Schwager Georg ist ein passionierter Jäger. Für die Fahrten ins Revier hat er sich vor Jahren wie so viele seiner Kollegen einen älteren Suzuki Jimny zugelegt. Der robuste und nur 3,65 Meter lange Offroad-Zwerg reißt mit seinem 63 kW oder 86 PS starken Benziner zwar keine Bäume aus. Aber er reicht völlig aus, um Herr und Hund ins Revier zu transportieren und mit etwas Jagdglück später ein erlegtes Wildschwein in der Wanne auf der Anhängerkupplung nach Hause zu transportieren. Und im Revier ist der spartanische Allradler mit seiner Wendigkeit und einer Bodenfreiheit von 190 Millimetern beinahe unschlagbar. Aber die harten Einsätze in den zurückliegenden sieben Jahren haben dem Wald- und Wiesenhopser schwer zugesetzt – demnächst wird wohl Ersatz fällig.

Auf Schleichfahrt ins Jagdrevier

Da trifft es sich gut, dass der Schwager gerade einen Land Rover Defender auf dem Hof stehen hat. Genau gesagt einen Defender 110 in der Ausführung P300e. Die eine Zahlenkombination kennzeichnet die viertürige Version (und den Radstand in Zoll). Die Buchstaben-Zahlen-Kombi verät, dass der Geländewagen einen Benziner („Petrol“) mit einem Elektromotor koppelt, also teilelektrisch fährt seinen Akku im Fahrzeugboden obendrein extern aufladen kann. Für Schleichfahrten durchs Revier und zum Hochsitz ist so ein Plug-in Hybrid-eigentlich das perfekte Gefährt.

Waidmannsheil
Als Jagdwagen ist der teilelektrische Defender eigentlich ideal: Ins Revier rollt er beinahe geräuschlos. Und aufgrund des großen Bodenfreiheit und des "Ground View"-Systems fällt das Rangieren in unwegsamen Gelände leicht. Pudelpointer Franka war angetan.
Waidmannsheil
Als Jagdwagen ist der teilelektrische Defender eigentlich ideal: Ins Revier rollt er beinahe geräuschlos. Und aufgrund des großen Bodenfreiheit und des „Ground View“-Systems fällt das Rangieren in unwegsamen Gelände leicht. Pudelpointer Franka war angetan.

Auch angesichts der Antriebsleistung des allradgetriebenen P300 e X-Dynamic von 221 kW oder 300 PS kann ein Waidmann glänzende Augen bekommen: Das Ausreißen von (kleineren) Bäumen ist damit zumindest theoretisch möglich. Zumal der Brite über eine Vielzahl von technischen Finessen verfügt, mit denen er sich auch durch schwierigstes Gelände kämpfen kann. Ein echtes selbstsperrendes Zentraldifferenzial etwa und eine Luftfederung, mit der sich die Bodenfreiheit des Geländewagens bei Bedarf auf fast 30 Zentimeter erhöhen lässt. Baumstümpfe im Waldboden verlieren darüber deutlich von ihrem Schrecken.

Viel Bodenfreiheit dank Luftfahrwerk

Und während die Karosse des Jimny – wie der Ur-„Landy“, mit dem „Daktari“ in den 1970er Jahren durch die Savanne und unsere TV-Bildschirme bretterte – noch auf Leiterrahmen und Starrachse setzt, verfügt der Defender inzwischen über ein selbsttragendes Alu-Chassis sowie Einzelradaufhängung: Der Fahrkomfort ist einfach unvergleichlich, auf dem Asphalt, aber auch auf Feld- und Waldwegen. Der 19,2 kWh fassende Akku des Teilzeitstromers ist gut gefüllt, der 90 Liter fassende Benzintank ebenso. Also machen wir uns auf den Weg ins Revier – Jäger und Hund im Jimny vorneweg. Zum einen, weil sich ein mit hellgrauem Windsor-Leder ausgeschlagener Fahrgastraum weder schwer mit lehmigen Jagdstiefeln verträgt noch einem zotteligen wie verspielten Pudelpointer. Zum anderen, weil die Hochglanz-Lackierung des Testwagens in Carpathian Grey möglichst nicht von Sträuchern angekratzt werden sollte – eine Vorab-Erkundung der Waldwege mit dem Suzuki schafft da Sicherheit.

Hochsitz 
Die hohe Sitzposition und zahlreiche Assistenzsysteme machen dem Fahrer das Rangieren leicht. Es braucht allerdings Zeit, um sich mit den Finessen des Land Rover Defender vertraut zu machen - viele Funktionalitäten verstecken sich in Untermenüs des Bordcomputers.
Hochsitz
Die hohe Sitzposition und zahlreiche Assistenzsysteme machen dem Fahrer das Rangieren leicht. Es braucht allerdings Zeit, um sich mit den Finessen des Land Rover Defender vertraut zu machen – viele Funktionalitäten verstecken sich in Untermenüs des Bordcomputers.

Denn der Defender der neuesten Generation ist ein echter Koloss von über fünf Metern Länge und inklusive Außenspiegeln über 2,10 Meter Breite. Und das hochgepumpte Luftfahrwerk verschafft dem „Landy“ zwar viel Bodenfreiheit, aber Ein- und Ausstieg rufen dann nach einem Trittbrett. Es gäbe hier also noch etwas nachzurüsten. Die lautlose Fahrt zum und durchs Revier klappt immerhin problemlos, die Wege erweisen sich auch als breit genug, um keine Lackschäden befürchten zu müssen. Aber ein echter Jagdwagen ist der über 2,6 Tonnen schwere Defender zumindest in der Ausführung nicht: Am besten lässt man ihn am Waldesrand stehen – oder ordert ihn mit weißer Uni-Lackierung und Adventure-Pack: Zumindest Schmutzfänger und ein tragbares Reinigungssystem sind dann an Bord. Unseren Jagdausflug mit dem Luxus-Defender haben wir deshalb auch schnell beendet.

Landedelmann mit vielen Bediensteten

Und wie schlug sich der teilelektrisierte Defender auf Asphalt? Völlig unpretenziös, sehr geschmeidig, aber nicht ganz so sparsam wie vom Hersteller versprochen. Ersteres war aufgrund des hohen technischen Aufwands zu erwarten, den vor fünf Jahren die Ingenieure bei der Entwicklung des komplett neuen Defenders betrieben. Der Geländewagen wandelte sich dabei vom Landarbeiter zum Landedelmann. Fast alles wird inzwischen elektronisch geregelt, vieles davon, ohne dass der Fahrer groß eingreifen muss. Assistenzsysteme gibt es zuhauf – so wie einst Hauspersonal auf dem Landsitz eines Aristokraten. Mit dem Unterschied nur, dass man die Helfer im Defender manchmal suchen muss.

Alles andere als wasserscheu 
Alle Land Rover können bis zu einer maximalen Tiefe von 500 mm bis 900 mm (je nach Modell) ins Wasser eintauchen. Dies gilt auch für den Defender in der Ausführung als Plug-in Hybrid. Fotos: Rother
Alles andere als wasserscheu
Alle Land Rover können bis zu einer maximalen Tiefe von 500 mm bis 900 mm (je nach Modell) ins Wasser eintauchen. Dies gilt auch für den Defender in der Ausführung als Plug-in Hybrid. Fotos: Rother

Denn sie verstecken sich in Untermenüs des Bordcomputers und wollen erst einmal gefunden sein. Wie etwa das „ClearSight Ground View“ genannte System, das die Motorhaube praktisch durchsichtig macht, um Hindernisse im Gelände zu erkennen, aber auch Störfaktoren im Wendekreis oder in einer Tiefgarage besser erkennen zu können.

Stressfaktor im Stadtverkehr

Letzteres – die Fahrt in eine Tiefgarage – sorgte aber auch trotz der zahlreichen Assistenten an Bord für erhöhten Blutdruck. Und das schon bei der Einfahrt, die auf eine Höhe von zwei Metern limitiert war. Dankenswerterweise hatte der Betreiber kurz hinter der Schranke einen Schwebebalken aus Kunststoff als Peilstange aufgehangen. Sie machte uns mit einem leisen Plopp darauf aufmerksam, dass die Dachantenne die Maximalhöhe überschritt – und wir die Karosserie absenken besser absenken sollten. Puh. Aber auch auf der Suche nach einemrpassenden Parktasche vergingen einige Minuten – der Defender ist schon ein gehöriger Koloss. Ein wenig kamen wir uns mit ihm da wie ein Elefant im Porzellanladen vor. Keine Frage: Das Revier des Land Rover ist die freie Wildbahn.

Edel, aber schmutzempfindlich 
Der Innenraum des Land Rover Defender ist in der Ausführung HSE mit feinem Leder ausgeschlagen. Selbst wenn die Ladefläche und die Rückseiten der umklappbaren Rücksitze mit robustem Kunstsoff in Riffeloptik belegt sind - einen Jagdhund will man da nicht sehen.
Edel, aber schmutzempfindlich
Der Innenraum des Land Rover Defender ist in der Ausführung HSE mit feinem Leder ausgeschlagen. Selbst wenn die Ladefläche und die Rückseiten der umklappbaren Rücksitze mit robustem Kunstsoff in Riffeloptik belegt sind – einen Jagdhund will man da nicht sehen.

Und wie machte sich der elektrische Hilfsantrieb in dem „Landy“? Von einem Teilzeitstromer mit einer 19,2 kWh großen Batterie an Bord (von der nur 15,4 kWh für den Fahrbetrieb zur Verfügung stehen) darf man keine Wunderdinge erwarten. Theoretisch und im Stadtbetrieb sollen damit bis zu 57 Kilometer emissionsfrei zurückgelegt werden können. Wir kamen mit dem Energieinhalt des Akkus allerdings kaum weiter als 35 Kilometer. Das reichte gerade, um von der Wallbox in der Garage zum nächsten Supermarkt und wieder zurück zu stromern. Oder um den Benziner bei der Fahrt in der Region verbrauchsmindernd zu unterstützen.

Niedrige Verbräuche nur mit vollem Akku

Auf längeren Fahrten über die Autobahn – und schnell sich entleerendem Akku – landeten wir bei Durchschnittsverbräuchen um die elf Liter, mit vollem Akku und im Regionalverkehr bei einem Schnitt von 9,5 Litern/100 km. Und damit auf einem Niveau, das der Defender 110 locker auch mit einem konventionellen Dieselantrieb erreicht. Kein Wunder, dass sich hierzulande die meisten Käufer des Fahrzeugs für den gleichstarken und nur mildhybriden D250 mit Sechszylinder Diesel entscheiden – trotz des Mehrpreises von 600 Euro in der hochwertig ausgestatteten Version X-Dynamic SE.

Landedelmann 
Land Rover Defender 110 X-Dynamic HSE in der Sedona-Edition - mit mildhybridem Sechszylinder-Dieselmotor unter der Haube.
Landedelmann
Land Rover Defender 110 X-Dynamic HSE in der edlen Sedona-Edition – mit mildhybridem Sechszylinder-Dieselmotor unter der Haube.

Womit wir bei den Preisen und Kosten wären. Ein Sparmodell ist der Land Rover Defender wahrlich nicht: Unser Testwagen mit allen Extras hätte unser Konto mit einer Summe von 112.636 Euro belastet – etwa dem Zehnfachen dessen, was der Schwager einst für seinen (gebrauchten) Jimny aufwenden musste. Angesichts des Preises, aber auch der Dimensionen des Defenders hat der denn nach der Testfahrt auch schnell abgewunken: Für Einsätze in seinem Revier sei der Koloss selbst in einer weniger glamourösen, weil folierten „Hunter Edition“ nicht das perfekte Fahrzeug. Er wird sich nun etwas Einfacheres und Kleineres suchen.

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