Künftig kämpfen zwei knuffige Kabinenroller im Stil der Fünfziger Jahre um die Gunst der Kunden: Der Microlino der Micro Mobility Systems aus dem Schweizer Küsnacht und die Karo-Isetta von Artega aus dem westfälischen Delbrück. Darauf haben sich die ehemaligen Partner und jetzigen Rivalen außergerichtlich geeinigt.
Dem Kompromiss ging ein monatelanger erbitterter, vor Gericht und in der Öffentlichkeit ausgetragener Streit um die Rechte an dem Zweisitzer voraus. Der kommt zwar im Retrolook daher, soll aber mit modernem Elektroantrieb still und sauber durch die Städte kurven – und in jede noch so kleine Parklücke passen. Auch quer, denn die zwei Insassen steigen durch die heute ungewöhnliche Fronttür aus.
„Der Markt ist gross genug für zwei Anbieter“, kommentiert Artega-Geschäftsführer Klaus Frers die Einigung. „Wir sind froh, uns nun voll und ganz auf unsere Vision dieser neuen Fahrzeugkategorie zwischen Motorrad und Auto fokussieren können», sagt Wim Ouboter, Gründer von Micro Mobility Systems, einem Spezialisten für Kickboards mit und ohne Elektroantrieb.
Showdown auf der IAA
Auf die Idee, den Kabinenroller elektrisch wiederzubeleben, war Ouboter Senior (oben in der Mitte mit seiner Frau Janine) gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Oliver (oben rechts) und Merlin (links) beim Schauen einer TV-Dokumentation gekommen. 2015 legten sie dann los, ein Jahr später gewannen sie das italienische Unternehmen Tazzari als Partner, der bereits Erfahrung mit dem Bau von Elektroautos besaß.
Ende 2018 dann die Überraschung: Klaus Frers hat die Produktionsrechte von Tazzari übernommen. Er und die Ouboters wurden so zu Partnern. Frers hat auch den Automobilzulieferer Paragon und dessen Tochter Voltabox, ein Spezialist für Lithiumionenakkus und Elektroantriebe, gegründet. Mit dem Artega GT hat er bis 2012 einen Verbrenner-Sportwagen gefertigt. Das Vorhaben endete in der Insolvenz.
Wenige Monate später kam es zum Bruch. Die Ouboters warfen Frers Qualitätsmängel bei der Auftragsfertigung vor. Der reagierte mit der Ankündigung, selbst den Kabinenroller unter eigenem Namen bauen und vermarkten zu wollen. Es folgten Gerichtstermine und einstweilige Verfügungen, ein Aufeinandertreffen beider Fahrzeug-Konzepte auf der Automesse IAA in Frankfurt. Und jetzt, Anfang Januar zwei fast gleich lautende Pressemitteilung zur Trennung der ehemaligen Geschäftspartner.
Die Fertigung des Microlinos startet 2021 in Italien
Die Ouboters haben zwischenzeitlich einen neuen Auftragsfertiger gefunden – wieder in Italien. Die Firma Cecomp aus der Metropolregion Turin soll die Kabinenroller fertigen. Das Unternehmen war als Model- und Prototypenbauer unter anderem an der Entwicklung des Lancia Delta Integrale und des VW Golf 1 beteiligt. Es hat seit 2011 ein eigenes kleines Elektroauto namens Bluecar auf den Markt gebracht. Paris-Besucher kennen es vielleicht, weil es der französische Carsharing-Dienst Autolib bis 2018 eingesetzt hat.
Allerdings müssen sich die 16.000 Vorbesteller des Microlino noch gedulden. Cecomp wird frühestens 2021 die Produktion aufnehmen. Das Testen der 22 Vorserienfahrzeuge – die von Artega stammten – habe gezeigt, „dass der aktuelle Entwicklungsstand noch nicht unsere Ansprüche hinsichtlich des Fahrverhaltens, Qualität und der Sicherheit erfüllt und wir technisch Einiges abändern müssen“, erklärt Wim Ouboter. „Letzten Endes werden die Kunden uns danken, dass wir diesen harten Entscheid gefällt haben“, versichert Sohn Oliver. Und sein Bruder Merlin ergänzt: „Der Microlino 2.0“ werde eine „um Welten bessere“ Ergonomie bieten, besser zu reparieren und in höheren Stückzahlen zu fertigen sein.
Um dieses Versprechen zu erfüllen, haben die Ouboters mit Peter Müller einen erfahrenen Automanager engagiert, der unter anderem für BMW Motorrad, Porsche – und ironischerweise auch für Artega gearbeitet hat, das Unternehmen Frers aber bereits 2012 verlassen hat.
Artega nennt Preise für die Karo-Isetta
Während die Ouboters bereits eine große Zahl an Reservierungen auf der Haben-Seite verbuchen können, hat Frers durch die Übernahme der Tazzari-Rechte einen zeitlichen Vorsprung. Interessierte können die Karo-Isetta ab diesem Monat bestellen. Die Auslieferung soll im April starten.
Anfangs gibt es zwei Modell-Reihen. Zum einen die limitierte „Intro“-Serie für 21.995 Euro, mit Frers Unterschrift und einer durchlaufenden Nummerierung. Die „Edition“-Serie kostet 17.995 Euro. Beide Varianten sind in unterschiedlichen Lackierungen und einer Velours-/Lederausstattung erhältlich. Preislich bewegt sich die Karo-Isetta damit auf demselben Niveau wie ein ebenfalls zweisitziger Smart Fortwo (ab 21.940 Euro) oder ein E.Go Life (ab 17.900 Euro) mit vier Plätzen.
Allerdings leistet der Motor im Smart 60 Kilowatt, das Spitzentempo liegt bei 130 Kilometern pro Stunde und er kommt mit seinem 17,6 Kilowattstunden großem Akku auf eine Reichweite von 159 Kilometern nach Norm. Die Karo-Isetta schafft dagegen maximal 90 km/h und soll mit vollen Speichern 200 Kilometer weit rollen. In früheren Veröffentlichungen war von einer Batterie mit 14,4 kWh Kapazität die Rede. Und einem Preis in Höhe von circa 12.000 Euro, den Microlino für die Basisversion auch noch aufruft. Gegenüber der auf der IAA gezeigten Version verfügt die Karo-Isetta nun über karosserieintegrierte LED-Scheinwerfer, kombinierte LED-Blinker und Tagfahrlichter im Frontbereich sowie LED-Rückleuchten. Die Typ2-Ladebuchse befindet sich im Heck.
„Mehr Auto braucht man nicht“, versichert Frers selbstbewusst. Daüber werden die Kunden entscheiden.