Immer mehr Automobilhersteller bringen rein elektrische Fahrzeuge auf den Markt. Gleichzeitig steigt auch die Nachfrage nach Elektroautos und anderen Fahrzeugtypen. Nicht nur Privatleute, sondern auch gewerbliche Anwender steigen um, nutzen Lieferfahrzeuge oder sogar Lkws mit E-Motor. Aber gegenwärtig sind elektrische Autos, Lieferwagen oder Lkw gegenüber Verbrennern im Nachteil. Denn die Reichweite von Elektrofahrzeugen ist nach wie vor geringer als die von Verbrennern in derselben Kategorie.
Stärkere Batterien sind keine Lösung, denn sie sorgen für zusätzliches Gewicht. Das wiederum kann Leistungszuwächse kosten, die man an anderen Stellen erzielt hat. Dem Leichtbau sind ebenfalls Grenzen gesetzt, denn ein Fahrzeug muss beispielsweise genügend Schutz bei Unfällen bieten. Eine dritte Möglichkeit sind leichtere Antriebsstränge.
Optimierung an allen Teilen
Deren Entwicklung beginnt bei möglichst leichten Komponenten. An der Technischen Universität Dresden haben Wissenschaftler im Rahmen des Forschungsprojekts „Auswahlsystematik für energieeffiziente Antriebsstränge in rein elektrischen Straßenfahrzeugen“ eine Methodik entwickelt, mit deren Hilfe man am Anfang die verschiedenen Komponenten auswählt. Dazu zählen:
- Batterien und Brennstoffzellen
- Getriebe
- Getriebeübersetzung
- Ein-Motoren-Antriebe
- Mehr-Motoren-Antriebe
- Traktionsmotoren
- Leistungshalbleiter
- Wechselrichter
Die Entwicklung eines Antriebsstrangs folgt dann bestimmten Vorgaben:
- Wozu wird das Fahrzeug genutzt?
- Fährt es eher kurze oder eher lange Strecken?
- In welche Fahrzeugklasse fällt es?
- In welcher Region soll es eingesetzt werden? Zielt die Entwicklung auf den Markt in China, in Mitteleuropa oder in den USA?
Auch diese Vorgaben gehören zur Systematik beim Leichtbau. „Erst wenn wir das Gesamtsystem betrachten und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten in konkreten Fahrzyklen oder Fahrzeuganwendungen analysieren, können wir das Energiemanagement der Antriebe wesentlich verbessern,“ so Volkmar Müller von der Professur für Elektrische Maschinen und Antriebe der TU Dresden.
Die Grundlage: Umfangreiche Datenbasis
Allerdings braucht man für die Auswahlsystematik eine solide Datenbasis. Für die erfassten die Dresdener Wissenschaftler alle wichtigen Parameter von den am Markt verfügbaren Komponenten. Daraus leiteten die Forscher zunächst allgemeine Auslegungskriterien und Referenzwerte ab.
Außerdem ermittelten die Wissenschaftler Bezugsdaten aus technische Normen, Vorgaben von Gesetzgebern und Regulierungsbehörden. Hinzu kamen Daten über den täglichen Gebrauch der einzelnen Fahrzeugtypen in den verschiedenen Regionen der Welt.
Entwickler sollten in der Lage sein, bereits vor Messungen auf dem Prüfstand einzuschätzen, welche Bauweise am effizientesten ist. Dabei ist es wichtig, zu klären, an welchen Stellen im Antriebsstrang Energieverluste auftreten und wie hoch sie wahrscheinlich sind. Also haben die Forscher wiederum Herstellerdaten analysiert, um Energieverluste einschätzen zu können. So griffen sie etwa bei Energiespeichern auf Entladekennlinien zurück und konnten so Annahmen über Innenwiderstand und Leerlaufspannung treffen.
Am Ende des Projekts stand eine Software, die es Entwicklern ermöglicht, für ein bestimmtes Anwendungsszenario oder einen konkreten Entwurf die beste Antriebskonfiguration zu ermitteln.
Mehr Reichweite durch leichtere Komponenten
Aber auch die einzelnen Komponenten des Antriebsstrangs werden leichter. Ein Beispiel dafür ist ein neuartiger Wechselrichter für E-Autos. Den entwickeln Forscher ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Im Projekt „SiCeffizient“ arbeiten Forscher an effizienteren Wechselrichtern. Diese wandeln den Gleichstrom aus der Batterie in Wechselstrom um, mit dem dann der Elektromotor angetrieben wird. Sie sind zentral zwischen Motor und Batterie eingebaut. Sie müssen gekühlt werden. Denn die Transistoren des Wechselrichters heizen sich wegen der hohen Stromdurchflüsse stark auf – besonders dann, wenn der Antrieb viel leisten muss, also beim Anfahren, Beschleunigen oder in schneller Fahrt. Außerdem treten im Wechselrichter Leistungsverluste auf.
Das Forschungsprojekt nutzte in den Transistoren Halbleiter aus Silizium-Karbid. Dieses Material verursacht einerseits weniger Leistungsverluste, heizt sich aber im Vergleich stärker auf. Daher konzipierten die Entwickler eine völlig neue Kühlung. Gekühlt wird zwar weiterhin mit Wasser, aber die Kühlkörper sind nun extrem dünn und werden im 3D-Druck hergestellt. Die Halbleiter befinden sich unmittelbar an den Kühlkörpern auf einer wenige Millimeter starken Metallplatte.
Und das zahlt sich aus. „Wir gehen davon aus, dass Elektroautos durch diese Optimierung des Antriebsstrangs am Ende eine um bis zu sechs Prozent größere Reichweite haben“, sagt Eugen Erhardt, der am Fraunhofer IZM das Projekt SiCeffizient betreut.
Einsparpotential bietet auch ein Hochdrehzahl-Antriebsstrang. Bedingt durch sein niedriges Drehmoment kann man den Elektromotor kleiner bauen. Das spart wiederum Gewicht ein und sorgt dafür, dass ein E-Auto mit dieser Motortechnik auf eine größere Reichweite kommt. Das Verbundprojekt „Speed4E“ lief von 2018 bis 2021 und führte zu den Grundlagen für einem Hyper-Hochdrehzahlantrieb für E-Fahrzeuge. Projektpartner waren Institute der TU München und Darmstadt, der Universität Hannover sowie Industrieunternehmen wie ATE, AVL, Fuchs und Schaeffler. In diesem und in einem Vorgängerprojekt konnten die Forscher zeigen, dass reale Gewichtssenkungen um bis 34 Prozent möglich sind.
Fazit: Reichweite von E-Autos wird weiter wachsen
Die Auswahlsystematik der TU Dresden bildete die Grundlage für ein Softwaretool, dass von den Industriepartnern direkt in die Anwendung übernommen wurde. Den neuen Wechselrichter hat mittlerweile der Projektpartner Bosch getestet, und ein namhafter Automobilhersteller will das Gerät in einen neu entwickelten Antriebsstrang einbauen. Auch die Forschungen zu Hochdrehzahl-Antriebssträngen werden weiter gehen. Auf längere Sicht lässt sich das Reichweitendefizit von E-Fahrzeugen also überwinden. Dann muss nur noch genug preiswerter und vor allem CO2-neutral produzierter Strom verfügbar sein.