Ganz, ganz hartgesottene Porschefans werden mit dem Taycan wahrscheinlich nie glücklich werden: kein Boxergedröhn, kein Benzingeruch, der Motor ein Teil vom Zulieferer – und dann bei Teillast auch noch ständig Vorderradantrieb. Aber andererseits gibt es in dem Vollstromer, mit dem die Zuffenhausener ihren ersten großen Schritt in die Elektromobilität wagen, Leistung satt. Im Modell Turbo S ohne Turbo sind es beeindruckende 560 Kilowatt und 1050 Newtonmeter Drehmoment. In jeder Lebenslage, ab Drehzahl null.
Der Stromer scheint anzukommen. 30.000 Kunden haben den Wagen bereits vorbestellt, 10.000 von ihnen haben mittlerweile einen festen Kaufvertrag unterzeichnet, erzählte Porsche-Chef Oliver Blume jüngst dem Handelsblatt. Die ersten Exemplare gehen noch dieses Jahr in die USA, Deutschland ist dann 2020 dran.
Kälte kostet Reichweite
Aber wie schlägt sich so ein Elektrorenner eigentlich bei Eis und auf Schnee? Wenn die Klimaanlage kräftig heizen muss, der Akku vor sich hin fröstelt. Bei einer Tour durchs verschneite Lappland zeigt sich: Mit den winterlichen Straßenverhältnissen kommt der permanente Allradler mit all seinen vielen Assistenten sehr gut zurecht. In den Grenzen, die ihm die Physik setzt.
Der Verbrauch aber steigt in der Kälte – wie beim Verbrenner auch – und frisst Reichweite. Als wir morgens im Dunkeln bei minus sechs Grad in die neuste Modellvariante Taycan 4S einsteigen, zeigt das Display hinter dem Lenkrad – eines von vier im Fahrzeug – einen Ladestand von 92 Prozent an und einen Aktionsradius von 273 Kilometer. Das ist ein Stück weit von den bis zu 463 Kilometer entfernt, die laut Prospektangabe bei der 93,4 Kilowattstunden großen PerfomancePlus-Batterie möglich sein sollen.
Immerhin ist die Reichweiten-Angabe relativ verlässlich. Und die Porsche-Ingenieure haben so einiges versucht, damit der Stromer bei der Kälte nicht noch früher an die Ladesäule muss. „Wichtig ist, den Akku während des Ladens vorzuwärmen“, erklärt Matthias Kirchgässer, für den Taycan verantwortlicher Projektleiter Vertrieb und Marketing.
Eine Wärmepumpe pflegt den Akku
Tatsächlich meldet uns der Wagen beim Start, die Batterie habe noch eine Temperatur von 22° Grad. Während der mehrstündigen Tour durch die verschneiten lappländischen Wälder rund um das Städtchen Kittilä sinkt dieser Wert nie unter 10 Grad. Dafür sorgte eine Wärmepumpe an Bord, die nicht nur die Batterie, sondern Komponenten wie die Motoren oder das Zweiganggetriebe an der Hinterachse.
„Sie erhöht bereits unterhalb von 20 Grad die Reichweite“, versichert Kirchgässer (siehe Grafik). Besonders im Stadtverkehr ist der Effekt relativ gesehen am stärksten. Während unserer Tour liegt der Stromverbrauch laut Bordanzeige bei 25 bis 27 Kilowattstunden pro 100 Kilometer, obwohl wir selten mit mehr als Tempo 80 unterwegs sind. Laut Norm sollten es 22 bis 26 kWh sein. Aber das Fahren auf Schnee fordert seinen Tribut, der höhere Rollwiderstand kostet Reichweite.
Und viel rekuperieren kann der Taycan bei relativ konstantem Tempo auf den Landstraßen auch nicht und so Energie zurückgewinnen. Porsche bietet nur eine Stufe an, die der Fahrer etwas versteckt über ein Untermenü des Bordcomputers aktiviert. Dann verzögern die Motoren das Fahrzeug auch bereits beim Lupfen des Gaspedals spürbar, aber nicht sehr kräftig. Im Normalzustand gewinnt der Antrieb nur beim Bremsen Energie zurück. Dann aber mehr als die Wettbewerber, versichern die Porsche-Leute. Bei 90 Prozent der Bremsvorgänge im Alltag verzögern nur die E-Motoren, die Bremsscheiben sind damit weitgehend arbeitslos.
Software optimiert die Ladestopps
Wunderliche Wege gehen die Porsche-Vertriebler bei der Aufpreispolitik: Obwohl der Taycan 4S immerhin mindestens 105.607 Euro kostet, muss der Käufer die Wärmepumpe extra bezahlen: 773,50 Euro sind für sie fällig. In warmen Länder sei sie ja überflüssig, rechtfertigt Kirchgässer diese Preispolitik. Erst für Fahrer in Skandinavien und anderen kühlen Regionen lohne sich das System wirklich. Damit der Aufschlag nicht so schmerzt: Der Sinn des optionalen Soundsystem hat sich uns nicht wirklich im leisen Stromer erschlossen. Es erzeugt bei kräftigem Tritt aufs Gaspedal künstlich ein motoriges Geräusch von hinten. Die dafür eigentlich fälligen 499,80 Euro sind besser ins Thermomanagement investiert.
Das heizt übrigens den Akku kurz vor einem Ladestopp auf, denn bei höheren Temperaturen fließen die Elektronen williger in den Energiespeicher. Was sich vor allem bei Schnellladen mit Gleichstrom bemerkbar macht. Diesen Trick beherrscht der Charging Planer, mit dem die Porsche-Entwickler die Fahrtzeit optimieren. Die Software plant auf längeren Strecken – sie berücksichtigt dabei die Verkehrslage – die nötigen Ladestopps ein und nimmt auch Umwege in Kauf, wenn der Taycan dafür an einer Highspeed-800-Volt-Säule in fünf Minuten 100 Kilometer Reichweite zapfen kann. Und in 22,5 Minuten von fünf Prozent Batterieladung auf 80 Prozent kommt – dem Wohlfühlbereich des Akkus.
Ausflug in vorelektronische Zeiten
Allerdings sind derartige Ladepunkte mit 225 Kilowatt Leistung (und mehr) noch rar gesät. Häufiger sind solche mit 400 Volt-Technik, die im Bereich 100 bis 150 kW leisten. Will der Taycan-Besitzer von ihnen profitieren, muss er mal wieder das Portemonnaie zücken. Diese Fähigkeit kostet 416,50 Euro extra. Weitere 285,60 Euro sind für den Intelligent Range Manager fällig, der die Reisezeit noch stärker verkürzen soll. Das Programm berücksichtigt bei der Routenplanung auch die Topografie (Steigungen fressen Reichweite), optimiert die Klimatisierung des Innenraums und begrenzt die Höchstgeschwindigkeit. Was aber der Fahrer – wir sitzen ja in einem Porsche – jederzeit übersteuern kann.
Und das System bevorzugt statt des Allradantriebs den effizienteren Vorderantrieb. Eigentlich ein Sakrileg für 911er-Fans, die den Hinterradantrieb zum Markenkern verklären. Um diese Puristen wenigstens etwas zu versöhnen, bietet Porsche einen eskapistischen Ausflug in vorelektronische Zeiten an. Denn der Fahrer kann durch das lange Drücken einer der wenigen verbliebenen Tasten am Armaturenbrett die eifrigen Software-Assistenten abstellen.
Und dann – selbstverständlich nur auf abgesperrtem Gelände – nach Herzenslust auf Schnee und Eis driften und schleudern.
Der drittletzte Absatz ist weitgehend falsch. Die allermeisten DC Lader, die >50 kW anbieten können 800 Volt. Es kommt eher vor, dass sie ihre versprochenen 150 kW nur bei dieser Spannungslage angeben (Siehe Efacec).
Wenn das stimmt, müsste Porsche doch keine aufpreispflichtige Option für das 400 Volt-Laden anbieten.