In der Debatte um die zukünftige Antriebstechnik von Pkw plädieren mehrere Studien für eine weitere Nutzung der Verbrennertechnik. „Alle Fahrzeugkonzepte haben das Potenzial, signifikant zur CO2-Reduktion in der Mobilität beizutragen“, heißt in einer am Montag vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) vorgelegten Studie. Der Mineralölwirtschaftsverband wirbt in einer weiteren Untersuchung (PDF) für die Nutzung synthetischer Kraftstoffe. Doch die zugrundeliegenden Annahmen sind stark umstritten.

Befürworter und Gegner der Elektromobilität streiten seit Jahren darüber, wie umweltfreundlich Elektroautos tatsächlich sind. Entscheidend ist dabei die Frage, wie viel Kohlendioxid bei der Produktion der Autos und des Ladestroms tatsächlich anfällt. Wichtig bei der Betrachtung ist zudem der tatsächliche Verbrauch der verglichenen Verbrennerfahrzeuge.

Sehr hohe CO2-Äquivalente

Auffallend bei der VDI-Studie, die vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erstellt wurde: Die Untersuchung geht von einem sehr hohen CO2-Äquivalent für die Batterieproduktion aus. Je nach Strommix werden 185 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde (China) oder 124 kg CO2äq/kWh (Europa) berechnet.

Einer Studie der Universität Eindhoven zufolge ist bei der Batterieproduktion hingegen von einem CO2-Ausstoß von 75 kg CO2äq/kWh auszugehen. Auch eine schwedische Metastudie geht inzwischen davon aus, dass pro kWh Akkukapazität ein Äquivalent von 61 bis 106 kg Kohlendioxid anfällt.

Darüber hinaus fällt auf, dass die VDI-Studie den Kraftstoffverbrauch eines Verbrenners mit 4,5 Litern Diesel pro 100 Kilometern berechnet. Abgesehen davon, dass der Durchschnittsverbrauch von Diesel-Fahrzeugen bei rund 7 Litern in Deutschland liegt, scheint die Studie nicht die sogenannten Voremissionen bei der Treibstoffproduktion zu berücksichtigen.

Der Universität Eindhoven zufolge sollten bei Verbrenner-Autos, die mit Benzin fahren, die angenommenen CO2-Emissionen um 30 Prozent erhöht werden. Autos, die mit Diesel fahren, sollten 24 Prozent zu ihren Auspuffemissionen hinzufügen. Allerdings geht die VDI-Studie von einem durchschnittlichen Stromverbrauch bei Elektroautos von 15,8 kWh pro 100 km aus, was ebenfalls zu niedrig erscheint.

Studie wirbt für E-Fuels

Auf Basis dieser Annahmen kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss: „Ein komplementäres Miteinander der Technologien ist die einzige Chance (z. B. mit Blick auf die Bestandsflotte), die CO2-Ziele für 2030 zu erreichen.“ Eine Voraussetzung dafür sei jedoch: „Hierzu brauchen alle Antriebe sowohl eine möglichst CO2-arme Produktion als auch einen Betrieb mit einem CO2-armen Energieträger.“

Ein solcher CO2-armer Energieträger sollen sogenannte synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) sein. Für deren Einsatz argumentiert auch eine Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics, die im Auftrag des Mineralölwirtschaftsverbands und des Bundesverbands mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) erstellt wurde. Angesichts der Auftraggeber überrascht das Ergebnis der Studie nicht.

Wirkungsgrad von E-Autos nur 15 Prozent?

Bislang wird den synthetischen Kraftstoffen vor allem deren schlechte Energiebilanz vorgehalten. Auch die Studie geht nur von einem Wirkungsgrad von 10 bis 13 Prozent aus. Allerdings sinkt nach Ansicht der Autoren der Wirkungsgrad von batterieelektrischen Autos von angenommenen 70 Prozent „in der gesamtheitlichen Analyse auf 13 bis 16 Prozent“. Damit liege dieser in der gleichen Größenordnung wie bei Pkw, die mit E-Fuels angetrieben würden.

Sonnenwärmekraftwerk Noor III in Marokko
An 365 Tagen im Jahr scheint in der marokkanischen Provinz Quarzazate die Sonne. Damit ließe sich neben Strom auch preisgünstig Wasserstoff gewinnen. Foto: ENEA

Der Studie zufolge verschlechtert sich die Energiebilanz bei Elektroautos unter anderem durch Energieverluste beim Transport, Verluste bei der Energiespeicherung, Ladeverluste und den Energiebedarf zur Klimatisierung.

Darüber hinaus wirbt die Studie dafür, für die Erzeugung dieser „Power-to-Liquid“-Kraftstoffe (PtL) vor allem erneuerbare Energien in anderen Weltregionen zu nutzen. Dazu zählten Sonnenkraftwerke in Marokko oder Windkraftanlagen im Süden Chiles. Um die Energie für ein Fahrzeug mit PtL-Kraftstoffen zu erzeugen, sei dort eine installierte Leistung von 6 kW erforderlich.

In Deutschland müsse eine vergleichbare Leistung von 5,7 kW installiert werden, um die Energie für ein batterieelektrisches Auto zu erzeugen. „Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Flächenverfügbarkeit in dünn besiedelten Regionen wie Nordafrika deutlich besser ist als in dicht besiedelten Ländern wie Deutschland“, heißt es weiter.

Streit in der Autoindustrie

Hintergrund der verschiedenen Studien ist die geplante Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs aus dem Bundesumweltministerium, mit dem die EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich umgesetzt werden soll. Die Regierung will in diesem Entwurf den Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor bis 2030 festlegen und auch deren Förderung steuern. In diesem Zusammenhang gibt es Differenzen zwischen den einzelnen Autokonzernen, die unterschiedliche Antriebskonzepte bevorzugen.

Während der Verband der Automobilindustrie (VDA) in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf sogar höhere Zielvorgaben für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe fordert, werden nach Ansicht von Volkswagen die Potenziale dieser Alternativen überschätzt.

Heftige Kritik an den Studien

Kritik an den Studien äußerte Felix Matthes vom Freiburger Öko-Institut. Die Berechnungen von Frontier Economics bezeichnete er in der Südwest-Presse als „billiger Trick“. Die ökonomische Effizienz dürfte sich nicht aus technisch-physikalischen und ökonomischen Faktoren zusammensetzen, dies sei „methodischer Voodoo“.

Die Debatte um den angeblichen „Wundertreibstoff“ E-Fuels sei eine „Technologie-Wette“ und „fatales Zeichen“ dafür, dass auch Verbrennungsmotoren noch eine Zukunft hätten. Bislang gebe es noch keine Pilotanlage mit großem Ausstoß. Woher das CO2 für die Produktion von E-Fuel kommen solle, sei zudem offen. Es aus der Luft zu nehmen, gestalte sich schwierig.

Auch der Bundesverband E-Mobilität (BEM) kritisierte die Studien. „Die Auseinandersetzung lässt sich besser verstehen, wenn man weiß, dass Wasserstoff und E-Fuels zum Kunden verteilt werden müssten und die Mineralölwirtschaft dafür ihre bestehenden Leitungen ein zweites Mal nutzen will“, sagte Markus Emmert vom BEM.

Seiner Ansicht nach ist es dafür jedoch zeitlich zu spät. „Das Erreichen der CO2-Ziele bis 2030 ist im Mobilitätssektor mit E-Fuels und mit Wasserstoff auf Basis grüner Energie weder darstellbar, leistbar noch technologisch belastbar. Der Vorschlag der Industrieverbände gilt allein dem Erhalt alter Geschäftsmodelle und bestehender Infrastrukturen. Dafür werden gerne auch die Fakten gebogen“, sagte Emmert.

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4 Kommentare

  1. haarthhoehe

    Das ist vor allem eine Kampagne von Audi/Porsche zum PtL, um ihre Racer um den 911 noch länger am Leben zu halten. Der Wirkungsgrad von der Umsetzung bis zum Treibstoff ist eine Farce, weiß gar nicht wie viel E-Autos mit der gleichen Energie fahren könnten.
    Man muss sich aber an die Fakten halten. Das Ausstoßen von Autoabgasen ist weder rechtlich noch aus Umweltgründen erwünscht, allenfalls geduldet. Es fehlen nur die Gerichtsurteile, die dem ganzen Treiben ein Ende setzen. War ja auch nicht erstes Thema in den Nachkriegs-Aufbaujahren.
    Momentan ist die CO2-Belastung in der Atmosphäre über 420 ppm geraten und steigt weiter. Wenn man in belasteten Straßen das Fenster zum Lüften aufmachen will, dann gibt das keine Verbesserung. Also muss das CO2 verhindert werden, besser noch abgesenkt und dass macht E-Fuel erst mal gar nicht. Die Rechnung gutes CO2#schlechtes CO2 geht nicht auf. Da hilft auch schönrechnen nicht weiter.

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  2. M.Schurig

    Mit E-Fuels kann auf einen Schlag die gesamte Fahrzeugfotte Klimaneutral werden. Der Wirkungsgrad spielt überhaupt keine große Rolle da die Infrastruktur für Kraftstoffe schon existiert. Derzeit wird 50% des grünen Stoms nicht genutzt, die Netzbetreiber stöhnen unter der wechselnden Last und „verbrennen die Überlast“ bzw. verschieben Sie zu negativ Kosten ins Ausland.

    Der Bürger merkt das an der immer höheren EEG Umlage. Wenn dieser Strom zur Herstellung von Wasserstoff bzw. EFuels genutzt wird ist der Wirkungsgrad eher zweitrangig.
    ein weiterer Faktor ist, das nur Luf CO2 gebunden wird und anschließend Bilanzneutral in den Kreislauf zurückverbrannt wird, Keine batterieproduktion die ja bekantlich nicht ganz so Umweltfreundlich ist.
    Ich bin der Meinung das die EFuels der bessere Weg sind, BEV ist müll, teuer in der Anschaffung, lange und teure Ladezeiten und schwierig zu entsorgen. DAS BEV geiselt den Benutzer, warum sich den alternativen versperren.

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    • RaimundD

      In welcher Welt wird den 50% der EE verscherbelt? In welcher Welt wird jemals ein Prozess in der Breite eingesetzt, der einen Wirkungsgrad von knapp über 10% Hat?
      Seit wann laden den die BEVs so langsam?
      Also Benutzer von BEVs werden nicht gegeiselt. Ich fühle mich als ehemaliger Dieselfahrer eher beschissen.

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    • Vanellus

      2018 (Zahlen für 2019 kommen im Laufe des November) wurde laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 5,4 TWh Strom in Deutschland abgeregelt. Erzeugt wurden etwa 210 TWh erneuerbare Energie als Strom und die gesamte Nettostromproduktion belief sich auf 592 TWh. Es wären also aus der abgeregelten Stromproduktion 0,9 % hinzugekommen. Damit hätte man weniger als 0,1 % der deutschen Pkw mit E-fuels versorgen können. Und das ist das Ergebnis der grottenschlechten Wirkungsgrade sowohl bei der Herstellung von E-fuels als auch bei seiner Verbrennung in der Wärmekraftmaschine Ottomotor.

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