Im Fahrradhandel ist gerade Hochsaison. Beinahe im Minutentakt rollen aus den großen Zweirad-Centern zwischen Hamburg und München neue Fahrräder auf die Straße. Das Gros davon mit einer elektrischen Trittunterstützung: Der E-Bike-Boom ist noch lange nicht zu Ende. Nach den Erhebungen des Zweirad-Industrieverbandes (ZIV) ist mittlerweile jedes zweite Fahrrad, das in Deutschland verkauft wird, ein sogenanntes Pedelec, ein „Pedelec Electric Vehic“, das die Trittbewegungen des Fahrers mit einem Elektromotor in verschiedenen Stufen bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt. Rein muskelbetriebene Fahrräder, im Fachjargon „Bio-Bikes“ genannt, sind hingegen auf dem Rückzug: Manche Fahrradhersteller in Deutschland bieten inzwischen schon keine mehr an.

Radel mit Rückenwind
Auch dem Fahrradhandel hat die große Nachfrage nach E-Bikes einen kräftigen Rückenwind beschert. Ein Großteil der Fahrräder in Deutschland wird inzwischen mit einem elektrischen Hilfsantrieb verkauft. Tendenz stigend. Foto: Flyer/pd-f
Radeln mit Rückenwind
Auch dem Fahrradhandel hat die große Nachfrage nach E-Bikes einen kräftigen Rückenwind beschert. Ein Großteil der Fahrräder in Deutschland wird inzwischen mit einem elektrischen Hilfsantrieb verkauft. Tendenz steigend. Foto: Flyer/pd-f

Denn E-Bikes – erfunden 1899 vom deutschen Tüftler Albert Hänsel – erfreuen sich längst nicht mehr nur bei Radlern fortgeschrittenen Alters großer Popularität. Wurde die elektromotorische Unterstützung anfangs für für Touren- und City-Räder angeboten, wird sie heute in praktisch allen Fahrradgattungen angeboten. Ob Mountainbike, Gravelbike, Renn-, Lasten- oder Kinderrad – für jeden Einsatzzweck gibt es den passenden Antrieb. Entsprechend jünger werden die Altersgruppen, die mit einem E-Bike unterwegs sind.

E-Biker werden immer jünger

Mit 25 Prozent stellt die Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren den größten Anteil unter den E-Bike-Käufern, fand vor drei Jahren eine Studie der Hochschule Heilbronn für die Fahrrad XXL-Gruppe heraus. Ebenso groß war damals die Zielgruppe der 50- bis 59-jährigen, gefolgt von den 18- bis 29-Jährigen (knapp 14 Prozent). Vergleichsweise klein war mit zwölf Prozent der Anteil der über 60-Jährigen an der Käuferschaft. So viel zum Vorurteil, E-Bikes seien Fahrräder für Menschen mit eingeschränkter Fitness.

E-Bike im Stadtverkehr Moderne E-Bikes sind populär - und viel besser als ihr der Ruf, den sie noch unter traditionellen "Bio-Bikern" genießen. E-Bikes

Und eine neue Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) belegt jetzt: Die regelmäßige Nutzung eines E-Bikes hat einen ähnlich hohen Trainingseffekt wie Touren mit einem rein muskelbetriebenen Bio-Bike. „Entgegen vieler Vorurteile zeigen die Zahlen, dass Muskeln und das Herz-Kreislaufsystem beim Pedelecfahren nahezu so gefordert werden wie beim herkömmlichen Radfahren“, erklärt Hedwig Theda Boeck, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik und einer der Erstautorinnen der Studie. „Wir haben zudem herausgefunden, dass die Pedelecfahrer öfter das Auto durch ihr Pedelec ersetzen als es die anderen Radfahrer tun – ein klarer Mehrwert für ihre Gesundheit.“

Herz der E-Biker wird genauso gefordert

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler zwischen 2017 und 2020 bundesweit die Daten von 1250 Pedelec-Fahrern und 629 Nutzern herkömmlicher Fahrräder ausgewertet. Dabei wurden die Radler aber nicht nur befragt. „In unserer Studie haben wir 58.833 Fahrten von E-Bikern und Radfahrern analysiert und jeweils die Herzfrequenzen und Geschwindigkeiten gemessen. Im Gegensatz zu anderen großen E-Bike Studien haben wir zum ersten Mal auch tatsächliche Messdaten prospektiv erhoben, nicht nur Fahrer befragt“, erläutert Professor Uwe Tegtbur, der Direktor der Klinik für Rehabilitations- und Sportmedizin.

Keine Frage des Alters 
E-Bikes sind inzwischen bei Menschen aller Altersgruppen populär. Bei älteren Menschen senken sie aber die Hemmschwelle für eine Fahrradtour auch durch hügeliges Gelände oder bei Gegenwind. Und das Fahrrad wird aufgrund des Hilfsantriebs häufiger genutzt, zeigt die Langzeitstudie der Medizinischen Hochschule Hannover. Foto: pd-f
Keine Frage des Alters
E-Bikes sind inzwischen bei Menschen aller Altersgruppen populär. Bei älteren Menschen senken sie aber die Hemmschwelle für eine Fahrradtour auch durch hügeliges Gelände oder bei Gegenwind. Und das Fahrrad wird aufgrund des Hilfsantriebs häufiger genutzt, zeigt die Langzeitstudie der Medizinischen Hochschule Hannover. Foto: pd-f

Das Ergebnis: Die Herzfrequenz der E-Biker lag unterwegs nur fünf Schläge pro Minute unter der von Bio-Bikern. „Entgegen vieler Vorurteile zeigen die Zahlen, dass Muskeln und das Herz-Kreislaufsystem beim Pedelecfahren nahezu so gefordert werden wie beim herkömmlichen Radfahren“, so Studienleiterin Boeck. Zudem nutzten die meisten Probanden ihr Fahrrad nach dem Umstieg auf das E-Bike deutlich häufiger als zuvor. „Viele Pedelec-Nutzer waren vorher nicht unbedingt Radfahrer. Die Hemmschwelle ist deutlich niedriger, wenn auch in hügeligem Gelände oder bei starkem Gegenwind auf die Motorunterstützung zurückgegriffen werden kann“, erklärt sich die Co-Autorin der Studie diese Tatsache.

Bio-Biker: Jünger und etwas fitter 
Die Unterschiede zwischen den Besitzern von E-Bikes und konventionellen Fahrrädern sind kleiner als man meint, ergab die Studie der Medizinischen Hochschule Hannover. Deutliche Diskrepanzen gibt es nur bei den Kaufmotiven. Grafik: MHH
Bio-Biker: Jünger und etwas fitter
Die Unterschiede zwischen den Besitzern von E-Bikes und konventionellen Fahrrädern sind kleiner als man meint, ergab die Studie der Medizinischen Hochschule Hannover. Deutliche Diskrepanzen gibt es nur bei den Kaufmotiven. Grafik: MHH

Im Schnitt waren die E-Biker 135 Minuten pro Woche mit ihrem Fahrrad unterwegs waren, davon ein Großteil mit einer gesundheitlichen effektiven Belastung. Allein dadurch hätten sie zwei Drittel des von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Bewegungsziels von 150 Minuten moderater Aktivität pro Woche erreicht. Damit werde bei älteren Radlern das Risiko um bis zu 40 Prozent gesenkt, einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch das Risiko von Krebs- oder Diabeteserkrankung sinkt nach Einschätzung der Mediziner bei regelmäßiger Nutzung eines E-Bikes deutlich.

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