Bei GAC will man nichts überstürzen. Klasse statt Masse lautet die Devise, aber auch die genaue Beobachtung des Zielmarktes und der dort erfolgreichen Strategien. Wer im Haifischbecken der chinesischen Autohersteller, die auch in Europa hart um Marktanteile kämpfen, bestehen will, muss auf mehrere Marken und Antriebsvarianten setzen.

Also hat die südchinesische Guangzhou Automobile Group (GAC) mit den Submarke Aion und der Lifestyle-Tochter Hypertec zwei weitere Ableger aus dem Taufbecken gehoben. Bei der Namensgebung sind die Chinesen ohnehin kreativ. Sie verweisen darauf, dass sich Aion aus den beiden englischen Begriffen AI (also Artificial Intelligence / künstliche Intelligenz) und „On“ (an) zusammensetzt.

Ohne Ecken und Kanten
Der Aion UT sieht vielleicht nicht so schnittig aus wie der ID.3 von VW, macht aber dennoch eine gute Figur auf der Testfahrt in China.
Ohne Ecken und Kanten
Der Aion UT sieht vielleicht nicht so schnittig aus wie der ID.3 von VW, macht aber dennoch eine gute Figur auf der Testfahrt in China.

Wenn es um den neuen Kompaktwagen geht, platzt den chinesischen Managern der Stolz aus jedem Knopfloch. „Im Aion UT ist genauso viel Platz wie in einem klassenhöheren Fahrzeug. Das ist der Top-Wert in seinem Segment“, strahlen sie und liefern den Grund gleich mit:. Der kompakte Stromer hat einen Radstand von 2,75 Metern. Also machen wir (1,85 Meter) die Probe aufs Exempel und nehmen, nachdem wir den Fahrersitz auf unsere Maße eingestellt haben, links im Fond Platz und stellen fest, dass die chinesischen Experten nicht zu viel versprochen haben: Man hat auch im Fond des Stromers als Erwachsener reichlich Platz. Alles andere würden die Kunden im Reich der Mitte wohl auch nicht akzeptieren.

Mehr Platz als im ID.3 trotz kürzerem Radstand

Mit einer Länge von 4,27 Metern, einer Höhe von 1.57 Meter und einer Breite von 1,85 Metern ist der GAC Aion etwas kürzer als der BYD Dolphin (zwei Zentimeter), dafür acht Zentimeter breiter und quasi identisch hoch. Allerdings schlägt der VW ID.3 den Aion beim Radstand um zwei Zentimeter. Zum Vergleich: Der ID.3 ist 4,26 Meter lang, 1,81 Meter breit und 1,55 Meter hoch. Allerdings haben die chinesischen Innenarchitekten bei der Raumökonomie bessere Arbeit geleistet: Denn in der zweiten Reihe ist trotz des etwas kürzeren Radstands spürbar mehr Platz als im ID.3, ergibt unsere Sitzprobe.

Chinesischer Einheits-Look
Das Infotainment folgt dem üblichen chinesischen Duo aus kleinem 8,8-Zoll-Cockpit und einem großen zentralen Touchscreen-Infotainment, das stattliche 14,6 Zoll misst. Die Verarbeitung und die Güte der im Innenraum eingesetzten Materialien ist gut.

Beim Fahren verhält sich der GAC Aion UT unauffällig. Das ist schon mal positiv. Zumal wir die chinesische Version gefahren sind. Das bedeutet, die Batterie hat hier eine Kapazität von 44 kWh und der Motor an der Vorderachse eine Leistung von 100 kW oder 136 PS. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 150 km/h. Die Akkus sind nach Angaben des Herstellers aufgrund einer maximalen Ladeleistung von 130 kW in 24 Minuten von 30 auf 80 Prozent gefüllt. An der Wallbox fließt der Strom mit maximal 11 kW.

60 kWh-Akku für 430 Kilometer Reichweite

Nach Europa kommt im kommenden Jahr allerdings eine Version mit 60-kWh-Batterie, die für eine WLTP-Reichweite von 430 km gut sein soll. Dazu gibt es einen Motor mit einer Antriebsleistung von 150 kW oder 204 PS – das entspreche dem ID.3 Pro von Volkswagen. Der größere und entsprechend schwerere Akku bedingt eine etwas straffere Abstimmung des Fahrwerks. „Vor allem der Vorderachse, weil der Motor schwerer ist“, erklärt der zuständige Techniker.

150 km/h müssen reichen
In Europa wird der Aion UT ab 2026 mit einem 150 kW starken Antrieb und einem 60 kWh-Akku angeboten. Das Fahrwerk wird vor der Markteinführung bei uns noch geringfügig angepasst, um hiesigen Geschmäckern besser zu entsprechen. Bilder: GAC

Wir sind auch mit der Basis-Variante gut klargekommen. Natürlich könnte die Lenkung direkter sein, mehr Rückmeldung geben und das Fahrwerk verbindlicher. Aber der Aion UT ist weit von den schaukelnden Asia-Sänften früherer Tage entfernt. Wir waren auch auf schlechteren Straßen unterwegs und die Feder-Dämpfer-Kombination hat auch diese Herausforderung ohne große Probleme gemeistert. Nimmt man eine Kurve schnell, neigt das kompakte Auto wegen des Frontantriebs zu gutmütigem Untersteuern.

Basispreis von unter 30.000 Euro in Europa

Das Infotainment folgt dem üblichen chinesischen Duo aus kleinem 8,8-Zoll-Cockpit und einem großen zentralen Touchscreen-Infotainment, das stattliche 14,6 Zoll misst. Wir haben uns in den Menüs schnell zurechtgefunden, da auch diese dem bewährten Muster des Reiches der Mitte folgen. Bei den Fahrmodi reicht die Einstellung Normal völlig aus, während Sport etwas mehr Verve in den Vortrieb bringt. Die Verarbeitung des Interieurs ist in Ordnung, das Kofferraumvolumen mit 440 Litern bei voller Bestuhlung auch. Der ID.3 hat hier nur Platz für 385 Liter.

Mehr als nur zwei Rucksäcke
Bis zu 440 Liter fasst der Kofferraum des Aion UT bei voller Bestuhlung. Das sind immerhin 55 Liter mehr als der im VW ID.3
Mehr als nur zwei Rucksäcke
Bis zu 440 Liter fasst der Kofferraum des Aion UT bei voller Bestuhlung. Das sind immerhin 55 Liter mehr als der im VW ID.3

Der GAC Aion UT soll in Deutschland mit dem 60 kWh-Akku bei der Markteinführung 2026 weniger als 30.000 Euro kosten. Wir gehen – vor EU-Strafzoll für China-Importe – von rund 28.000 Euro aus. Das wären zwar etwa 15.000 Euro mehr als die Käufer in China (89.900 Yuan oder 12.000 Euro) für das Modell hinlegen müssen. Der Preis läge aber deutlich unter dem des VW ID.3, der als Pro S 36.425 Euro kostet. Und auch der BYD Dolphin (ab 32.990 Euro inklusive EU-Strafzoll) könnte von dem Newcomer noch unterboten werden.

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