Plug-in-Hybride haben, um es mal grob zu formulieren, verschissen. Zumindest bei den Politikern der Bundesregierung sind die Teilzeitstromer in Ungnade gefallen, weil sie angeblich einen zu geringen positiven Klimaschutzeffekt haben. Ende des Jahres läuft deshalb in Deutschland die Förderung der Technik aus, bekommen Käufer eines wiederaufladbaren Hybridautos keinen Umweltbonus mehr.

Für den schlechten Ruf des Antriebskonzepts haben in erster Linie die Nutzer gesorgt: Dienstwagenberechtigte, die gerne die Steuervorteile nutzten, aus Bequemlichkeit nicht aber die Kabel im Kofferraum, um den Akku des Fahrzeugs regelmäßig zu nutzen. Die Folge: Die Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen in den Händen gewerblicher Nutzer waren fast fünfmal so hoch wie im offiziellen Testzyklus.

Bringt Farbe ins graue Straßenbild 
Unser Kia Sportage PHEV in der Zweifarb-Lackierung Schwarz/Splash Lemon Metallic war schon ein Hingucker.
Bringt Farbe ins graue Straßenbild
Unser Kia Sportage PHEV in der Zweifarb-Lackierung Schwarz/Splash Lemon Metallic war schon ein Hingucker.

Die Zahlen gingen dem Autor dieser Zeilen durch den Kopf, während er mit dem neuen Kia Sportage entspannt durch das Rheinland stromert. Kilometer um Kilometer, ohne dass der Benziner unter der Motorhaube anspringt. Und das nicht nur einen Tag lang, sondern beinahe während der gesamten Testdauer – 14 Tage lang. Aber mehrere Fahrten über längere Strecken und über die Autobahn waren dabei. Unter dem Strich stand schließlich im Schnitt ein Verbrauch um die 17 kWh Strom und 2,2 Litern Superbenzin auf 100 Kilometer. In Summe entspricht dies einem CO2-Äquivalent von 12,4 kg/100km. Das gleiche Fahrzeug, ausschließlich mit einem Benziner betrieben, wäre auf einen Wert um die 18 Kilogramm CO2-Äquivalent gekommen. Kein Klimaschutzeffekt? Denkste.

Reichweite von bis zu 600 Kilometer

„Es kommt darauf an, was man daraus macht“, warb einst die Betonindustrie. In abgewandelter Form sollte sich den Slogan vielleicht auch die Autoindustrie zu eigen machen, um den Ruf der Technik vielleicht doch noch zu retten. Fahrertraining wären dabei auch hilfreich: Wer mit einem Plug-in-Hybrid einfach weiter drauflos fährt, als gäbe es kein Morgen, darf sich nicht wundern, wenn am Ende des Tages ein Energieverbrauch steht, der mit den Hestellerangaben weit entfernt ist.

Ab ins Gelände 
Mit einem Elektromotor vorne und einer vom Benziner angetriebenen Hinterachse ist der Kia Sportage durchaus geländetauglich.
Ab ins Gelände
Mit einem Elektromotor vorne und einer vom Benziner angetriebenen Hinterachse ist der Kia Sportage durchaus geländetauglich.

Zugegeben: Auch wir waren anfangs skeptisch. Kia verspricht für den allradgetriebenen Sportage Plug-in Hybrid, der einen 1,6 Liter Turbobenziner mit 132 kW (190 PS) mit einem 66,9 kW starken Elektromotor und einem Lithium-Ionen-Polymer-Akku mit einer Kapazität 13,8 zu einem 195 kW (265 PS) starken Kraftpaket zusammenschnürt, einen Durchschnittsverbrauch von 1,1 Litern Benzin und 16,9 kWh Strom. Und mit einer Akkuladung würden wir 70 Kilometer weit emissionsfrei fahren können, versprach der Hersteller. Inklusive der Füllung des 42 Liter fassenden Benzintanks wären somit Fahrten über 600 Kilometer ohne Pause möglich.

70 Kilometer vollelektrisch? Kein Problem

Klingt gut – und ist in der Praxis durchaus machbar. Unser in auffälligem Splash Lemon Metallic lackierter Testwagen jedenfalls fuhr und fuhr und fuhr – ohne dass wir zum Nachladen oder Nachtanken aufgefordert wurden. Bei vorausschauernder Fahrweise, strikter Einhaltung aller Tempolimits und einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auf der Landstraße stromerten wir locker 70 Kilometer weit. Unser Rekord-Reichweite: 76,3 Kilometer. Das setzt natürlich voraus, dass der Akku regelmäßig geladen wird. Und dass der Fahrer die Intelligenz des Fahrzeugs auch nutzt bzw. sich von ihr helfen lässt, die grüne Linie zu finden. Wer über keine Garage samt Wallbox und auch nicht am Arbeitsplatz Strom laden kann, sollte allerdings besser die Finger vom Plug-in Hybrid lassen – das bringt nichts.

Große Klappe, viel dahinter 
540 Liter fasst der Kofferraum bei voller Bestuhlung. Gegen Aufpreis gibt es eine elektrische Klappe, einen Heckwischer indes nicht.
Große Klappe, viel dahinter
540 Liter fasst der Kofferraum bei voller Bestuhlung. Gegen Aufpreis gibt es eine elektrische Klappe – und eine Hängerkupplung.

Aber auch von den Leistungsdaten sollte sich niemand blenden lassen: Stark ist der Antrieb nur solange, wie beide „Herzen“ kraftvoll arbeiten können. Ohne die Unterstützung des Elektromotors hat der knapp zwei Tonnen schwere SUV schwer mit sich zu kämpfen. Und die Geräuschkulisse des Benziners unter Volllast ist beileibe auch kein Ohrenschmaus.

Heinzelmännchen an Bord

Ansonsten ist der Kia Sportage der fünften Generation eine insgesamt erfreuliche Erscheinung: Sowohl außen wie auch innen hat der populäre SUV deutlich an Statur gewonnen. Platz gibt es auch in der zweiten Sitzreihe reichlich, der 540 Liter fassende Kofferraum – in unserer GT-Version mit elektrisch angetriebener Heckklappe – sollte das Reisegepäck einer vierköpfigen Familie problemlos aufnehmen können.

Die neue Kia-Linie 
Wie im vollelektrischen Kia EV6 wird auch im Sportage die Fahrtrichtung über einen Drehschalter in der Mittelkonsole gewählt. Alle Infos über und rund um das Fahrzeug, die Route sowie das Unterhaltungsprogramm liefert ein digitales Riesendisplay.
Die neue Kia-Linie
Wie im vollelektrischen Kia EV6 wird auch im Sportage die Fahrtrichtung über einen Drehschalter in der Mittelkonsole gewählt. Alle Infos über und rund um das Fahrzeug, die Route sowie das Unterhaltungsprogramm liefert ein digitales Riesendisplay.

Für hohen Fahrkomfort sorgt nicht nur eine elektronische Dämpferkontrolle, sondern ein Heer von elektrischen und elektronischen Heinzelmännchen, die brenzlige Situationen aller Art zu verhindern wissen. Fast schon genial ist der aktive Totwinkelassistent, der das Bild der Außenkamera aufs Display hinter dem Lenkrad überträgt, sobald der Fahrer den Blinker setzt. Angeblich soll der Sportage sich sogar mit dem Schlüssel ferngesteuert ausparken lassen – mit Rücksicht auf unsere Garage und die Fahrzeuge anderer Verkehrsteilnehmer haben wir auf einen Test dieses Features verzichtet.

Rund 5000 Euro Mehrpreis gegenüber dem Benziner

Natürlich hat der Komfort seinen Preis. Unser goldener Testwagen in der Ausführung GT-Line hätte uns die Summe von 54.180 Euro gekostet. Aktuell gehen davon noch 7.177,50 Euro an Umweltbonus ab. Doch damit ist wie gesagt zum Jahresende Schluss. Da heißt es, sofort zuzugreifen, wenn im Handel ein passendes Auto entdeckt wird. Ein neues Fahrzeug zu bestellen, das erst im kommenden Jahr ausgeliefert wird, macht keinen Sinn mehr: Den Mehrpreis des Plug-in Hybrid von 5000 Euro gegenüber einem rein benzingetriebenen Kia Sportage fährt man durch Ersparnisse an der Tankstelle so schnell nicht wieder ein.

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8 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Wieder machen die Koreaner vor, wie man wenigsten eine minimale elektrische Reichweite hinbekommt. Aber machen wir uns nichts vor: Das konnte der erste Ampera schon 2012.
    Inzwischen ist die Zeit weiter gelaufen und warum sich Leute ein Fahrzeug zulegen, dass wesentlich häufiger in Brände verwickelt ist als reine Verbrenner, erschliesst sich mir nicht. An die Sicherheit elektrischer Antriebe kommen beide Typen auch nicht heran. Ich bin gespannt, wann Verbrenner und insgesondere PHEV wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr in Tiefgaragen geparkt werden dürfen.
    Nach 86’300 elektrischen km führt für mich persönlich kein Weg mehr zu einem Verbrennungsantrieb zurück.

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    • Franz W. Rother

      Lieber Herr Baumann, dass Plug-in Hybrid häufiger Feuer fangen als Verbrenner (!) oder eine Batterieautos, ist nicht zu belegen. Die Sicherheitsstandards sind die gleichen. Und 70 Kilometer elektrische Reichweite finde ich beachtlich. PHEVs sind eine Brückentechnologie, keine Langfristlösung. Und mit elektrischen Reichweiten zwischen 70 und 100 Kilometer für viele Menschen eine Möglichkeit, sich an den reinen Elektroantrieb heranzutasten.

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        • Franz W. Rother

          Die Studie kenne ich auch. Bei Verbrennern kommen 1529 Brände auf 100.000 autos, bei Hybriden 3474 auf 100.000 – auf Batterieautos aber nur 25,1 auf 100.000 Fahrzeuge. Das deutet eher darauf hin, als ob bei den Modellen mit den zwei Herzen eher der Verbrenner die Probleme bereitet.

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          • Jürgen Baumann

            Was es auch immer ist. Jetzt wären eben auch Konsequenzen gefragt.

      • Matthias

        Wenn Herr Baumann »Konsequenzen« verlangt, dann beträfe es der von ihm zitierten Studie nach in erster Linie Verbrenner, die gut 60 Mal häufiger brennen als Batterieautos.

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        • Franz W. Rother

          In der Tat

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  2. Andreas H.

    Ich kann das Auto nur empfehlen, auch wenn mich einige Sachen echt nerven, wie zum Beispiel die Assistenzsysteme und die 60 bis 70km elektrische Reichweite erreiche ich mit jeder Ladung.

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