Das war der politisch-gesellschaftliche Teil. Kommen wir zurück zur Technik. Was dürfen wir denn da an Entwicklungen noch erwarten? Sie planen ja wahrscheinlich schon für das Jahr 2023.

Und darüber hinaus. Aber darüber darf ich noch nicht reden.

Aber andeuten können Sie es sicherlich. Was passiert in den nächsten Jahren in der Antriebstechnik?

Die Leistung des Motors und die Kapazität des Akkus sind über die Jahre gestiegen, kommen jetzt aber an eine Grenze. Mehr Batterie als jetzt bekommt man fast nicht mehr in einem Fahrradrahmen unter – das Pedelec würde sonst zu schwer. Wir arbeiten daran, die E-Bikes wieder leichter zu machen. Bei den Kunden gibt es auch weiterhin eine große Nachfrage nach hoher Leistung bzw. hohem Drehmoment der Antriebe.

Verständlicherweise.

Ja, aber da kommen wir jetzt an die Grenze dessen, was ein Fahrrad ist. Wir sagen: Das, was unsere heutigen Antriebe bieten, reicht – mehr macht keinen Sinn. Zumal es Anwendungen gibt, wo man gar nicht so viel Leistung benötigt. Und wenn weniger Leistung abgefordert wird, dann sinkt auch der Stromverbrauch und die Akkureichweite steigt.

„Mehr macht keinen Sinn“
Blick ins Innere eines E-Bike-Antriebs aus der „Performance Line“ von Bosch. Foto: Bosch

Also kann der Akku kleiner werden.

Genau. Wenn Sie das zusammenaddieren, kommen Sie zu einem leichteren Fahrrad. Es gibt bereits eine Zielgruppe, die einen Antrieb möchte, der gerade so viel Unterstützung liefert, dass man die Steigung hinaufkommt. Das führt zu Gravel- und Mountainbikes unter 20 Kilogramm. Insbesondere bei jungen Zielgruppen kommt das gut an.

Wer aktuell ein neues E‑Bike sucht, hat die Wahl sich zwischen diversen Antrieben mit unterschiedlichen Charakteristika. Wir erläutern, für welchen Fahrertyp sich welcher Antrieb eignet - und warum Drehmoment nicht alles ist. E-Bikes

Was können wir sonst noch erwarten – noch kleinere Motoren?

Da ist ja schon eine ganze Menge passiert: Die E-Bikes werden ja immer schöner, weil die Bauteile kompakter werden und sich besser integrieren lassen. Vor zehn Jahren waren die Bauteile alle irgendwie drangeschraubt. Und dann gibt es noch zwei wichtige Trends.

Nämlich?

Zum einen Connectivity und Digitalisierung. Und dann den Aspekt Sicherheit. Es wird in Zukunft normal sein, dass das physische Erlebnis Fahrradfahren über eine App mit einem digitalen Erlebnis verschmilzt. Wie dies aussieht, kann man bei unserem vernetzten Bordcomputer Nyon mit Fitnessfunktionen und Navigation bereits erfahren. Es erlaubt zum Beispiel bereits  Routenplanung und Auswertung der Fahrdaten über die App oder das Portal und verbindet sie mit dem persönlichen Profil. Davon wird in Zukunft noch mehr kommen. Man wird wesentlich mehr einstellen können und über die App auch Software-Updates vornehmen können. Und darüber hinaus wird es weitere Produkte und Funktionen rund um das Thema Sicherheit geben.

„Wir kommen jetzt an die Grenze dessen, was ein Fahrrad ist.“

Claus Fleischer

Ich ahne, worauf Sie hinauswollen: ABS.

Richtig. Wir sind derzeit der einzige Hersteller, der ein solches System in größeren Stückzahlen schon im Markt hat.

Es bringt in der Tat einen Sicherheitsgewinn. Das Bauteil ist aber noch etwas groß und klobig.

In der ersten Generation geht es immer um die Absicherung einer Funktion. Da fällt ein Bauteil schon mal größer aus. Aber im nächsten Schritt kann man es kleiner und schöner machen. Das wird auch hier passieren – wir bleiben dran.

E-Bike mit ABS-System
Das ABS-System verhindert das Blockieren der Fahrradbremsen in Notsituationen. Bosch ist derzeit der einzige Hersteller, der ein derartiges System anbietet. Foto: Bosch

E-Bikes, sage ich immer, sind wie eine Einstiegsdroge. Sie führen auf direktem Weg zum Elektroauto. Fahren Sie auch schon ein E-Mobil? 

Ich kann mir das gut vorstellen, dass der Weg dorthin führt. Wir waren schon bei der Gründung unseres Geschäftsfelds überzeugt davon, dass Elektromobilität zunächst im Kleinen erfolgreich sein wird. Wir haben damals einen Zeitstrahl aufgemalt, der vom E-Bike über den E-Scooter zum kleinen und dann großen Elektroauto führte. Heute hat sich das E-Bike etabliert und es gibt Märkte, wo der Elektroroller den klassischen Scooter verdrängt hat. Und die Zahl der Elektroautos auf den Straßen wächst inzwischen auch. Wer einmal geräusch- und emissionsfrei gefahren ist, der will das nicht mehr missen. Wenn die Reichweite der Elektroautos noch verbessert wird und die Ladezeiten kürzer werden, dann werden sie eine echte Alternative.

Für Sie sind sie es heute noch nicht, höre ich heraus.

Wir sitzen hier in einem Technologiepark mit nur wenigen Lademöglichkeiten. Die Kollegen, die bereits ein Elektroauto besitzen, koordinieren untertags per SMS ihre Ladevorgänge. Das sagt mir: Wir haben noch viel an Infrastrukturaufgaben vor uns. Bis die gelöst sind, transportiere ich meine Fahrräder weiter mit meinem VW-Multivan. Ein elektrisch angetriebenes Äquivalent habe ich leider noch nicht entdeckt. 

Vielen Dank für das Gespräch!   

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