Plug-in Hybride haben in gewissen Kreisen einen schlechten Ruf. Denn die Autos, die einen Verbrennungsmotor mit einer Elektromaschine und einem wiederaufladbaren Akku koppeln, wurden in der Vergangenheit viel zu selten an Ladestationen gesehen. Weil den Besitzern das Stromladen zu lästig war, aber auch, weil die Stromspeicher bei den Plug-in Hybriden der ersten Generation viel zu klein dimensioniert waren, so dass die Autos damit .
Letzteres lässt sich über die aktuellen Teilzeitstromer nicht mehr sagen. Der neue Range Rover Sport etwa kommt als Plug-in-Hybrid im Stadtverkehr und unter idealen Bedingungen mit einer Akkuladung bis zu 113 Kilometer weit, im alltäglichen Straßenverkehr immerhin noch knapp 90 Kilometer. Und der 2,8 Tonnen schwere und 375 kW (510 PS) Luxus-SUV, so versichert der Hersteller, sei dabei ein echter Offroader, der mit seinem Allradantrieb auch schwierigste Geländeverhältnisse zu meistern verstehe – elektrisch, wohlgemerkt.
Ich habe es ehrlich gesagt nicht geglaubt – bis zum „Plug-in Hybrid Challenge Drive“, zu dem LandRover nach Katalonien eingeladen hatte. Mit dem nagelneuen Range Rover Sport kraxelten wir auf dem Offroad-Camp von Les Comes einen Tag lang über Stock und Stein. Vollelektrisch, versteht sich. Auf einer Piste, die eher für Gemsen und Steinböcke als für Autos gemacht ist. Unglaublich, aber wahr. Und anschließend durften die Teilnehmer an der Seite des Stuntpiloten und dreifachen britischen Rallye-Meisters Mark Higgins erleben, wie dynamisch sich ein Range Rover Sport im Elektromodus über Sand und Schotter bewegen lässt – auf einem abgesperrten Kurs und wenn man sich denn traut, an die Grenzen der Fahrphysik zu gehen.
Im Luxus-Liner durchs Gelände
Les Comes ist unter Offroad-Fans in Europa bestens bekannt: Jedes Jahr findet auf dem gut 500 Hektar großen Privatgelände in Katalonien ein großes 4×4-Festival statt, bei dem die Meister ihres Fachs auf 60 Pistenkilometern demonstrieren, wozu allradgetriebene Fahrzeuge aller Größen- und Gewichtsklassen in der Lage sind, wenn sie von Menschen mit kundiger Hand, scharfem Auge und einem sensiblen rechten Fuß bewegt werden. Ähnlich wie in Kalifornien auf dem legendären Rubicon Trail.
Tatsächlich wird mir ein wenig mulmig zumute, als ich zusammen mit Instruktor Ronny Dale in einem Varesine Blue farbenen Range Rover Sport P510e AWD PHEV (so die komplette Modellbezeichnung) in Autobiography-Ausführung (Basispreis: 138.500 Euro) über einen Schotterweg in Windungen den Berg hinauf fahre und an einer Gabelung plötzlich vor einem Streckenabschnitt stehe, der fast schon nach Bergsteiger-Ausrüstung oder einer Seilwinde verlangt. Während meiner Armeezeit (lang, lang ist’s her) hätte ich jetzt wohl den Rückwärtsgang des „Iltis“ eingelegt und mir einen anderen Weg gesucht. Oder ich wäre ausgestiegen, um zu Fuß ans Ziel zu gelangen. Es braucht schon einiges an Mut, um ein derart teures Auto solchen Strapazen auszusetzen.
Mit Allradlenkung durch die Spitzkehre
Doch Ronny drückt auf dem Zentraldisplay ein paar virtuelle Tasten hier und da, um den Geländemodus einzuschalten, den automobilen Koloss über das Luftfederung hochzupumpen und den intelligenten Allradantrieb zu aktivieren – und ermuntert mich dann mit leichtem Kopfnicken, die tief zerfurchte und mit spitzen Steinen übersäte Piste in Angriff zu nehmen. Der 38,2 kWh fassende Akku ist zu dem Zeitpunkt noch gut zu 90 Prozent gefüllt, an Energie sollte es uns nicht mangeln. An Traktion schon gar nicht, auch wenn der Elektromotor nur maximal 105 kW oder 143 Pferdestärken mobilisiert. Dafür aber ohne Anlauf oder Vorwärmzeit.
Tatsächlich hatte der Wagen mit der herausfordernden Strecke weniger zu kämpfen als vom Fahrer erwartet. Selbst Spitzkehren meistert er dank der Allradlenkung (mit der die Hinterräder um bis zu 7,3 Grad eingeschlagen werden können) völlig ohne Rangiertätigkeit. Haariger wird es an einigen Stellen, wo eine Steilpassage gleich wieder in ein Gefälle übergeht: Der Fahrer blickt über die langgestreckte Motorhaube himmelwärts und kann nur erahnen, wie es vorne weitergeht, wie viel Abstand noch zwischen Stoßfänger und Felswand bleiben.
Bergauf mit intelligentem Tempomat
Aber wieder weiß Ronny zu helfen. Nach ein paar virtuellen Knopfdrücken erscheinen auf dem Zentraldisplay die Bilder der Außenkameras. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur die Abstände einschätzen. Sie zeigen – oh technisches Wunder – auch, wie tief die Pfütze vor dem Fahrzeug ist und was sich unter der Wasseroberfläche befindet.
Und der Range Rover kann noch mehr. Eine Bergabfahrkontrolle, kurz HDC (Hill Descent Control), gab es bei ihm schon länger. Das Assistenzsystem reguliert die Geschwindigkeit beim Herabfahren von Bergen auf losem Grund mit Hilfe von Bremseingriff und Motorschleppmoment. Das ist kalter Kaffee. Im neuen Range Rover funktioniert das nun auch bergauf. Auf Knopfdruck verteht sich, regelt das System selbständig die Geschwindigkeit in Abhängigkeit vom Untergrund. Der Fahrer muss lediglich lenken. Adaptive Offroad-Geschwindigkeitsregelung haben die Ingenieure von Land Rover das neue System genannt. Mehr Fahrkomfort im Gelände geht kaum.
Fast & Furious über den Rundkurs
Und das Fantastische ist: Trotz der vielen anspruchsvollen Bergauf-Passagen im EV-Mode ist der Samsung-Akku des Range Rover nach einer knappen Stunde Fahrt immer noch zu über 80 Prozent gefüllt. Wir haben also noch ausreichend Energie, um in der Ebene auch noch einen Offroad-Rundkurs auf Schotter und Sand unter die grobstolligen Offroad-Reifen zu nehmen – so schnell und dynmisch wie möglich. An die elektrische Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h kommen wir dabei nicht ansatzweise heran. Aber beeindruckend ist schön, wie flott und trotzdem sicher sich so eine solche Trumm von SUV bewegen lässt.
Erst recht in den Händen eines Profis wie Mark Higgins. In vier James-Bond-Filmen und bei „Fast & Furious“ durfte er sein fahrerisches Können unter Beweis stellen. Die flotte Fahrt über den Rundkurs von Les Comes forderte ihn hingegen nur wenig – mehr als Tempo 70 ließ der Elektroantrieb auch kaum zu. Und bei der Rückkehr zur Basisstation war er Akku immer noch zu 67 Prozent gefüllt. Wer hat noch einmal gesagt, Plug-in Hybride wären aus der Zeit gefallen?
Ein PKW mit 2,8 Tonnen, welcher auch da fährt, wo andere gerne wandern würden (ohne von Fahrzeugen, auch wenn sie elektrisch fahren, gestört zu werden) ist auf Autobahnen genauso wie in Städten und im Gelände vollkommen Sinnlos. Ein Dank an die Autoindustrie- mit solchen Fahrzeugen wird’s wol nix mit Klimaziel erreichung. Wenn man bedenkt dass manch andere rein Elektrische Autos mit wesentlich kleinerem Akku auskommen, sind solch 2,8 tonner Fahrzeuge die die Welt nicht braucht. mfG Mario