Seoul ist eine faszinierende Stadt. Rund 9,4 Millionen Menschen leben in der südkoreanischen Metropole. Vor allem in den angesagten Stadtvierteln Jongno-gu, Hanja und natürlich Gangnam-gu pulsiert das Leben. Die Straßenzüge und kleinen Gassen wimmeln von Menschen. Überall findet man Stände, an denen Händler Süßigkeiten, dampfendes Essen, Schmuck oder auch monströse Softeis-Türme feilbieten, die bei 31 Grad Abendtemperatur schneller schmelzen als man daran lecken kann.
Ein farbiges Lichtermeer macht auch die dunkelste asiatische Nacht zum Tag. Die Auslagen der Geschäfte sind quietschbunt und vor allem mit Comicfiguren bestückt. Die Farbenfreude zieht sich durch alle Bereiche des Lebens. Der Spaß am Leben ist ungetrübt und die Koreaner machen Sachen, bei denen Europäer nur mit dem Kopf schütteln.
Wir tauchen ein in die nächtliche Welt der Metropole. Mit einem Gefährt, das der Geheimtipp in der Kia-Produktpalette ist – der Kia Ray. Ein Elektro-Würfel, der 3,59 Meter lang und 1,70 Meter hoch ist, der aussieht wie der kleine Bruder des Kia e-Soul. Er ist wie gemacht für die engen Gassen und Straßen der Megacity. Wir kommen überall durch und um jede Ecke. Wo die meisten Autos aufgrund ihrer Breite die Räder strecken, wieselt der Kia Ray mit seiner Antriebsleistung von 64 kW oder 87 PS und einem maximalen Drehmoment von 146 Newtonmetern munter weiter.
Ray lädt den 35,2 kWh-Akku mit 150 Kilowatt
Wir lassen uns durch die Straßen treiben. Trotz des Trubels herrscht im Ray eine angenehme Ruhe, denn statt eines hysterisch wirbelnden Dreizylinders wie in so manchen anderen Autos dieser Größenordnung surrt hier ein Elektromotor. Das Gefährt ist wie geschaffen für eine emissionsfreie urbane Mobilität – so wie einst ein Smart ForTwo EQ oder der Fiat Panda Elettra der ersten Generation. Warum gibt es das Modell nicht auch bei uns in Europa? In Korea ist der Kia Ray als Leichtfahrzeug (Gyeongcha) klassifiziert. Für diese Vehikel, die maximal 3,60 Meter lang und 1,60 Meter breit sein dürfen, zahlt man hier weniger Steuern als für reguläre Automobile. Auch das wäre eine Anregung für europäische Gesetzgeber.
Der LFP-Akku des Mini-Kia hat eine Kapazität von 35,2 Kilowattstunden, was für maximal 205 Kilometer reichen soll. Auch das Laden des Fahrstroms geht mit bis zu 150 Kilowatt erstaunlich schnell vonstatten. Zum Vergleich: Der nagelneue Kia 3 EV hat mit dem kleineren, 58,3 kWh fassenden Akku lediglich eine maximale Ladeleistung von nur 128 kW.
Topspeed 130 – wer braucht schon mehr?
Das Fahrwerk hat mit den 1290 Kilogramm Leergewicht des Ray keine großen Probleme. Wenn man in der Stadt unterwegs ist, spielt die Querbeschleunigung ohnehin eine untergeordnete Rolle. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h ist der Kia Ray auch schnell genug, um auch auf den achtspurigen Stadtautobahnen locker mitzuhalten.
Die sind am frühen Abend ohnehin rappelvoll, so dass wir nur im Schritttempo vorankommen. Also geht es weiter nach Gangnam, wo der millionenschwere Entertainer Psy an fast jeder Straßenecke verewigt ist. Sei es als Statue oder die Hände, die dem weltberühmten Reitergriff des Welthits „Gangnam Style (강남스타일)“ nachempfunden sind. Wer wissen will, was in Seoul abgeht, wenn der Mann mit der schwarzen Sonnenbrille ein Heimspiel gibt, braucht nur das Video mit der Live-Version des Hits in Seoul anzuschauen. Dann bleiben keine Fragen offen.
Stromer für umgerechnet 18.635 Euro
Wir parken den Ray. So kompakt der E-Kubus auch äußerlich ist, innen ist er dank des Radstands von 2,52 Metern ein ganz Großer. Von Verzichtsmobilität kann da wirklich nicht die Rede sein. Und das zu einem Preis von 27.750.000 Won – umgerechnet wären das 18.635 Euro. Hersteller wie VW oder Skoda und selbst Citroën kämpfen damit, ein Elektroauto auf die Straße zu bringen, dass die magische 20.000-Euro-Grenze unterbietet. Hier ist es bereits realisiert.
Und das Platzangebot und die Praktikabilität des hochbauenden Stadtflohs sind beeindruckend: Die Schiebetüre rechts erleichtert den Eingang zum Fond. Schon mit der Normalbestuhlung sitzt man vorne und hinten ganz bequem. Klappt man jedoch die Lehne des Beifahrersitzes um, verwandelt sich der Innenraum des Rays in eine kleine Lounge, in der man sich richtig lang machen und den neuesten Hits des K-Pops lauschen kann. Gut ist auch, dass der Kofferraum deutlich größer als eine Schublade ist.
Das Cockpit mit der Digitalanzeige der wichtigsten Fahrinformationen im 4,2 Zoll-Format folgt erfreulicherweise mal nicht dem modernen Touchscreen-Fetischismus. Ein 10,25-Zoll-Display in der Mittelkonsole genügt ja auch. In dieser Hinsicht ist der Ray ein klassisches Auto, was ja auch nicht schlecht ist. Wir kehren auf die Straßen Seouls zurück. Auf denen nach 23 Uhr eine beinahe gespenstische Leere herrscht.
Die Stille der Nacht wird nur durch das voluminöse Dröhnen leistungsstarker Motoren mit acht, zehn oder gar zwölf Zylindern unterbrochen. Denn wenn die meisten Menschen in Seoul schlafen, holen reiche Koreaner ihre Sportwagen aus Maranello, Sant’Agata Bolognese oder Woking aus der Garage und führen diese lautstark auf den breiten Boulevards aus. Fahrer eines Kia Ray können über dieses Macho-Gehabe nur mitleidig lächeln.
Das die Ladeleistung bis zu 150kW betragen soll, halte ich für eine Fehlinterpretation. Es passt nicht zur Größe der Batterie und macht auch überhaupt keinen Sinn bei so einem Auto.
Ist auch meine Vermutung. Aber der Pressetext ist missverständlich formuliert: An einem 150-kW-Schnelllader dauere es 40 Minuten, um die Batterie von 10 auf 80 Prozent zu erhöhen. Die maximale Ladeleistung ist damit freilich nicht spezifiziert. Im Firmenprospekt sind 100 kW angegeben – das erscheint realistischer.