Und die Mühlen der Politik mahlen in diesem Land bekanntlich sehr langsam. So will Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer erst jetzt Deutschland zum Radland machen und dazu bis 2023 1,5 Milliarden in Radwege investieren. Kommt das nicht reichlich spät?

Er hat bereits den dritten nationalen Radverkehrsplan vorgestellt und auch schon im vergangenen Jahr Fördergelder in Höhe von 1,5 Milliarden Euro Aussicht gestellt.

Vom „Fahrradland Deutschland“ sind wir trotzdem noch sehr weit entfernt. Woran liegt das?

Aus meiner Sicht an zwei Dingen: Es gibt nicht genügend Platz in den Städten für die Fahrrad-Infrastruktur – und zu viele Einsprüche, sobald ein konkretes Planungsvorhaben vorgestellt wird. Deshalb dauert es bei uns fünf bis acht Jahre, bis hierzulande ein neuer Radweg entsteht. Am Budget liegt es nicht – sondern an den Schwierigkeiten für die Kommunen, dieses Budget abzurufen. Wegen des deutschen Verwaltungs-Dschungels und den vielen Einspruchsmöglichkeiten.

Ohne ein gescheites und sicheres Radwegenetz wird es aber schwierig, die Menschen in den Städten zum Umstieg aufs Fahrrad zu bewegen.

Stimmt, das geht nur über Angebote und über Sicherheit. Wir schauen alle neidisch in die Niederlande und nach Dänemark. Hamburg will das neue Kopenhagen werden, vergisst aber, dass Kopenhagen schon vor über 20 Jahren angefangen hat, die Stadt umzubauen.  

Radschnellweg in Göttingen
„Wir schauen neidisch in die Niederlande und nach Dänemark“. Dort wurde allerdings schon vor 20 Jahren damit begonnen, die Städte umzubauen. Foto: Christoph Mischke/ADFC

Radfahrer haben es aber nicht nur in den Städten schwer. In den Wäldern und in den Bergen werden E-Biker derzeit von Umweltschützern bekämpft. Der BUND forderte schon, E-Bikes im alpinen Raum den Status als Fahrrad abzuerkennen. Zeichnet sich da ein Kulturkampf ab?

Wenn wir es ernst meinen mit der Fahrradkultur in Deutschland, dann dürfen wir das Rad nicht nur rational sehen, als Pendlerfahrzeug und Alternative zum Auto. Der emotionale Aspekt ist genauso wichtig: Radfahren ist Freizeit und Lebensfreude. Das Pedelec lässt die Lebensbereiche Alltag und Freizeit miteinander verschmelzen: Die Menschen fahren damit nicht nur zu Arbeit, sondern bewegen sich damit raus in die Natur. Und der Freizeitradler nutzt sein Rad nun auch zum Einkaufen oder Pendeln. Das kann nur gut sein. Jetzt darf ich aber nicht den Radfahrer aus der Natur aussperren: Es gibt ein freies Betretungsrecht im Bundeswaldgesetz – für Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer.

„Wenn wir es ernst meinen mit der Fahrradkultur in Deutschland, dann dürfen wir das Rad nicht nur rational sehen, als Alternative zum Auto.“

Claus Fleischer

Die Naturschützer wollen das E-Bikern aber offenbar absprechen.

Ein Pedelec ist dem Fahrrad gleichgestellt mit allen Rechten und Pflichten, das muss ich mit Naturschützern nicht diskutieren. Ein Pedelec fährt sich wie ein konventionelles Fahrrad, ist so schnell wie ein Fahrrad, und mit dem Radfahrer etwa so schwer wie ein Fahrrad. Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich mit meinem E-Bike im Wald oder in den die Alpen unterwegs bin. Es gibt per Definition keine Wanderwege, das ist ja nur eine Idee. Das sind alles Wirtschafts- oder Freizeitwege, die allen offen stehen sollten. Und dort wo sich Radler und Wanderer in großer Zahl begegnen, brauchen wir attraktive Zusatzangebote wie ausgewiesene Mountainbike-Trails, die die Nutzerströme lenken. Das scheitert aber leider oft an den Waldbesitzern, an der Ideologie und hier in Baden-Württemberg an der Zwei-Meter-Regel im Landeswaldgesetz.

E-Biker im Stadtverkehr
„In Deutschland dauert es fünf bis acht Jahre, bis ein neuer Radweg entsteht.“ Foto: Bosch

Was besagt die?

Dass Radfahrer nur Wege benutzen dürfen, die mindestens zwei Meter breit sind. Das ist absurd, aber typisch deutsch. Solange es so etwas gibt, werden wir in Deutschland keine positive Fahrradkultur bekommen.

Im dritten Teil des Interviews verrät Claus Fleischer, welche neuen Trends bei den E-Bikes zu erwarten sind.

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