Die Saison 2022 der Formel E – die achte seit der Gründung der vollelektrischen Rennserie im Frühjahr 2014 – ist für manche Teilnehmer so etwas wie ein finales Hurra. Mercedes tritt zum letzten Mal mit einem Werksteam an. Und das „Batmobil“, das 250 kW (340 PS) bis zu 280 km/h schnelle Rennauto der zweiten Generation („Gen2“) wird seine letzten Rennen bestreiten – im kommenden Jahr wird es durch einen nochmals schnelleren und nochmals stärkeren Gen3-Monoposto abgelöst. Erste Bilder des neuen, komplett klimaneutral produzierten und damit „effizientesten und nachhaltigsten Hochleistungsrennwagen der Welt“ hat Jamie Reigle, der CEO der Formel E, kürzlich veröffentlicht.
Aber zunächst gilt es die Saison Acht zu meistern. Und viele Experten sehen die Rennserie vor einem Scheideweg: Wird die Formel E bei allen Corona-Handicaps endlich zu einem echten Publikumsmagneten – oder bleibt sie weiter im Schatten der Formel 1? Durch die Teilnahme Maseratis ab 2023 wird der Aderlass durch den Ausstieg von Audi und BMW zum Ende der vergangenen Saison und den Ausstieg von Mercedes am Ende dieses Jahres zumindest etwas kompensiert. Auf der anderen Seite haut sich Porsche bisher auch nur bis einschließlich Saison 10 im Jahr 2024 zum Formel-E-Engagement bekannt. Das wissen auch die Macher der E-Rennserie. Und so haben sich Reigle und Co. einige Neuerungen für diese Saison einfallen lassen, die einen spannenden Kampf versprochen und die Rennen nochmals attraktiver machen sollen. Zu sehen sind die Rennen im deutschen Fernsehen übrigens erstmals auf Pro7.
Neue Austragungsorte, alte Bekannte
Die Saison beginnt am 28. Januar mit einem Doppelrennen im saudi-arabischen Riad und geht über insgesamt 16 Rennen. Der Weltmeister wird am 14. August in Seoul gekürt. Die koreanische Metropole gehört neben Vancouver in Kanada zu den neuen Austragungsorten, an denen die Elektrorenner um Punkte fahren. 22 Fahrer gehen in elf Teams an den Start. Dabei sind solche Formel E-Veteranen wie Jaguar, DS Techeetah oder Nio. Audi ist noch als Motorenlieferant für das britische Envision Racing-Team aktiv.
Bei den Testfahrten machten vor allem die Fahrer mit einem Mercedes-Motor im Rücken eine gute Figur. Damit dürfte auch der amtierende Weltmeister Nyck de Vries im Silberpfeil zu den Top-Favoriten gehören. Allerdings hat Porsche seine Karten noch nicht auf den Tisch gelegt. Die Zuffenhausener sind Meister des Understatements und werden erst beim Saisonauftakt das wahre Leistungsvermögen zeigen.
Auch die Piloten sind keine Nobodys: Andre Lotterer und Pascal Wehrlein (beide Porsche) haben sich schon in der DTM, der Formel 1 und Le Mans einen Namen gemacht. Genauso wie Antonio Giovinazzi, der im letzten Jahr noch für Alfa Romeo in der Formel 1 in das Lenkrad griff und jetzt in der Formel E für die US-Truppe von Dragon Penske Siege einfahren soll.
Neue Regeln für noch mehr Spannung
So weit die groben Rahmendaten. Obwohl die Rennserie bis einschließlich 2038 zudem die exklusiven Rechte für die Austragung vollelektrischer Rennen besitzt, gibt es zunehmend Konkurrenzveranstaltungen, die auf Nachhaltigkeit sowie Elektrifizierung setzen. Angefangen von der Formel 1 – die deutlich elektrischer und damit umweltverträglicher werden soll – bis hin zur Offroad-Elektrohatz Extreme E. Also ist die Formel E im Zugzwang, noch mehr Spektakel zu bieten, um das Interesse hochzuhalten.
Deshalb wird es in der neuen Saison einige Regeländerungen geben, um die Spannung anzuheizen. Das geht schon beim Qualifying los. Der langweilige und unübersichtliche Modus über fünf Abschnitte war bei den Fahrern nicht sonderlich beliebt und wird unter anderem durch einen K. O.-Modus ersetzt. Wie bei der Champions League im Fußball beginnt das Qualifying der Formel E mit einer Gruppenphase, mit jeweils elf Fahrzeugen. Maßgebend ist der WM-Stand: Die auf den ungeraden Positionen platzierten Piloten treten in der Gruppe A an, die anderen Piloten logischerweise in der Gruppe B. Beim ersten Saisonrennen nehmen die Teams die Einteilung vor.
Jede Einheit hat dann zwölf Minuten Zeit, um schnelle Rundenzeiten zu erzielen. Damit es nicht zu strategischen Wartereien in der Box kommt, muss jeder Pilot in den ersten fünf Minuten eine gezeitete Runde fahren. Natürlich darf jeder der Fahrer während der vorgegebenen Zeit so viele schnelle Runden in den Asphalt brennen, wie er mag. Als Leistung stehen ihnen dafür 220 kW (299 PS) zur Verfügung.
Leistung steigt in der K.o.-Phase
Die vier schnellsten Piloten aus jeder Gruppe qualifizieren sich dann für die K.o.-Runde und treten dort überkreuz an. Das bedeutet: Der Bestzeithalter der Gruppe A tritt gegen den viertschnellsten der Gruppe B. Der zweite Platz aus A kreuzt mit dem Dritten aus B die Waffen. Und so weiter. Für diese K.o.-Phase wird die Leistung der Boliden dann auf 250 kW (340 PS) hochgedreht. Aus diesen vier Wettkämpfen ergibt sich dann das Halbfinale. Schließlich entscheidet ein finales Duell, wer auf der Poleposition steht. Das verspricht Dramatik. Bei den Fahrern kommt das neue Format gut an, da es deutlich gerechter ist als das bisherige, bei dem die Topfahrer als erstes herausgeschickt wurden um mit ihren Fahrzeugen die Strecke für die anderen sauber zu putzen.
Rennen dauert 45 Minuten – und eine Runde
Bei den Rennen bekommen die Fahrer als Standardleistung 220 kW statt bisher 200 kW zur Verfügung gestellt, beim Attack-Mode sind es 250 kW. Der Angriff wird per Knopf am Lenkrad initiiert. Aber um in den Vorteil der Zusatzleistung zu kommen, muss der Fahrer wie bei einem Jump ‚n‘ Run-Videospiel drei Aktivierungsstreifen überqueren und dabei die Ideallinie verlassen. Die Mehrleistung spüren die Piloten und jeder Vollblutrennfahrer freut sich darüber. Aber mit der Extra-Power gehen auch Herausforderungen einher. Die Reifen werden härter rangenommen und überhitzen schneller. Also müssen die Lenkradartisten ihren Fahrstil etwas anpassen.
Auch bei Renndauer tut sich mit der Einführung der Extra-Time etwas. Ein Formel E-Grand Prix dauert 45 Minuten plus eine Runde. Bei der „Nachspielzeit“, die durch Safety-Car- und Gelb-Phasen entstehen, orientiert sich die Formel E am Fußball. In der 41. Minute gibt die Rennleitung die Extra-Time bekannt, die zur regulären Renndauer addiert wird. Die Zusatzzeit errechnet sich nach folgendem Schlüssel: Für jede Minute, die unter sogenannten neutralisierten Bedingungen werden 45 Sekunden zur Renndauer hinzugefügt, allerdings nie mehr als insgesamt zwölf Minuten. Kommt es nach 40 Rennminuten zu einer Safety-Car-Phase oder wird Gelb geschwenkt, wird das nicht mehr aufgerechnet.
Damit wird das Energiemanagement und damit auch die Rekuperation immer wichtiger. Das spielt den Ingenieuren in die Karten, da bei den Gen2-Autos bei der achten Saison die Verbesserungen in der Software liegen.