Ford macht’s mit VW, Stellantis treibt’s mit Toyota: Gemeinsame Fahrzeugentwicklungen sind in der Automobilindustrie an der Tagesordnung. Sie sparen Zeit und vor allem Kosten. Auch Mercedes und Renault pflegen ein enges Verhältnis. Die Franzosen liefern den Renault Kangoo, die Stuttgarter stellen ihn als T-Klasse in die Showrooms. Die Kunden sollen aber bitte möglichst nichts von der Affäre mitbekommen. Deshalb trimmt Mercedes sein Hochdachkombi aus dem Renault-Werk Maubeuge auf eigenen Standard und packt noch einige Extras an Bord.

45 kWh-Akku versteckt sich gut im Boden

Jetzt gibt’s den praktischen Kompaktvan auch mit Elektroantrieb. Als EQT reiht er sich in die Nomenklatur der Marke ein. Zu Preisen ab 49.000 Euro bietet er bei gleichen Abmessungen dieselben praktischen Details wie die Benziner und Dieselmodelle: Schiebetüren, die das Ein- und Aussteigen in engen Parklücken erleichtern, eine geteilt verschiebbare Rückbank mit Platz für drei Kindersitze sowie das gut nutzbare Gepäckabteil samt niedriger Ladekante. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil unterm Boden die 45 kWh fassende Lithium-Ionen-Batterie untergebracht ist, die in vielen Autos Kofferraumvolumen und Beinfreiheit klaut.

Ein wenig Chrom muss sein 
Den Mercedes EQT gibt es mit großer Heckklappe oder auf Wunsch auch mit zwei Flügeltüren. Eine Chromleiste und die Mimik der Heckleuchten unterscheiden ihn vom Renault-Schwestermodell. Die Heimat ist die gleiche: Maubeuge in Nordfrankreich.
Ein wenig Chrom muss sein
Den Mercedes EQT gibt es mit großer Heckklappe oder auf Wunsch auch mit zwei Flügeltüren. Eine Chromleiste und die Mimik der Heckleuchten unterscheiden ihn vom Renault-Schwestermodell. Die Heimat ist die gleiche: Maubeuge in Nordfrankreich.

Nicht so im EQT: Das Abteil unter der wuchtigen Heckklappe – auf Wunsch gibt’s auch zwei Flügeltüren – fasst wie bei den Verbrennern familientaugliche 551 Liter Gepäck. Bei umgeklappter Bank wächst der Kofferraum sogar auf fast zwei Kubikmeter, wobei dann eine hohe Stufe die Nutzung etwas einschränkt. Einziger Unterschied zu den Verbrennern: Im EQT können die hinten sitzenden Passagiere ihre Füße nicht unter die Vordersitze schieben.

10.000 Euro teurer als die Renault-Schwester

Ansonsten gilt: Was nicht reinpasst, wird gezogen. Denn der EQT gehört zu den wenigen Autos dieser Klasse, die einen Hänger an den Haken nehmen dürfen. Prima auch, dass die beiden vorderen Türen fast im 90-Grad-Winkel öffnen. Das erleichtert älteren oder beleibten Menschen, sich hinters Lenkrad zu klemmen.

Franzose mit Stern

Zurück zum Preis: Der Benz kostet satte 10.000 Euro (!) mehr als der Kangoo E-Tech Electric. Die wollen gerechtfertigt sein. Sind sie, kontert das Mercedes-Marketing. Andere Sitze, mehr Ausstattung, bessere Dämmung – die Passagiere sollen nicht nur am Geldbeutel spüren, dass sie die Marke mit dem Stern fahren. Auch das KI-unterstützte Infotainmentsystem MBUX ist immer an Bord, samt den dazu gehörenden digitalen Diensten vom Mercedes me.

Ein Airbag mehr als im Kangoo

Tatsächlich geben die Stuttgarter dem EQT vieles auf den Weg, was Autofahren angenehm macht. Und sicher: Bei einem Crash werden die Passagiere von bis zu sieben Airbags aufgefangen – einem mehr als im Renault. Dann entfaltet sich im EQT ein zusätzlicher Luftsack zwischen den Vordersitzen und verhindert beim Seitenaufprall, dass die Köpfe von Fahrer und Beifahrer aneinanderstoßen.

Etwas spartanischer für 10.000 Euro weniger 
Äußerlich unterscheiden sich Mercedes EQT und Renault Kangoo E-Tech Electric diurch ein paar Anbauteile wie die Frontmaske. Auch im Innenraum ist die Verwandtschaft der beiden Modelle bis auf ein paar Details gut zu erkennen.
Etwas spartanischer für 10.000 Euro weniger
Äußerlich unterscheiden sich Mercedes EQT und Renault Kangoo E-Tech Electric diurch ein paar Anbauteile wie die Frontmaske. Auch im Innenraum ist die Verwandtschaft der beiden Modelle bis auf ein paar Details gut zu erkennen.

Im Cockpit herrscht die übliche Mercedes-Ordnung. Bedienung, Menülogik – alles wie gehabt.  Trotzdem blitzt hier und da die französische Herkunft durch: Die Rundinstrumente durch ein digitales Cockpit zu ersetzen hätte wohl den Rahmen gesprengt. Auch die etwas unübersichtliche Navigation auf TomTom-Basis passt nicht wirklich zum hehren Premium-Anspruch der Marke. Ebensowenig die vielen Hartkunststoff-Oberflächen. Dafür lassen sich die glasklaren Displays sehr gut ablesen. Und dass das markenübliche Blingbling fehlt, hat durchaus Vorzüge_: Ohne den bei inzwischen vielen neuen Autos üblichen digitalen Overkill wird der Fahrer deutlich weniger abgelenkt.

300 Kilometer Reichweite sind drin

Wie für Stromer üblich schiebt der EQT kräftig an. Für die Stadt als typisches Einsatzgebiet genügen die 90 kW oder 122 PS und 245 Nm Drehmoment völlig. Aber auch sonst hält der EQT wacker mit, wobei auf der Autobahn bei 132 km/h sowieso Schluss ist. Über den Automatikhebel lässt sich die Rekuperation verstärken, um dann nur mit dem Strompedal  zu bremsen und zu beschleunigen. Zusätzlich gibt’s einen Segelmodus, in dem der Wagen frei rollt. Mit etwas Zurückhaltung ist auf Langstrecke ein Praxisverbrauch von 17 kWh/100 km gut machbar, so dass sogar ein paar Kilometer mehr als die vom Werk angegebenen 300 Kilometer drin sein könnten.

Mercedes e-Citan 
Das Hochdachkombi gibt es als Mercedes e-Citan auch als Kleintransporter für Handwerker - zu deutlich günstigeren Preisen.
Mercedes e-Citan
Das Hochdachkombi gibt es als Mercedes e-Citan auch als Kleintransporter für Handwerker – zu deutlich günstigeren Preisen.

Wenn der Wagen danach an einem der vielen öffentlichen Standardlader andockt, fließt der Strom wie im Renault Kangoo E-Tech mit 22 kW. Das ist schon deshalb erwähnenswert, weil Mercedes in dieser Klasse als einziger Hersteller einen starken Bordlader verbaut. So ist der Akku bereits nach 2,5 Stunden gefüllt. Mit einer maximalen Ladeleistung von 80 kW am Gleichstrom-Schnellader ist die Batterie im Idealfall nach einer guten halben Stunde von 10 auf 80 Prozent gefüllt.

Konkurrenz ist deutlich günstiger

Nach der ersten Testrunde bleibt als Fazit hängen: Der EQT ist für einen Kompaktvan sehr leise, komfortabel und durchdacht, aber relativ teuer. Nicht nur in Relation zum Renault-Schwestermodell, sondern auch zu den Wettbewerbern aus dem Stellantis-Konzern wie den Opel Combo-e Life (ab 38.100 Euro) oder den Citroën ë-Berlingo (ab 36.950 Euro). Das dürfte Mercedes-Käufer wenig berühren. Und wer das Image nur nach außen tragen will, wählt eben den direkt vom Lieferwagen abgeleiteten und gut 3.000 Euro billigeren e-Citan Tourer. Ohne Schnickschnack und mit weniger Blingbling, dafür aber auch mit dem großen Stern an der Front.

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