Bernd Grosse beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit dem Cinquecento. Den Kleinwagen aus Italien hatte er als Lehrling in einer Kfz-Werkstatt in Südafrika (!) bis in den letzten Winkel und bis zur letzten Schraube kennen- und lieben gelernt. Heute betreibt er als Karosseriebaumeister und Techniker am Rande des Siebengebirges eine Werkstatt, die sich auf die Reparatur und die Restauration klassischer Fiat 500 spezialisiert hat. Zwischen 1957 und 1977 wurden von dem Kleinwagen über 3,4 Millionen Exemplare produziert, mit einem luftgekühlten Zweizylinder Reihenmotor im Heck, der je nach Ausführung und Tuning-Aufwand bis zu 40 Pferdestärken mobilisierte. Heute genießt das „Mäuschen“, wie der Kleinwagen von ihren zahllosen Liebhabern in aller Welt genannt wird, Kultstatus – Grosse hat also gut zu tun.
Als wir an einem Wochentag bei ihm mit unserem Cinquencento vorfahren, stehen vor der Werkstatt ein halbes Dutzend Fahrzeuge ganz unterschiedlichen Alters und Pflegezustandes. Und in der Werkstatt stehen zwei weitere Fiat auf der Hebebühne. Aber uns, das macht er sofort klar als er vor die Werkstatt tritt, kann er nicht helfen: „Mit Elektroautos kenne ich mich nicht aus.“ Wir können ihn schnell beruhigen – unser Fiat 500e läuft „piccobello“, braucht allenfalls ein wenig Strom zum Nachladen des 42 Kilowattstunden (kWh) großen Akkus im Fahrzeugboden. Bis zu 320 Kilometer kann die dritte Generation des Fiat 500 damit durch die Landschaft schnurren.
Dem Großvater wie aus dem Gesicht geschnitten
Womit schon mal die erste Frage von Bernd Grosse geklärt wäre – die nach der Reichweite des neuen Stromers, dessen Design der ersten Generation aus den 1950er Jahren angeblich wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Das sagt der Hersteller – und auch der Klassik-Fan findet einige Verwandtschaftsmerkmale wieder. Entsprechend freundlich ist dessen Annäherung an den Enkel jenes Cinquecento, mit dem er sich beruflich beschäftigt und die ihn bis heute auch privat mobil hält.
„Schick sieht er schon aus“, findet Grosse. Er weiß auch gleich von einigen seiner Kunden zu berichten, die inzwischen einen 500e bestellt haben – als Zweitauto. „Das ist doch die ideale Ergänzung zum Oldtimer für den Alltagsverkehr.“
In den 1960er Jahren, wissen Liebhaber, gab es schon einmal einen vollelektrischen Fiat 500. Der Fiat-Tuner Antonio Giannini zeigte 1968 auf dem Autosalon in Turin einen Cinquecento Nuovo, den er auf Elektroantrieb umgerüstet hatte. Vier 12-Volt-Batterien, die über das Fahrzeug verteilt waren, sorgten damals immerhin für 100 Kilometer Reichweite – allerdings auch nur bei einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Da kann unser Testwagen schon wesentlich mehr. Der Vorwärtsdrang endet hier erst bei 150 km/h – da wäre selbst ein Cinquecento der ersten Generation mit Abarth-Tuning (Höchstgeschwindigkeit 120 km/h) nicht mitgekommen. Und statt Blei-Akkus wie beim Giannini-Stromer ist beim Fiat 500e von heute ein hochmoderner Lithium-Ionen-Akku im Fahrzeugboden verbaut, der mit 11 kW an einer Wallbox und mit 85 kW Ladeleistung an einem Schnelllader in relativ kurzer Zeit wieder befüllt werden kann.
Reichweite fast so groß wie in der ersten Generation
Gut 20 Liter Benzin fasste seinerzeit der Tank der Cinquecento. Bei einem Durchschnittsverbrauch um die sechs Liter kam man damals damit etwa um die 330 Kilometer weit. Insofern liegen die beiden Modelle eigentlich gar nicht so weit auseinander, philosophieren wir, während Grosse den Stromer inspiziert. Allerdings, entgegent der Kenner, wog ein Fiat 500 der 1960er Jahre selten mehr als 500 Kilogramm – beim neuen 500ee bewegt sich das Leergewicht je nach Ausführung zwischen 1255 und 1405 Kilogramm. Letzterer Wert gilt allerdings für das Cabriolet. Unsere „Limousine“ in der Topausstattung Icon hievt etwa 1365 Kilo auf die Waage – und 400 Kilo dürfen wir noch zupacken. Theoretisch also vier Erwachsene und ein wenig Gepäck.
Lange Strecken möchte man in der Konstellation im Fiat 500e allerdings niemandem zumuten – die Komfortansprüche haben sich in den zurückliegenden 60 Jahren doch ein wenig gewandelt. Grosse erinnert sich noch an eine Fahrt mit einem Fiat 500 Giardiniera samt Familie und Hund von Deutschland bis nach Italien – und wundert sich, dass Fiat nicht längst eine Kombiversion des Fiat 500e entwickelt hat: „So etwas fehlt doch auf dem Markt.“
Ansonsten aber gibt es nichts, was ein Liebhaber des Ur-Cinquecento missen müsste. Das Gestühl ist deutlich komfortabler geworden, die Straßenlage und die Beschleunigung um Welten besser. Und die karge Instrumentierung der Urversion ist einer Multimedia-Landschaft gewichen: Über einen hochauflösenden Touchscreen mit 26 Zentimenter Durchmesser und eine Reihe von Widgets lassen sich nicht nur eine Vielzahl von Fahrinformationen aufrufen, der Innenraum schon vor dem Start temperieren und unterwegs auch noch E-Mails aufrufen. Streckenweise kann der Cinquecento dank Kameras und allerlei Sensoren sogar teilautonom fahren, ein Luftbild vom Auto beim Einparken liefern und erkennen, wie fit der Fahrer noch ist. Grosse schüttelt da nur noch den Kopf – „das brauche ich nun wirklich nicht.“
Ein Rolldach wäre fein
Viel lieber hätte ein kleines aufrollbares Stoffdach – und den Heckantrieb zurück: Der Motor sitzt beim neuen Fiat 500e wie schon in der zweiten Generation vorne. Und angetrieben werden davon die Vorerräder, was einen erhöhten Reifenverschleiß befürchten lässt. Aber immerhin wird der Ciquencento nun wieder in Turin anstatt in einer Kleinstadt in Polen hergestellt, wie ein kleines Relief im Türzuziehgriff belegt. Das freut den Traditionalisten nun doch sehr.
Seine letzte Frage gilt – wir hatten es befürchtet – dem Preis. Ein gut erhaltener, durchrestaurierter Cinquecento aus den 1960er Jahren werde inzwischen mit 10.000 Euro gehandelt, erzählt Grosse. Sein Giardiniera sei sogar über 13.000 Euro wert. Einen Fiat 500e, berichten wir, gibt es nicht unter 23.560 Euro, nach Abzug von Umweltbonus und Innovationsprämie bleiben davon immer noch über 14.000 Euro übrig, die zu finanzieren wären – etwa durch Verkauf eines Oldtimers und einen Teil des Ersparten. Unser Testwagen bringt es inklusive Sonderausstattungen sogar auf einen Preis von über 34.000 Euro. Da müsste wohl noch etwas mehr geopftert werden.
299 Euro pro Monat im Auto-Abo
Aber ein Elektroauto, so gut es auch immer sei, kaufe man nicht, belehren wir den Kfz-Meister. Denn bei den technischen Fortschritten, die sich auf dem Gebiet gerade abzeichnen, werde ein Fiat 500e nicht erst in 30 Jahren, sondern wahrscheinlich schon in fünf oder sechs Jahren ein Oldtimer sein. Ohne Aussicht auf Wertsteigerungen, dafür mit Gewähr auf große Preisabschläge.
Wer dem Restwert-Risiko aus dem Weg gehen will, wählt da besser ein Leasing-Angebot oder ein Auto-Abo: Den Fiat 500e gab es kürzlich bei Tchibo für 289 Euro im Monat inklusive Versicherung und Wartung. Nur der Fahrstrom kam extra. Like2drive – das Unternehmen stand hinter dem Angebot des Kaffeerösters – ruft für den kleinen Stromer mit 13.000 Freikilometern bei Privatkunden aktuell 299 Euro im Monat auf, sogar nur 250 Euro im Auto-Abo für Gewerbetreibende. Da kommt auch ein Fachmann ins Grübeln.