlicherweise gibt es immer noch Fahrzeughersteller, die sich nach dem Ja-aber-Prinzip immer noch nicht klar auf den Elektroantrieb festlegen wollen.

„Erstaunlicherweise gibt es immer noch Fahrzeughersteller, die sich nach dem Ja-aber-Prinzip immer noch nicht auf den Elektroantrieb festlegen wollen.“

Karl-Thomas Neumann über die Antriebswende im Straßenverkehr

Vielleicht weil sie auch sehen, dass viele ihrer Kunden noch nicht bereit sind, auf ein Elektroauto umzusteigen. Und das trotz massiver Förderung. „Wer jetzt kein Elektroauto kauft, kann nicht rechnen“, sagt der ehemalige Audi-Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter.

Da hat er recht. Die Förderung ist aktuell schon massiv. Sie bringt viele Menschen zum Elektroauto Aber das kann, das darf so nicht bleiben.

Womit die Nachfrage sinken wird.

Das sehe ich nicht. Die Preise für Elektroautos gehen runter – und die Kosten für Verbrenner gehen hoch. Aufgrund des Aufwandes für die Abgasreinigung, durch die CO2-Abgaben und die Verteuerung des Kraftstoffs. Insofern helfen die Prämien jetzt in der Übergangszeit. Aber die Entwicklung hin zum Elektroauto ist nicht mehr zu stoppen oder gar umzukehren.

Und elektrisch heißt batterieelektrisch?

Für den Pkw sicher. Eine Wasserstoff-Tankstelle wie die hier in unmittelbarer Nachbarschaft braucht man nicht. Die Brennstoffzelle macht nach meiner Überzeugung nur bei Flugzeugen, Schiffen, Baumaschine und schweren Lastern Sinn.

Damit haben wir Klarheit, was die Energiewende auf der Straße anbetrifft. Und wie schaut es beim Autonomen Fahren aus? Nach den großen Ankündigungen von vor zehn Jahren müssten eigentlich schon überall Robotcars durch unsere Städte wuseln. Ist die Luft raus bei dem Thema?

Nein, die Luft ist nicht raus. Das Thema ist weiterhin aktuell, auch wenn selbst  John Krafcik, der Chef von Waymo, mittlerweile an das autonome Auto, das überall, zu jeder Zeit und bei jedem Wetter fahren kann nicht mehr glaubt. Aber in der Tat wurden einige der Herausforderungen auch bei diesem Thema unterschätzt. Einen shuttle-Bus kann man heute problemlos durch die Stadt rollen lassen…

Mit Tempo 30

Genau. Und die Chinesen bauen Städte für vollautonome Autos. Ich glaube nur, wir haben falsche Vorstellungen, was ein Roboterauto ist. Den Taycan wird es nie als Roboter-Auto geben, bei dem man das Lenkrad wegklappen kann, wenn einem danach ist. Das will doch keiner haben.

Warum nicht?

Ein Roboterauto will ich nicht besitzen, das will ich allenfalls nutzen – es soll kommen, wenn ich es brauche und nach der Nutzung wieder verschwinden. Das will ich nicht auch noch am Wochenende waschen. Mit Roboterautos ist eine ganz andere Art von Mobilität verbunden – und eine ganz andere Art von Autos. Sie werden nur in beschränkten Bereichen fahren.

Fastned-Station Limburg
„Das wichtigste sind erst einmal Ladeparks wie diese hier, an der Autobahn oder nahe davon – damit man auf Fernreisen schnell weiterkommt. Foto: Ramon Haindl

Aber nicht auf der Autobahn, zum Beispiel von Köln nach München?

Nein, daran glaube ich nicht. Das Autofahren wird in Zukunft hoch assistiert sein so wie bei Tesla. Aber das Lenkrad wird nicht weggeklappt werden, damit man in Ruhe die Zeitung lesen kann. Nein, daran glaube ich nicht. Jedenfalls nicht beim Pkw. Lastzüge im Konvoi vielleicht.

Also werden Robocars eher die Busse und Bahnen im öffentlichen Nahverkehr in der Stadt ersetzen?

Genau. Und die Technik wird dafür sorgen, dass Autos nicht mehr verunfallen. Um die Autos herum wird eine Art Schutzschirm entstehen, so dass man keine Unfälle mehr verursachen kann. Wieso kann man mit seinem Auto heute noch in ein Garagentor fahren oder gar einen Fußgänger überfahren?

Gute Frage – nächste Frage: Wo laden Sie eigentlich Ihren Taycan?

Zuhause. Ich habe in der dort zwei 10 kW-Lader. Einen draußen und einen in der Garage.

Warum das?

Wir haben derzeit zwar nur ein E-Auto. Aber es könnte sein, dass bald noch ein zweiter hinzukommt. Wir erzeugen den Strom selbst, mithilfe eines gasbetriebenen Blockheizkraftwerks. Der eine Charger wird demnächst den Taycan nur mit dem Strom beladen, den wir übrig haben. Den müssen wir dann nicht ins Netz einspeisen. Mein Ziel ist, möglichst autark zu werden. Dazu brauche ich allerdings noch einen Heimspeicher. Das ist alles nicht ganz einfach, funktioniert alles andere als nach dem Prinzip Plug & Play. Wie verträgt sich der Charger mit dem Blockheizkraftwerk, was ist überhaupt die Minimal-Ladeleistung des Taycan? Kann der mit nur einem KW laden?

Gute Frage. Damit habe ich mich noch nicht befasst.

Ich auch nicht. Der e-Golf von VW kann es beispielsweise nicht. Für den ist das keine richtige Ladung mehr.

Sie laden den Taycan aber sicher nicht ausschließlich daheim.

Auf langen Strecken fahre ich nach Möglichkeit Ladestationen von Ionity an. Stecker rein- und der Strom fließt. Und zwar sauschnell.

Und zu Sonderkonditionen: Die Kilowattstunde kostet am Ionity Charger für Porsche-Kunden aktuell 33 Cent. Würden Sie dort auch für 79 Cent pro Kilowattstunde zahlen?

Sicher nicht. Das fand ich ziemlich kontra produktiv. Wie kann man nur so blöd sein kann, in einer Hochlaufphase derartige Preise aufzurufen? Von Elektroautofahrern, die da gelegentlich stranden? Nein, das ist nicht fair.

Ladeparks wie diese hier in Limburg sind nicht billig…

…aber die müssen sich ja nicht schon nach drei Jahren amortisiert haben.

Es gibt derzeit Befürchtungen, dass die Ladeinfrastruktur nicht ausreichen könnte, um all die neuen Elektroautos, die aktuell zugelassen werden, mit Strom zu versorgen. Wie würden Sie denn vorgehen?

Das wichtigste sind erst einmal Ladeparks wie diese hier, an der Autobahn oder nahe davon – damit man auf Fernreisen schnell weiterkommt. Dann ist es natürlich schön, wenn man wie ich daheim laden kann.

Aber was ist, wenn man das nicht kann?

Dann fährt man mit dem Auto einmal die Woche zu einem Schnellladepark. Oder zu einem Discounter, der Ladesäulen auf seinem Parkplatz betreibt. Wir müssen aber auch die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen, für Lademöglichkeiten zu sorgen. Wir hatten das bei Canoo. Die Kollegen waren natürlich alle Elektro-Freaks. Da mussten wir ein Reservierungssystem einführen, weil wir weniger Lademöglichkeiten hatten als Beschäftigte mit Elektroautos. Vielleicht kommt aber auch ein Laderoboter zum Auto. Da wird sich noch so vieles entwickeln.

Im dritten Teil erklärt Karl-Thomas Neumann, warum das iCar von Apple keine Bedrohung ist.

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