Wenn es nach Mathias ginge, dann müsste die Ladekante etwas niedriger sein: Der Einstieg in den Kia e-Soul durch den Hintereingang würde dann nicht zur Klettertour ausarten. Und auch Mama fiele es sicher leichter, den Kinderwagen im Auto zu verstauen. Aber dass das Laufrad im Kofferraum problemlos Platz findet, findet der Dreijährige schon mal ganz cool. Und dass er auf der Rücksitzbank auch dann nicht mit dem Kopf an die Decke stößt, wenn er darauf steht – wow. Also: Die „Kiste“ ist gekauft.

Entscheidungen über ein neues Auto trifft eine Familie selbstverständlich immer gemeinschaftlich. Aber das letzte Wort hat dabei natürlich nicht der Junior, sondern einer der beiden Senioren. Also Mama oder Papa. Aber nach zwei Wochen mit dem marsorangefarbenen Kia e-Soul stehen die Chancen nicht schlecht, dass Papa und Mama dem Votum des Juniors folgen – wenn denn tatsächlich der Kauf eines neuen Autos anstünde. Denn das Elektroauto erwies sich im Praxistest so praktisch und alltagstauglich, wie es schon beim ersten Blick aussah. Aber der Reihe nach.

Kia e-Soul in Seitenansicht
Foto: Rother

Schein und Sein

Der Werbeslogan eines bekannten Schokoladenherstellers wurde sicher schon oft genug genutzt, um den Kia e-Soul zu beschreiben. Auch die Metapher von der Quadratur des Kreises wurde schon mehrfach bemüht. Schließlich ist der Soul schon eine ganze Weile auf dem Markt: Die erste Generation ging bereits 2009 an den Start. Aktuell befinden wir uns in der dritten Generation insgesamt und der zweiten mit Elektroantrieb. Und mit der Zeit ist der Soul immer besser geworden. Nicht nur technisch, sondern auch optisch, wie wir finden. Die kantigen Konturen blieben, aber die Linien wurden geschärft, speziell an der Front: Die LED-Scheinwerfer bilden im Modelljahr 2021 mit Tagfahrlicht und Chromleiste eine Horizontale, die bei manchen Kinogängern Erinnerungen an „Star Wars“ und den Helm von Darth Vader aufkommen lässt. Mag sein, dass auch dies für ein ganz gutes Überholimage sorgt.

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Im Alltag kommt es allerdings mehr auf andere Qualitäten an. Die gute Zugänglichkeit nicht nur des Kofferraums beispielsweise. Die ordentliche Beinfreiheit – auch für Erwachsene – auf der Rücksitzbank dank eines um drei Zentimeter vergrößerten Radstands. Oder das aufgräumte, durchaus stylishe Cockpit mit einem Gangwahl-Drehschalter in der Mittelkonsole und einem ausfahrbaren Head-up-Display, das die wesentlichen Fahrinformationen auf Augenhöhe präsentiert – sofern man nicht zu groß gewachsen ist.

Man findet sich auf dem Fahrersitz nicht nur sofort zurecht, sondern auch vom ersten Augenblick wohl: Alles passt, alles sitz da, wo es hingehört. Und obendrein gibt es in der Topversion Spirit auf Knopfdruck auch noch Lichttheater: Direkt vor den seitlichen Lüftungsdüsen befinden sich drei­dimensionale Strukturen, die im Dunkeln nicht nur leuchten, sondern auch noch rhythmisch pulsieren, wenn aus der 640-Watt-Anlage von Harman Kardon Hiphop-Beats erklingen oder wenn Rolf Zuckowski in die Saiten greift. Kinder, was für ein Spaß!

Saus und Braus

Kinder erkunden als erstes den Kofferraum. Oder sie prüfen, ob sie mit den Füßen an das Fahrpedal kommen. Papa interessiert sich normalerweise zunächst einmal für die Fahrzeugdaten. Der 4,20 Meter lange Kia e-Soul wird im Handel als elektrischer Kleinwagen kategorisiert. Tatsächlich spielt er als Crossover im B-Segment in einer Liga etwa mit dem nagelneuen Opel Mokka-e oder dem Renault Zoe.

Doch nach den Antriebsdaten wäre der Testwagen vor noch nicht allzu langer Zeit auch als Sportwagen durchgegangen: 150 kW oder 204 PS sind ebenso beeindruckende Werte wie eine Beschleunigung in weniger als acht Sekunden auf Tempo 100. Das kann beim Ampelstart schon einmal für Gänsehautmomente sorgen – sofern die Fahrbahn trocken und der Junior auf der Rücksitzbank ordentlich auf seinem Kindersitz festgeschnallt ist. Bei feuchter Fahrbahn sollte man „Raketenstarts“ tunlichst sein lassen – der bullige Fronttriebler hat dann Probleme, die Kräfte auf die Straße zu bekommen.

Reichweite bis zu 648 Kilometer – theoretisch

Der e-Soul hat aber noch andere Qualitäten. Einen Lithium-Ionen-Akku beispielsweise, der in der Langstreckenversion bis zu 64 Kilowattstunden Strom speichern kann – da kommt in dieser Fahrzeugklasse kein Wettbewerber mit. Das sorgt unter idealen Bedingungen und bei zurückhaltender Fahrweise – ohne rasante Ampelstarts – für eine Reichweite von 648 Kilometern. Im City-Modus. Im Alltagsverkehr und berühmten Drittel-Mix sollen es 452 Kilometer sein. Davon kann man im Winter, bei Außentemperaturen um die Null Grad Celsius und mit Winterreifen an den Achsen, nur träumen: Über 300 Kilometer kamen wir beim besten Willen nicht hinaus. Obwohl wir laut Bordcomputer zu 77 Prozent sehr ökonomisch und nur zu zwei Prozent „dynamisch“ fuhren, pendelte sich der Durchschnittsverbrauch bei 21 KWh pro 100 Kilometer ein. Dabei hatten wir keine schweren Lasten an Bord. Theoretisch wäre es sogar möglich gewesen, noch ein E-Bike auf einem Fahrradträger mitzuschleppen: Der Testwagen verfügte über eine abnehmbare Anhängerkupplung.

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Ja, der Kia e-Soul ist ein wunderbarer Spielplatz auch für technikverliebte Erwachsene. So lässt sich über Wippen hinter dem Lenkrad beispielsweise einstellen, wie viel Energie das Fahrzeug zurückgewinnen kann, wenn der Fahrer ab abschüssigen Strecken vom Fahrpedal geht. Bequemer und effizienter ist es allerdings, in den Automatik-Modus zu wechseln und das System selbst entscheiden zu lassen, wann es wie viel rekuperiert. Das geht in Kombination mit dem Abstands-Radar, über das der Kia verfügt, erstaunlich gut.

Auch kann man drei verschiedene Fahrmodi wählen, den E-Soul entweder sportlich beschleunigen und lenken. Oder mit Rücksicht auf den Verbrauch auf Eco oder sogar Eco+ herunterschalten. Aus der Freude am Fahren erwächst dann die Freude am Sparen. So oder so: Der Antrieb macht Spaß. Und was während der frostigen Testphase fast noch wichtiger war: Eine hocheffiziente Wärmepumpe sorgte dafür, dass es schon kurz nach dem Start ab Bord wohlig warm wurde.

Aber natürlich gab es auch etwas zu meckern. Vor allem über die Geschwindigkeit, mit der das Elektroauto Strom aus dem Netz zieht. Der e-Soul besitzt zwar einen Schnellladeanschluss nach dem europäischen CCS-Stecker, über den angeblich mit einer maximalen Ladeleistung von 100 kW Gleichstrom fließen kann. De facto – nach den Angaben auf den Displays von Schnellladesäule sowie nach einer Ladekurve von Fastned – fließen aber nur 77 kW und das nur sehr kurz. An einer Säule von E.On, die wir mit einem Ladezustand (SoC) von 15 Prozent anfuhren, flossen sogar nur 38 kW – Akku oder Ladesäule war es an dem Tag offenbar zu kalt. An der Wallbox lädt der e-Soul übrigens neuerdings Wechselstrom mit 10,5 kW – gegen einen Aufpreis von 500 Euro. In etwa sieben Stunden ist der Akku dann wieder gefüllt. Wer sich den Aufpreis für den dreiphasigen Onboard-Charger spart, muss ein paar Stunden länger parken.

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Da geht ganz schön was rein

Kinderwagen, Laufrad, Wickeltasche – der Kofferraum des Kia e-Soul schluckt alles. Und noch mehr, wenn die Rücksitzbank umgelegt ist.

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Vorsicht, Hochspannung

Das Laden des e-Soul an der Haushaltssteckdose ist kinderleicht. Deutlich schneller geht es an einer ordentlichen Wallbox – oder einem Schnelllader an der Autobahn. Foto: Rother

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Fahrräder huckepack

Eine Stützlast von bis zu 100 Kilo kann die abnehmbare Anhängerkupplung schultern, die es gegen Aufpreis für den Kia e-Soul gibt.

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Winterfest

Den Kia e-Soul gibt es ausschließlich frontgetrieben. Trotzdem schlägt sich der kompakte Crossover – SUV wäre zu viel der Ehre – wacker auf schneebedeckten Straßen. Auch am Hang wie hier. Foto: Rother

Geld und Kapital

Womit wir bei der Frage wären, was der Spaß kostet. Unser Testwagen in Langstreckenausführung, also mit großem Akku und starkem Motor, steht in der Topausstattung Spirit mit 43.190 Euro in der Liste. Mit 3-Phasen-Lader, Lederausstattung, Metallic-Lackierung und Launch-Paket sind es dann schon 46.600 Euro. Da müsste nicht nur Mathias gaanz lange sein Taschengeld sparen, um sich das Auto leisten zu können.

Den Eltern helfen immerhin Umweltbonus und Innovationsprämie in Höhe von 6570 Euro um schneller ans Ziel zu kommen. Obendrein gibt es nochmals 100 Euro für den virtuellen Motorsound, mit dem der e-Soul serienmäßig Sehbehinderte warnt. Macht in Summe einen Betrag von 39.930 Euro, der zu berappen wäre. Ein Händler in der Region war sogar bereit, weitere 6000 Euro nachzulassen – da geht offenbar noch was.

Zudem gibt Kia auf den Wagen eine Garantie von sieben Jahren. Auch ein Fahrzeugleasing wäre zu überlegen. Da kommt man schon ins Grübeln. Zumal es derzeit nur wenige voll familientaugliche Elektroautos wie den Soul gibt. Das hat Mathias schon richtig erkannt.

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