Elektrische Schwerlaster werden, anders als Pkw, in Zukunft voraussichtlich nicht ausschließlich von Batterien mit Strom versorgt. Eine große Zahl der Lastzüge werden wie der Hyundai Xcient Fuel Cell-Truck oder der Mercedes-Benz GenH2-Truck den Fahrstrom vielmehr an Bord mithilfe von Brennstoffzellen gewinnen, die mit Wasserstoff gespeist werden. Wissenschaftler des renommierten Paul Scherrer Instituts (PSI) in Villigen und Würenlingen im Schweizer Kanton Aargau halten das für die bessere Lösung. Denn die Technik beanspruche weniger Platz und sei viel leichter als ein rein batterieelektrischer Antrieb, argumentieren sie. Und unterwegs gehe nicht mehr Zeit fürs Tanken drauf als beim Dieselbetrieb.

Der Wasserstoff, mit denen die Laster betankt werden, soll natürlich mit grünem Strom hergestellt werden. Solarkraftwerke kommen dafür in Frage. Im Sommer, wenn die Sonne acht Stunden und mehr scheint, lässt sich so der Bedarf leicht decken, im Winter dagegen in der Regel nicht. Es könne dennoch gelingen, über das ganze Jahr ausreichend erneuerbaren Strom und grünen Wasserstoff für den Straßenverkehr bereitzustellen, und zwar auf wirtschaftlich konkurrenzfähige Weise. Wie, zeigen die PSI-Forscher Emanuele Moioli, Tilman Schildhauer und Hossein Madi. Ihr Konzept beruht auf der geschickten Kombination von Stromproduktion und Biogasherstellung.

Biogas-Fan
Emanuele Moioli analysiert am PSI-Zentrum für Energie- und Umweltwissenschaften die Möglichkeiten für einen klimaneutralen Verkehr in der Schweiz. © Paul Scherrer Institut PSI/Markus Fischer

Sie gehen davon aus, dass im Sommer mehr Solarstrom erzeugt als verbraucht wird. Diese Überschüsse werden genutzt, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Wasserstoff könnte beispielsweise in Kavernen gelagert werden, die bisher für Erdgas genutzt werden, doch dazu müssen sie umgebaut werden – Wasserstoffmoleküle sind so klein, dass sie selbst durch die feinsten Löcher entweichen.

Wasserstoff wird in Methanol und Methan zerlegt

Die PSI-Forscher wollen den Wasserstoff deshalb zum Teil in Methan, den Hauptbestandteil des Erdgases, zum Teil in Methanol zerlegen, einen Alkohol, der als Treibstoff für Verbrennungsmotoren genutzt werden kann. In diesem Fall hat er aber die Aufgabe, Strom für Elektro-Pkw zu produzieren. Methan kann in vorhandenen Erdgasspeichern gelagert werden, bis es im Winter genutzt wird. Und für Methanol eignen sich drucklose Tanks wie sie bereits für die Lagerung von Benzin und Diesel genutzt werden.

Im Winter werden die Wasserstofftankstellen mit den Rohstoffen versorgt. Methanol wird in Tanklastwagen transportiert, Methan in Druckflaschen oder, was eleganter und billiger ist, über Pipelines. Da Biogasanlage oft schon darüber verfügen, weil sie Methan ins Erdgasnetz einspeisen, könnten diese problemlos auch dafür genutzt werden. Es müsste lediglich für kurze Zeit die Fließrichtung geändert werden.

Elektrolyseur an der Tankstelle

An der Tankstelle werden Methan und Methanol in Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff zerlegt. Letzteren tanken die Brennstoffzellen-Lkw. Das CO2 kann in die Atmosphäre abgegeben werden, was das Klima nicht zusätzlich belastet, weil zuvor ebenso viel CO2 der Luft entnommen worden ist, um synthetisches Methan und Methanol zu produzieren. Man könnte es allerdings auch einlagern – oder wiederum zur Herstellung von neuem Methan und Methanol verwendet werden.

Ein Teil des Methanol wird genutzt, um in einer Brennstoffzelle Strom für Elektro-Pkw zu erzeugen. Auch Methan kann dafür genutzt werden. Dazu wird es in einer Gasturbine verbrannt, die mit einem Generator zur Stromerzeugung gekoppelt ist.

Niedrige Kosten aus der Kombi von Strom, Gas und Infrastruktur

Das Verfahren ist sehr aufwändig und deshalb unbezahlbar, möchte man meinen. Ja, entgegen die Forscher: Die Bereitstellung von Strom und Wasserstoff aus gespeichertem Methanol und Methan sei zwar teurer als die Gewinnung von fossilen Kraftstoffen. Aber eine sorgfältige Verbindung von Strom, Gas und Infrastruktur könne die Kosten einer dekarbonisierten Mobilität auf ein Niveau senken, bei dem schon „moderate Anreize“ wie etwa eine Anhebung der Kosten von CO2-Zertifikaten ausreichen, um sie konkurrenzfähig mit fossilen Brennstoffen zu machen.

Mit den heute laufenden Solarkraftwerken etwa in der Schweiz, räumen die Forscher ein, lasse sich der Bedarf allerdings nicht decken. Moioli glaubt, dass die gewinnträchtige Nutzungsmöglichkeit von Überschussstrom in der sonnenreichen Zeit das Interesse von Geldgebern wecken könnte, in Solarkraftwerke zu investieren. Heute werden Überschüsse an grünem Strom zu Spottpreisen abgenommen oder gar nicht genutzt, was die Rentabilität der Anlagen massiv beeinträchtige.

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