Bei den Elektroautos ist der Kampf der Europäer mit den Chinesen um Marktanteile bereits in vollem Gange. Jetzt geht das Gerangel auch bei den leichten Nutzfahrzeugen los. Platzhirsche wie Ford, VW, Renault und Stellantis müssen sich jetzt gegen neue Konkurrenten behaupten. Nach Maxus mit dem eDeliver 7-Kastenwagen greift jetzt auch Flynt in den Kampf der Blaumann-Transporter ein. Flynt? Nie gehört, wird sich jetzt der eine oder andere denken. Nein, das Konstrukt hat auch nichts mit der Comic-Steinzeit-Fernsehserie „The Flinstones“ (Familie Feuerstein) aus den 1960er-Jahren zu tun.

Das Bild wird klarer, wenn man sich die Verantwortlichen hinter dem Nutzfahrzeug-Unternehmen ansieht. Ein wichtiger Akteur ist der staatliche chinesische Autobauer GAC beziehungsweise MiracoMotor. Neben der Ingenieurs- und Technikexpertise bietet GAC auch eine bewährte Liefer- und Wertschöpfungskette. Dass in China die Entwicklungsschwerpunkte auch bei Nutzfahrzeugen anders liegen als bei traditionellen Herstellern, zeigt die Tatsache, dass auch Spezialisten von Huawei mit an Bord sind. Das hilft nicht nur beim Infotainment und der Konnektivität, sondern auch bei den Flottenmanagement und der Wartung.

Elektrischer Campervan 
Die Skateboad-Plattform erlaubt eine Vielzahl von Aufbauten. Auch ein Wohnmobil hat Firmengründer Kircher angedacht. Fotos: Flynt
Elektrischer Campervan
Die Skateboad-Plattform erlaubt eine Vielzahl von Aufbauten. Auch ein Wohnmobil hat Firmengründer Kircher angedacht. Fotos: Flynt

„Wir wollen die niedrigsten Gesamtbetriebskosten erreichen. Also nicht nur einen günstigen Kaufpreis beziehungsweise Leasing, sondern auch bei Betrieb und der Wartung“, erklärt Daniel Kirchert, der Gründer und CEO von Flynt. Der China-Kenner, der früher für BMW und Nissan, später für die (inzwischen insolventen) Startups Byton und Evergrande arbeitete, will nun den Elektro-Transporter nach Deutschland bringen. Seine Expertise wird nötig sein, um das ehrgeizige Projekt zum Erfolg zu führen.

Ladekante nur 50 Zentimeter hoch

Und natürlich die Synergien, die sich durch die enge Zusammenarbeit mit GAC/MiracoMotor ergeben. Denn in der Logistikbranche wird mit jedem Cent gerechnet. So baut der Flynt E-Transporter auf der von MiracoMotor entwickelten X60-Plattform auf, die auch der Robobus L60 basiert. Skaleneffekte sind also gegeben und auch die autonomen Fahrfunktionen sind bei Flynt quasi Teil des Systems. Während der Robobus bereits für das hochautomatisierte Fahren auf Level 4 vorbereitet ist, wird der Lieferwagen dank zahlreicher Assistenzsysteme immerhin teilautomatisiert auf Level 2 fahren können.

Nur das Nötigste 
Das Cockpit des Flynt-Transporters kommt spartanisch daher. Dafür gibt es jede Menge Ablagen und sogar einen ausklappbaren Tisch.
Nur das Nötigste
Das Cockpit des Flynt-Transporters kommt spartanisch daher. Dafür gibt es jede Menge Ablagen und sogar einen ausklappbaren Tisch.

Aufgrund der Skateboardkonzepts der Architektur sind verschiedene Aufbauten möglich: von L1H1 bis L3H4-Konfigurationen beziehungsweise von 8,7 bis zu 16,5 Kubikmeter Fassungsvermögen. Durch den flachen Boden der reinen E-Plattform passt damit deutlich mehr in den Laderaum als bei den meisten Wettbewerbern, die in der Regel noch auf einer Verbrenner-Architektur aufbauen. Weitere Vorteile dieser Bauweise: Die Schiebtüren öffnen sich 1,20 Meter breit, die Ladekante ist maximal 50 Zentimeter hoch und als H1-Kleinbus ragt der Aufbau lediglich 2,05 Meter in die Höhe.

100 kWh-Akku für 500 Kilometer Reichweite

Bei der 4,25-Tonnen-Hochdach-Variante (LH3H3) mit Vorderradantrieb kann der E-Transporter 1.630 Kilogramm laden. Die Plattform lässt alle Antriebsformen zu, die ohne großen Aufwand umgesetzt werden können: Vorderrad-, Hinterrad und Allradantrieb. Die NCM-Akkus haben eine Kapazität von 100 Kilowattstunden, was für eine maximale Reichweite von 500 Kilometern gut ist.

Dass der E-Transporter die Vorteile der Pkw-Technik nutzt, zeigt sich auch an der Ladeleistung, die aufgrund der 800-Volt-Technik bis zu 220 kW an einem Schnelllader und 22 kW an einer Wallbox beträgt. An einer DC-Ladesäule sind die Energiespeicher in 20 Minuten von 30 auf 80 Prozent gefüllt. Meistens laden die Transporter über Nacht im Depot, so sind aber auch größere Strecken drin.

Fit fürs bidirektionale Laden

Natürlich sind auch kleinere Batterien mit 55 und 75 kWh Kapazität für einen Kurzstreckenverkehr in der Stadt im Angebot. Beide LFP-Akkus haben 400 Volt Spannung haben und können deshalb nur mit 180 kW Gleichstrom aufnehmen. Der Verbrauch des Flynt E-Transporters beträgt bei der 3,5-Tonnen-Variante lediglich 20 kW/100 km im WLTP-Verbrauchszyklus. Zudem ermöglicht die Architektur das bidirektionale Laden – sowohl Vehicle-to-Load (V2L) als auch Vehicle-to-Grid (V2G). Also muss man auf Baustellen oder auch Campingplätzen nicht mehr nach Steckdosen suchen, um Elektrogeräte betreiben zu können.

Das Cockpit beziehungsweise das Infotainment stammt ebenfalls aus dem Pkw-Bereich: Der Bildschirm für die virtuellen Instrumente misst 8,8 Zoll und der zentrale Touchscreen 12,8 Zoll. Das Smartphone ist via Apple CarPlay oder Android Auto auf Wunsch ebenfalls Teil des Infotainments. Wichtig für gewerbliche Nutzer sind eine Vielzahl von Ablagen sowie praktische Details wie etwa ausklappbare Tische, auf denen der Fahrer unterwegs seine Aufträge bearbeiten kann.

Bleibt noch die Frage nach dem Preis, zu dem der Elektrotransporter im kommenden Jahr in Europa angeboten wird. Kircher will sich da noch nicht festlegen. Ein Maxus eDeliver 7 startet bei 45.990 Euro (netto) beziehungsweise 54.728 Euro (brutto). Der Flynt-Transporter dürfte sich daran orientieren.

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