Mit seinem von Science-Fiction-Filmen und Computerspielen inspirierten Cybertruck hat Tesla im vergangenen Jahr die Gemüter erregt, aber auch die Fantasie von Spezialisten aus der Rüstungsindustrie befeuert. Tesla-Chef Elon Musk sprach damals von einem „gepanzerten Mannschaftswagen aus der Zukunft“. Bei der Präsentation des futuristischen Elektro-Pick-ups ließ er die Edelstahl-Karosserie von Chefdesigner Franz von Holzhausen mit Eisenkugeln und einem Vorschlaghammer traktieren. Der Beweis der Unverwundbarkeit ging allerdings schief: Die Bleche zeigten sich zwar unbeeindruckt von den Einwirkungen roher Gewalt, doch die Panzerglas-Scheiben splitterten.

Beim ähnlich designten „Genesis“ steht dieser Härtetest zwar noch aus. Doch beim Prototypen des Mannschaftstransporters, den die Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft (FFG) entwickelt und jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt hat, dürften die Voraussetzungen deutlich besser sein: Das Unternehmen hat langjährige Erfahrungen im Panzerbau, produziert unter anderem den Bergepanzer Wisent und andere schwere Kettenfahrzeuge für militärische Einsatzzwecke.

Plug-in-Hybrid fährt 150 Kilometer elektrisch

Mit dem Demonstrationsmodell „Genesis“ wollen denn die Flensburger denn auch weniger dem Cybertruck Konkurrenz machen als ein neues Kapitel in der Antriebstechnik von Kampffahrzeugen aufschlagen: Der 35-Tonner für den Transport von 10 Personen samt Ausrüstung verfügt über einen wiederaufladbaren Hybridantrieb mit acht Radnabenmotoren und einer Systemleistung von 1368 kW (1860 PS). Eine Lithium-Ionen-Batterie mit (noch) nicht näher bezifferter Speicherkapazität soll das Gefährt bei einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h bis zu 150 Kilometer weit elektrisch fahren lassen. Im dieselelektrischen Fahrmodus beträgt die Reichweite bis zu 600 Kilometer.

Blaues Wunder
In den Firmenfarben hat die FFFG den Prototypen ihres achträdrigen Mannschaftswagens lackiert – und zu Demozwecken mit einer ferngesteuerten 30mm-Turmkanone versehen.

Der komplette hochkomplexe Antriebsstrang, der auch eine Rückgewinnung der Bremsenergie und deren Speicherung in der Batterie vorsieht, wurde von der FFG in knapp dreijähriger Arbeit selbst entwickelt, in Kooperation mit Zulieferern aus der Region.

Besonders stolz ist Projektleiter Christoph Jehn auch auf die neu entwickelte elektrische Steuerung des Allradlers, die ohne mechanische Verbindungen auskommt und ohne klassische Lenkung auskommt: Jedes Rad lässt sich einzeln beschleunigen und bremsen, vorwärts wie rückwärts. Das erlaubt es beispielsweise, das Fahrzeug wie ein Kettenfahrzeug auf der Stelle wenden zu lassen.

15.622 Newtonmeter Drehmoment

Während der elektrische Antrieb bei Zivilfahrzeugen in erster Linie dem Umwelt- und Klimaschutz dienen soll, sind Öko-Aspekte bei dem E-Panzer von FFG eher „ein Beifang, wie man bei uns an der Küste sagt“, gibt Projektleiter Jehn offen zu. Ein geringerer Energieverbrauch sei im Einsatz nicht zu verachten, aber der lautlose und obendrein hochdynamische Antrieb hätten bei militärischen Einsätzen einen höheren Stellenwert: Das maximale Drehmoment der Elektromotoren von 15.622 Newtonmeter erlaubt dem Panzerwagen blitzschnelle Positionswechsel. Und die nahezu geräuschlose Fortbewegung mache den „Genesis“ zum idealen Spähwagen. Wie es der Zufall wird, berät die Bundeswehr gerade über den Nachfolger des „Fennek“ von Krauss Maffei Wegmann.

Martialischer Auftritt
Der Tesla Cybertruck wirkt nicht nur wie ein Kampfwagen der Zukunft, sondern kann auch einiges ab: Die Scheiben sollen ebenso wie der Edelstahl-Rumpf kugelsicher sein. Foto: Tesla

Um bei der Ausschreibung des Nachfolgemodells gute Karten zu haben, haben sich Jehn und seine Kollegen in der Entwicklung des „Genesis“ noch ein paar Besonderheiten ausgedacht. So kann der Spähwagen beispielsweise bi-direktional laden, also den über den bordeigenen Generator gewonnenen und in der Batterie gespeicherten Strom wieder abgeben, um beispielsweise ein Feldlazarett oder ein Lager zu elektrifizieren. Und das Fahrzeug ist obendrein tauch- und schwimmfähig. Gesteuert wird es übrigens von zwei Personen unter anderem über Touchscreens – auch in dem Punkt ist der Flensburger Mannschaftswagen dem Cybertruck mindestens ebenbürtig.

Herkunft der Batterie bleibt noch geheim

Gerne würde man noch mehr über die technischen Details erfahren. Etwa über die Kapazität und die Herkunft der Batteriezellen. Jehn wird da ganz schmallippig – der Konkurrenz etwa in Großbritannien, die derzeit ebenfalls intensiv an alternativen Antriebe für Kampfwagen arbeitet, wolle man nicht zu viel verraten. Nur so viel lässt er sich entlocken: Aus Korea oder China stammt der Lithium-Ionen-Akku nicht: „Unser Lieferant sitzt deutlich näher.“

Noch in diesem Jahr soll die Erprobung des „Genesis“ beginnen. 2022 könnte die Serienproduktion des Panzerspähwagens beginnen, auch eine zivile Version ist schon angedacht.

Musk hat für den Start des Tesla Cybertruck das vierte Quartal 2021 genannt. Zumindest in dem Punkt scheint er die Nase vorn zu haben.

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