In Bremerhaven wird der Müll umweltfreundlich eingesammelt. Seit Ende des vergangenen Jahres fährt der deutschlandweit erste Müllwagen mit Batterieantrieb durch die norddeutsche Stadt. Noch ist es ein Prototyp. Die ersten Monate im Einsatz sind jedoch vielversprechend: „Das Fahrzeug funktioniert in der Praxis und wird von uns täglich eingesetzt“, erklärt Frank Püchel, Niederlassungsleiter der Bremerhavener Entsorgungsbetriebe (BEG). Dabei sind die Ansprüche ziemlich hoch: „Für uns ist nicht nur die Nutzlast entscheidend, das Fahrzeug muss auch robust und zuverlässig sein und mindestens zehn Jahre halten“, macht Püschel deutlich.

Der Weg dahin war lang. Schon vor zehn Jahren dachte Püchel über eine Elektrifizierung der Flotte nach. Denn Strom hat die BEG reichlich. In ihrem Müllheizkraftwerk produzieren sie neben Wärme 100 Gigawattstunden Strom im Jahr, von dem jetzt ein Teil in die Batterie des elektrischen Müllwagens fließt. Allein die Suche nach einem Hersteller war für Püchel frustrierend. Die großen Player wie Daimler oder MAN seien nicht interessiert gewesen. Erst bei Faun Umwelttechnik aus der Kirchhoff-Gruppe Iserlohn stieß der Niederlassungsleiter auf offene Ohren.

Das familiengeführte Unternehmen mit Sitz in Osterholz-Scharmbeck in Niedersachen – Geschäftsführender Gesellschafter ist Johannes F. Kirchhoff – ist ein in der Öffentlichkeit wenig bekannter Global Player für Abfallsammelfahrzeuge und Kehrmaschinen mit über 50 Standorten auf drei Kontinenten. Schon lange tüftelt dieses an alternativen Antrieben. Das E-Müllfahrzeug, das mit zwei Elektromotoren für 370 Kilowatt (kW) Maximalleistung und für 260 kW Dauerleistung ausgelegt ist, dient ihnen allerdings lediglich als Basismodell. Für die meisten Unternehmen reicht die Batteriekapazität von 85 Kilowattstunden (kWh) nicht aus. Denn aus der Batterie wird auch der Strom für Nebenaggregate wie Klimatisierung, Lenkkraftunterstützung, Druckluftbereitstellung und Bordnetzversorgung gezogen, die ebenfalls elektrifiziert wurden. Für einen 27-Tonner ist die Kapazität gering. Der Mercedes-Benz eActros, der voraussichtlich im kommenden Jahr in Serie geht, verfügt über 240 kWh.

In Bremerhaven sind die Strecken kurz. Nach einer etwa vierstündigen Tour mit zehn Tonnen gesammeltem Abfall geht es für das E- Fahrzeug zurück zu dem nahe gelegenen Müllheizkraftwerk, wo eine Stunde lang die Lithium-Eisenphosphat- Batterie an der 800-Volt Schnellladestation aufgeladen werden. Das reicht für die zweite Tagestour. Ein weiterer Grund für die relativ geringe Batteriekapazität sind die zahlreichen Stopps während der Fahrt, bei denen Strom über Rekuperation gewonnen wird.

Die Infrastruktur in Bremerhaven ist jedoch eher die Ausnahme. Den Müllwagen mit mehr Batteriezellen vollzustopfen, kam für Faun-Entwicklungsleiter Georg Sandkühler nicht in Frage. Ebenso wenig wollte er die 85-kW-Basisbatterie vollständig durch Wasserstoff ersetzen, weil die Fahrzeuge eine hohe Spitzenlast benötigen, für die die Energie aus der Batterie gewonnen wird. Brennstoffzellen sind dafür weniger geeignet. Technisch sei das zwar möglich, so der Entwicklungsleiter. „Darunter leidet aber das Material und es würde zu einer erheblichen Verringerung der Lebensdauer führen.“

Die Faun-Gruppe hat sich dafür entschieden, beides zu kombinieren. Neben dem im Fahrgestell integrierten Akku ist das Fahrzeug mit einer Brennstoffzelle als Range Extender ausgestattet, in dessen Tank je nach Ausstattung bis zu 16 Kilogramm Wasserstoff passt. Es ist ein modulares System, das für bis zu drei Brennstoffzellen und bis zu sechs Wasserstofftanks ausgelegt ist.

Mit Batterie und Brennstoffzelle
Der Brennstoffzellenantrieb dient bei dem Lastwagen als Reichweiten-Verlängerer. Platz ist im Fahrgestell für drei Stacks und sechs Wasserstoff-Tanks. Grafik: Faun-Gruppe

„Unser Ziel sind hundert Prozent emissionsfreie Städte für alle“, so das ambitionierete Ziel von Patrick Hermanspann, CEO der Faun-Gruppe. Er ist davon überzeugt, dass nur mit Wasserstoff ein klimaneutraler Verkehrssektor erreicht werden kann. „Bluepower“ hat er das bundesweit erste H2-Müllauto genannt, das jetzt zum ersten Mal in Bremen eingesetzt wird, um Erfahrungen in der Praxis zu sammeln. „Wasserstoff kann der Antrieb der Zukunft sein. Auch in der Abfallentsorgung haben wir das langfristige Ziel, eine emissionsfreie Abfuhr zu ermöglichen“, so Volker Ernst, Geschäftsführer der Abfalllogistik Bremen GmbH (ALB), die das H2-Fahrzeug einsetzen.

Dass die Energie aus dem Wasserstoff für den Antrieb der Fahrzeuge genutzt wird, hat den Vorteil, dass schnell getankt werden kann. Es dauert nicht länger als bei herkömmlichem Kraftstoff und steht damit in keinem Vergleich zu den langen Ladezeiten für Strom aus den Ladesäulen. Richtig „grün“ ist der Antrieb noch nicht. Der Wasserstoff aus der Tankstelle von von dem Industriekonsortium „H2Mobility“  in Bremen-Osterholz stammt nicht zu 100 Prozent aus regenerativ erzeugtem Strom.

Grüner Wasserstoff ist noch Mangelware

Derzeit sei  es noch eine große Herausforderung, überall in Deutschland ausreichend grünen Wasserstoff zu beziehen und damit eine ausfallsichere Versorgung darzustellen, erklärt Sybille Riepe von H2Mobility. Den Grund dafür sieht sie in den erheblichen Abgaben und Entgelten für die regenerative Produktion von Wasserstoff. „Insgesamt liegt der Anteil grünen Wasserstoffs im Netzdurchschnitt der H2Mobility derzeit bei 28 Prozent.“  30 Prozent seien das Nebenprodukt aus der chemischen Industrie, der sonst ungenutzt bliebe. Die verbleibenden 42 Prozent würden heute noch aus Erdgas gewonnen.

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Der Plan der Faun-Gruppe mit weltweit 2000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro ist ambitioniert: In fünf Jahren sollen bereits mehr Müllfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb das Werk verlassen als mit Dieselantrieb. Vorerst fangen sie noch relativ klein an. Weitere 19 Fahrzeuge sollen in diesem Jahr unter anderem in Wuppertal, Duisburg und Berlin einem Praxiseinsatz unterzogen werden, bevor Anfang 2021 die Serienproduktion des Fahrgestells beginnt, das mit Aufbauten für Müll- und Kehrfahrzeuge ergänzt werden kann.

Die Nachfrage sei doppelt so hoch, erklärt Carlos Aramayo, Director Bluepower bei Faun & Zoeller. Getrieben werde dies nicht nur von den verschärften Grenzwerten, sondern auch von den Fördermitteln. „Sie wirken als eine Art Beschleuniger“, ergänzt Sandkühler. Dies würde es Faun ermöglichen, höhere Stückzahlen zu produzieren, um am Ende „einen halbwegs brauchbaren Preis herausbekommen“.

Entwicklung des Antriebs war Pionierarbeit

Für die Faun-Grupp war die Entwicklung eines H2-Müllfahrzeugs Pionierarbeit. Vergleichbare Fahrzeuge gibt es weltweit nicht. „Jedes noch so kleine Detail mussten wir selbst erarbeiten. Da stolpert man über viele unerwartete Probleme“, erklärt Sandkühler. Ständig waren er und sein Team auf der Suche nach Lieferanten für Bauteile, die zusammen funktionieren und auch zugelassen sind. Viele der benötigten Komponenten gibt es noch nicht in Serie. Das betrifft selbst Kleinigkeiten wie Ventile für den Tank. Die gibt es zwar am Markt, sind aber in Kombination mit dem Wasserstofftank nicht geprüft.  

Die weiteren Pläne der ALB sind von den Erfahrungen aus dem Testbetrieb abhängig  –  für sie kommt es auf  Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und die zu erwartenden Betriebskosten des Fahrzeuges an. Ein wirtschaftlicher Betrieb sei aktuell selbst mit einer Förderung nicht möglich, sagte eine ALB-Sprecherin. „Wir planen unter der Voraussetzung, dass der Test erfolgreich verläuft und in Abhängigkeit der Fördermöglichkeiten die Anschaffung von ein bis zwei Fahrzeugen.“

Auch wie es bei der BEG mit dem E-Müllfahrzeug weiter geht, ist noch offen. Das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt läuft bis Oktober. Bis dahin werden Daten zur Wirtschaftlichkeit und der technischen Zuverlässigkeit sowie zur Klima- und Umweltwirkung des Fahrzeugeinsatzes erhoben. Fest steht bisher, dass mit dem Fahrzeug täglich 65 bis 70 Liter Diesel eingespart werden, dem ein Verbrauch von 160 Kilowattstunden Strom entgegensteht. Abgase entstehen nicht mehr und die Geräuschkulisse hat sich erheblich reduziert. Ob auch weniger Verschleiß entsteht, muss sich erst noch herausstellen.

Püchel: „Wir sehen darin auf jeden Fall Potenzial und wollen den Fuhrpark mit alternativen Antrieben ausbauen.“

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