Wohnwagen können eine ganz schöne Last sein. Nicht nur für die Haushaltskasse, sondern auch für ein Elektroauto. So ein zweiachsiger Tabbert Cellini von über neun Metern Länge (Basispreis 76.850 Euro) wiegt schon leer fast 2,2 Tonnen – und 310 Kilogramm können noch zugeladen werden. Da kommen selbst ein Tesla Model X (Anhängelast 2.250 Kilogramm) oder ein BMW iX (2500 Kilogramm) an ihre Grenzen. Und nicht nur das: Das hohe Gewicht am Haken würde die Reichweite der Stromer massiv reduzieren. Spätestens alle 150 Kilometer müsste auf der Fahrt in den Urlaub eine Schnellladesäule aufgesucht werden. Der Werbeclaim des Caravanverbandes („Überall zuhause“) bekäme da schnell eine neue Bedeutung.

Leitet die Antriebswende im Automobilbau also den langsamen Tod des Campingurlaubs ein? Lassen sich Wohnwagen künftig villeicht sogar nur noch stationär einsetzen, weil es keine Zugmaschinen für Langstreckentouren mehr gibt?

Wohnwagen mit Elektroantrieb

Ganz so düster sieht es nicht aus. Zwei ehemalige Tesla-Mitarbeiter haben zusammen mit ehemaligen Beschäftigten von Lucid, Rivian und Proterra in drei Jahren einen Caravan auf die Räder gestellt, der bestens in die neue Zeit passt. Der Lightship L1 genannte Wohnanhänger mit 8,23 Metern Länge und 3,4 Tonnen Eigengewicht (leer) verfügt über einen eigenen Elektroantrieb (mit noch nicht näher bezeichneter Leistung) und auch eine eigene Lithum-Ionen-Batterie für die Stromversorgung.

Der Sonne entgegen 
Das Dach des Wohnwagens ist - ähnlich wie das Solarauto Lightyear aus den Niederlanden - mit PV-Modulen belegt. Bei Sonnenschein sollen sich damit bis zu 3 kW Strom erzeugen lassen. Während der Fahrt und auf dem Campingplatz.
Der Sonne entgegen
Das Dach des Wohnwagens ist – ähnlich wie das Solarauto Lightyear aus den Niederlanden – mit PV-Modulen belegt. Bei Sonnenschein sollen sich damit bis zu 3 kW Strom erzeugen lassen. Während der Fahrt und auf dem Campingplatz.

In der Topversion fasst der Akku mit 80 Kilowattstunden fast so viel Strom wie ein großes Elektroauto. Damit sollen Elektro-Gespanne rund 480 Kilometer weit fahren können, bis eine Schnellladestation aufgesucht werden muss. Vielleicht werden es sogar noch ein paar Kilometer mehr. Denn Solarzellen auf dem Dach des Lightship L1 mit einer Spitzenleistung von 3 kW können bei Fahrten durch sonnige Regionen den Akku zum Teil wieder aufladen.

Gründer sind zwei ehemalige Tesla-Ingenieure

„Und das ist nur der Anfang“, sagt Toby Kraus, einer der beiden Unternehmensgründer. Es gebe noch zahlreiche Möglichkeiten, die Technik weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Kraus war unter anderem fünf Jahre lang für Tesla tätig. Dort leitete er unter anderem das Finanzteam und überwachte die Produktion des Model S. Zuvor arbeitete der Wirtschaftsingenieur und ehemalige Investmentbanker von Morgan Stanley bei Proterra an Elektroantrieben für Schulbusse. Der Mann kennt sich also bestens aus, nicht nur mit Elektrofahrzeugen, sondern auch mit der Finanzierung ehrgeiziger Projekte. Risikokapaital hat er für sein Startup bereits fleißig eingesammelt.

Mit Akku und Elektroantrieb 
Die Ingenieure haben die elektrischen Komponenten geschickt in den Leiterrahmen integiert, so dass kein Stauraum verloren geht. Das Eigengewicht steigt darüber allerdings auch auf bis zu 3,4 Tonnen. Grafik: Lighship
Mit Akku und Elektroantrieb
Die Ingenieure haben die elektrischen Komponenten geschickt in den Leiterrahmen integiert, so dass kein Stauraum verloren geht. Das Eigengewicht des Trailers steigt darüber allerdings auch auf bis zu 3,4 Tonnen. Grafik: Lighship

Und wie sein Kompagnon Ben Parker – der bis 2020 Batterie-Ingenieur bei Tesla war – ist er ein begeisterter Camper. „Früher“, klagt der, „besaß jeder zehnte amerikanische Haushalt einen Camper, aber die Wohnwagen-Hersteller haben seit Jahrzehnten keine Innovationen mehr in ihre Produkte gepackt.“ Ineffiziente Fahrzeugdesigns und eine auf stinkendes Propangas oder auf laute Dieselgeneratoren gestützte Energieversorgung hätten dem Camping-Urlaub zudem viel von dessen Reiz genommen. Na ja, zumindest in den USA.

Preise ab 115.000 Dollar

Mit dem vollelektrischen zweiachsigen „Lichtschiff“ will das kalifornische Team nun ein neues Kapitel in der Caravan-Geschichte aufschlagen. Der Prototyp wurde gerade (13. März) in Austin, Texas, auf dem South by Southwest (SXSW)-Festival präsentiert – nun beginnt der verkauf. Über seine Website nimmt Lightship ab sofort Bestellungen für die beiden Varianten des L1 entgegen. Wie bei Tesla wird auch gleich eine Anzahlung in Höhe von 500 Dollar fällig. Für das Basismodell „Essentiell“ mit Schlafplätzen für vier bis sechs Personen – aber ohne Elektroantrieb – werden wenigstens 125.000 Dollar fällig. Die „Long Range“-Variante mit der elektrisch angetriebenen Achse steht mit 151.000 Dollar in der Preisliste.

In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll die Produktion der Wohnwagen anlaufen – da bleibt also noch etwas Zeit zum Ansparen.

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