Zweimal in Folge schon hat das US-Portal Edmunds das Model 3 von Tesla zum besten Elektroauto des Jahres gekürt. Ob der Titel auch 2022 nach Kalifornien geht, bleibt abzuwarten. Denn im September kommenden des Jahres bringt der chinesische Elektroauto-Hersteller NIO sein neues Mittelklasse-Modell ET5 auf den Markt – übrigens auch in Deutschland. Und nach allem, was der charismatische NIO-Chef William Li am Wochenende auf dem NIO-Tag in Suzhou pärsentierte und über das Fahrzeug berichtete, hat der ET5 gute Aussichten auf den Titel – und jede Menge Vorbestellungen.
Und das nicht nur wegen des gefälligen Designs, das deutliche Anleihen beim Model 3 und auch Model Y von Tesla nimmt. Auch die technischen Daten des schnittigen Fünftürers mit der markentypischen Haifisch-Nase und einem cW-Wert von nur 0,24 können sich sehen lassen: Angeboten werden soll der 4,79 Meter lange und 1,49 Meter hohe NIO ET5 serienmäßig mit einem Allradantrieb, bei dem ein 150 kW (204 PS) starker Frontmotor mit einer 210 kW (286 PS) starken Elektro-Maschine an der Hinterachse zu einer dynamischen Fahrmaschine mit einer Gesamtleistung von 360 kW (489 PS) und einem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmeter verschmolzen wird. Tempo 100 soll damit in 4,3 Sekunden erreicht sein.
Bis zu 1000 Kilometer Reichweite
Den Fahrstrom liefern zum Produktionsstart zwei Lithium-Ionen-Akkus neuester Bauart mit einer Kapazität von 75 und 100 kWh. Damit sollen Reichweiten von 550 bzw. über 700 Kilometer dargestellt werden können. Zu einem späteren Zeitpunkt soll auch noch ein 100 kWh-Akku ins Angebot kommen. Damit sollen über 1000 Kilometer zurückgelegt werden können, bis ein Ladestopp – oder ein Batteriewechsel an einer NIO-Station fällig wird.
Auch mit dem Verkaufspreis will NIO-Chef Li den Konkurrenten Tesla ordentlich unter Druck setzen: Nur 328.000 Yuan, umgerechnet 45.780 Euro, soll der ET5 mit dem kleinen Akku kosten, 386.000 Yuan oder 53.875 Euro mit dem 100 kWh großen Stromspeicher. Zum Vergleich: Das allradgetriebene Model 3 (mit 340 kW/462 PS Leistung und 77 kWh Akku-Kapazität) kostet hierzulande wenigstens 51.990 Euro. Und der „Autopilot“ für das teilautonome Fahren auf Level 2 kommt bei Tesla für 3.800 Euro noch obendrauf – beim ET5 ist das aus 19 Teilsystemen bestehende NAD (NIO Autonomous Drive)-Paket schon im Kaufpreis inbegriffen. Inklusive 11 Sony-Kameras, fünf Radar- und zwölf Ultraschall-Sensoren, zwei GPS-Empfängern und einem Lidar-Sensor der neuesten Bauart.
VR-Brillen verwandeln ET5 in Kinosaal
IT-technisch ist der ET5 ohnehin auf dem neuesten Stand – der ADAM genannte Bordcomputer mit 48 Hochleistungs-Prozessoren und 68 Milliarden (!) Transistoren wurde zusammen mit namhaften Partnern unter anderem aus dem Silicon Valley entwickelt.
Besonderen Wert legte NIO-Chef Li aber auch auf ein Infotainment-System auf Top-Niveau. So verfügt der ET5 serienmäßig über eine 1000 Watt starke Dolby Atmos-Anlage mit 23 unsichtbaren Lautsprechern, die für Kino-Atmosphäre sorgen sollen. Und für die Lade- und Ruhezeiten haben sich Li und seine Entwickler noch etwas Besonderes ausgedacht: Mithilfe einer speziellen VR-Brille soll sich der Innenraum des ET5 in einen großen Kinosaal verwandeln lassen.
Für die Fahrten werden acht Programme zur individuellen Abstimmung des Antriebs zur Verfügung stehen – und die Künstliche Intelligenz namens „Nomi“ den Insassen als Gesprächspartner. Auf das Ganze gibt NIO zehn Jahre Garantie – das gilt auch für die Batterien. Sofern man sich nicht dafür entscheidet, das Auto ohne einen Akku zu ordern und statt dessen regelmäßig den Service einer Batterie-„Swap Station“ in Anspruch zu nehmen, wenn die Antriebsenergie schwindet. Über 500 dieser Wechselstation hat NIO Power in China bereits gebaut, in denen bislang fünf Millionen Akkus in wenigen Minuten getauscht wurden. Wie Li ankündigte, werden im kommenden Jahr weitere 1300 dieser Stationen errichtet – unter anderem auch in Europa.
In China kostet der Service NIO-Fahrer je nach Akkugröße zwischen 137 und 206 Euro im Monat. Was der Service in Europa kosten wird, steht noch nicht fest. Aber bis die ersten Exemplare des ET5 hier eintreffen, dürfte sicher noch ein Jahr vergehen. Einen Termin für die ersten Europa-Experte des Modells nannte Li während der aufwändig produzierten Präsentation – bei der unter anderem der britisch-norwegische Musiker Alan Walker seinen NIO-Song „Hello world“ vortrug – nicht.