Die einzige öffentliche Ladestation für Elektroautos findet sich in der 30.000 Seelen-Gemeinde auf dem Parkplatz zwischen Dorfkirche und Dorfgastätte „Zur gemütlichen Ecke“. Wer dort Strom nachtanken möchte, muss es sich in der Tat gemütlich machen. Denn der Strom fließt hier nurmit 3,2 kW – es ist eine bessere Haushaltssteckdose. Nur dass, wer die Ladestation benutzen möchte, zuvor die Smartphone-App des regionalen Energieversorgers herunterladen und dort seine Personalien samt Bankverbindung hinterlegen muss – nur dann fließt auch tatsächlich der Strom, während man entweder den Gottesdienst in der Kirche besucht oder im Dorfkrug eine warme Mahlzeit einnimmt.

Starkes West-Ost-Gefälle auch bei der Ladeinfrastruktur

Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Der Anteil der Ladesäulen in ländlichen Regionen liege bei nur 17 Prozent, teilte dieser Tage der TÜV Rheinland unter Berufung eines von ihm beauftragten Reports von Theon Data Solutions aus München. Das Unternehmen betreibt das Portal „Charging Radar“ – und beliefert auch EDISON regelmäßig mit Daten über den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos in Deutschland sowie die Preisentwicklung dort.

Nach der aktuellen Studie standen Ende vergangenen Jahres 83 Prozent der öffentlichen Ladepunkte in Städten und in Ballungszentren – und überwiegend in den alten Bundesländern: Neben dem Stadt-Land- gibt es auch ein ausgeprägtes West-Ost-Gefälle: Sieben der zehn am stärksten mit öffentlichen Ladeeinrichtungen versorgten Regionen liegen im Süden und Südwesten des Landes. Ganz vorne liegen hier Stuttgart, Böblingen und Esslingen, Speyer und Landau in der Pfalz. Weiter nördlich gibt es in Essen und Hamburg die meisten Ladepunkte und Ladevorgänge in Relation zur Einwohnerzahl. Einziger Hotspot der Elektromobilität im Osten ist derzeit der Großraum Dresden.

„Der niedrige Anteil neuer Ladepunkte in bestimmten Regionen kann zwar dem dortigen Bedarf entsprechen. Doch das politische Ziel des flächendeckenden Ausbaus von Ladeinfrastruktur wird damit nicht erreicht“, warnte Martin Dillinger, Experte für alternative Antriebe beim Tüv Rheinland bei der Vorstellung der Studie. Regionale Lücken gelte es ebenso zu vermeiden wie eine zu geringe Anzahl an Schnellladepunkten.

Zahl der Ladepunkte hat sich fast verfünffacht

Der Report von TÜV Rheinland und Theon Data Solutions liefert aber auch noch andere interessante Ergebnisse. Etwa über die Entwicklung des Ladenetzes von Ende 2017 bis Ende 2020. Demnach hat sich in dieser Zeit die Zahl von Ladepunkten und -standorten mehr als vervierfacht – von 11.000 Ladepunkten an 5.000 Ladestandorten auf mehr als 50.000 Ladepunkte an mehr als 23.000 Ladestandorten. Allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres seien mehr als 7.000 Ladepunkte an mehr als 3.000 Standorten hinzugekommen – mehr als in jedem anderen untersuchten Quartal.

Von den in diesen Jahren neu entstandenen Ladepunkten sind nach der Untersuchung 19 Prozent mit Gleichstrom (DC) betriebene Schnellladepunkte mit Leistungen oberhalb von 22 kW. Der weitaus größere Teil der Ladeinfrastruktur wird aber weiterhin mit Wechselstrom (AC) betrieben – mehr als 22 kW Ladeleistung sind hier nicht drin. Das reicht zum Übernachtladen und zum Nachladen während einer Shoppingtour oder während der Bürozeiten. Tatsächlich werden die Ladepunkte in der Woche vor allem in den Morgenstunden und am Nachmittag besonders stark frequentiert. Am Wochenende steigen nach der Studie die Ladezeiten deutlich später und erreichen gegen Mittag den Höhepunkt – hier scheint Ausflugsverkehr der Haupttreiber.

Zahl der öffentlichen Ladevorgänge wächst rasant

Insgesamt hat sich über die Jahre die Zahl der Ladevorgänge an öffentlichen Strom-Zapfstellen deutlich erhöht – Folge des wachsenden Bestandes an Elektroautos in Deutschland. Wurden im gesamten Jahr 2018 bundesweit nur 1,2 Millionen Ladevorgänge an öffentlichen Ladesäulen gezählt, waren es zum Jahresende 2020 bereits über sechs Millionen. Die Ladevorgänge an den AC-Säulen stiegen in dem Zeitraum um den Faktor 10, an den DC-Chargern um den Faktor 20.

Die wachsende Zahl von Elektroautos wird vor allem in den Städten zum Problem, belegen aktuelle Zahlen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der Verband der Automobilindustrie schlägt bereits Alarm. Laden

Es hätten wahrscheinlich sogar noch deutlich mehr sein können – wenn denn alle Ladesäulen funktioniert hätten. In den Großstädten sind die Ausfallraten nach der Analyse von ursprünglich fast fünf Prozent inzwischen auf etwa drei Prozent gesunken – in ländlichen Regionen hingegen verschlechterte sich die Qualität der Ladeinfrastruktur kontinuiertlich: Die Ausfallrat stieg von zwei Prozent im ersten Quartal bis auf knapp fünf Prozent zum Jahresende 2020.

Wie gut, dass die Fahrer von Elektroautos auf dem Land meist noch über eine private Lademöglichkeit verfügen und überwiegend daheim laden.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Jürgen Baumann

    Für Reisen von Süd nach Nord ist die Situation nicht schlecht wie wir auf der Strecke Zürich – Hamburg retour feststellen konnten. Auch Zürich – Wien via München klappt gut. Aber Schnell Lader abseits der klassischen Durchgangsrouten sind immer noch eher selten. Da empfiehlt sich immer eine Konsultation bei den üblichen Verdächtigen wie Chargemap, Chargeprice und anderen. Und immer noch eine Handbreit Strom im Akku.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert