Wenn es um wirtschaftliche Effizienz geht, ist Stellantis ziemlich weit vorne dabei: Bevor im Konzern eine Euro-Münze ausgegeben wird, wird sie mehrmals umgedreht. Eine weitere Maxime des allgewaltigen Konzernbosses Carlos Tavares lautet: Man kann jedes Projekt realisieren – aber es muss Ertrag bringen.

So gesehen, ist es schon interessant, dass Opel den Vivaro-e neben der Batterieversion jetzt auch in einer Wasserstoff-Variante auf den Markt bringt und dafür in seinem Stammwerk in Rüsselsheim eine Produktionslinie hochgezogen hat, auf der 1.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge im Jahr vom Band laufen sollen. Ab 2024 sollen es dann sogar schon 10.000 Exemplare sein.

Drei Wasserstofftanks statt Batterie

Opel-Stammkunden wie Miele schätzen vor allem die Möglichkeit, dass Service-Techniker den vollelektrischen Vivaro-e Hydrogen nutzen können, auch wenn sie keine Lademöglichkeit am Firmenstandort oder daheim haben. Hinzu kommt, dass der Brennstoffzellen-Opel ein echter Tausendsassa ist, der bis zu einer Tonne ziehen und schleppen kann. Aufgrund des platzsparenden Brennstoffzellen-Antriebs, bei dem die Lithium-Ionen-Batterie (mit 50 oder 75 kWh Speicherkapazität) durch drei Wasserstofftanks ersetzt wird, bleibt auch der Laderaum unangetastet. Damit können die Nutzer des Wasserstoff-Vivaros die Regale und andere Aufbauten aus den Verbrenner-Versionen weiter nutzen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das ein wichtiges Kaufargument für das Brennstoffzellen-Vehikel.

Kurzer Stopp an der Tankstelle 
Die drei Wasserstoff-Tanks im Boden des Opel Vivaro sind an der Tankstelle in nur drei Minuten gefüllt. Fotos: Opel
Kurzer Stopp an der Tankstelle
Die drei Wasserstoff-Tanks im Boden des Opel Vivaro sind an der Tankstelle in nur drei Minuten gefüllt. Fotos: Opel

Im Grunde ist dieser Vivaro sogar ein Wasserstoff-Hybrid, bei dem sowohl eine 10,5-Kilowattstundenbatterie als auch der 45-kWh-Brennstoffzellenantrieb zum Vortrieb genutzt werden können. So setzen sich die gut 400 Kilometer Reichweite aus rund 350 Wasserstoff- und etwas 50 batterieelektrischen Kilometern zusammen. Beim Tanken vergehen rund drei Minuten, bis die Wasserstoff-Tanks voll sind. Und die Akkus sind an einer 11-kW-Ladestation in etwa eineinhalb Stunden wieder geladen.

Bald so teuer wie ein Batterieauto?

Der elektrische Antriebsstrang stammt aus dem batterieelektrischen Vivaro-e und leistet wie dort auch 100 kW (136 PS) bei einem maximalen Drehmoment von 260 Newtonmetern. Das ist, so zeigt unsere Testfahrt, auch bei voller Beladung völlig ausreichend – ebenso wie die Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Dieses Konzept bietet zudem einige Vorteile: Der Stellantis-Konzern kann Gleichteile auch für die technisch identischen Citroën ë-Jumpy Hydrogen sowie den Peugeot e-Expert Hydrogen nutzen. Dadurch verschlankt sich die Produktion. Und es spart viel Geld.

Zwei Energiespeicher an Bord 
Der Opel Vivaro-e Hydrogen speichert die Antriebsenergie in einem Lithium-Ionen-Batterie und produziert sie in einer Brennstoffzelle durch die Verstromung von Wasserstoff. Bis zu 450 Kilometer Reichweite werden so erzielt.
Zwei Energiespeicher an Bord
Der Opel Vivaro-e Hydrogen speichert die Antriebsenergie in einem Lithium-Ionen-Batterie und produziert sie in einer Brennstoffzelle durch die Verstromung von Wasserstoff. Bis zu 450 Kilometer Reichweite werden so erzielt.

Ein Punkt, der gerade beim Wasserstoffantrieb ein extrem wichtiger ist. Auf Faktor zwei beziffert Thiesen aktuell den Preis eines Brennstoffzellen-Vivaros gegenüber der batterieelektrischen Variante. „Unser Ziel ist es, den Preis auf das Niveau der BEV-Version zu drücken“, sagt der Leiter Einführungsstrategie Wasserstoff und Brennstoffzelle bei Stellantis. Wann man dies erreicht, steht noch in den Sternen. Dazu gibt es noch zu viele Unwägbarkeiten. So lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, wie groß die Nachfrage nach dem Modell sein wird und wie hoch die Produktionskosten sind. Von der Verfügbarkeit der Bauteile ganz zu schweigen.

Brennstoffzelle lädt Batterie während der Fahrt

Die Hybridbauweise mit einer Brennstoffzelle und einem Akku hat durchaus Vorteile gegenüber einer sogenannten Full-Power-Version, bei die Brennstoffzelle rund 100 kW Leistung hat. Zudem ist sie günstiger als eine Range Extender-Variante mit einer größeren Batterie. Auch ist die Haltbarkeit besser. Und man muss nicht mehr anhalten, um die große Batterie mithilfe der Brennstoffzelle mit Strom zu versorgen: Auf der Straße fährt sich der neue Opel Kleintransporter wie sein rein-batterieelektrischer Bruder. Je nach Fahrmodus (Eco, Normal, Sport) holt die Elektronik alles aus dem Antriebsstrang heraus. Oder sie ist mit gebremstem Schaum unterwegs.

Die Tatsache, dass Opel und damit der gesamte Stellantis-Konzern den gasförmigen Wasserstoff mit einem Druck 700 bar mit einer Kapazität von 4,4 Kilogramm speichern, ist ein Fingerzeig, dass sich diese Art der Aufbewahrung durchsetzen wird, da sie den besten Kompromiss aus Energiedichte beziehungsweise Reichweite und Aufwand darstellt. Flüssiger Wasserstoff wird vermutlich bei den großen Trucks zum Einsatz kommen.

Wasserstoffantrieb vor einem Comeback?

Apropos: Stellantis will nächstes Jahr einen größeren Transporter herausbringen und in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auch in den USA aktiv werden. Dann auch mit einem wasserstoffbetriebenen Heavy Duty Truck der Marke RAM, erfuhren wir am Rande der Präsentation.

Läuft wie geschmiert 
Das Zusammenspiel der beiden Energieversorger an Bord des Elektrotransporters verläuft völlig reibungslos, stellte unser Autor bei einer Testfahrt mit einem Vorserienfahrzeug fest. Fotos: Opel
Läuft wie geschmiert
Das Zusammenspiel der beiden Energieversorger an Bord des Elektrotransporters verläuft völlig reibungslos, stellte unser Autor bei einer Testfahrt mit einem Vorserienfahrzeug fest. Fotos: Opel

Wasserstoff feiert ohnehin ein imposantes Comeback. Zum einen als Energieträger, aber auch als Treibstoff: In China hat der viertgrößte Autobauer Changan unter der neuen Eigenmarke „Deep Blue“ ein Elektroautos namens SL03 vorgestellt, das wahlweise mit Batterieantrieb oder mit einer Brennstoffzelle geordert werden kann. Auch SAIC, Dongfeng, Haima und FAW wollen in naher Zukunft ihre ersten Personenwagenmodelle mit Brennstoffzelle für den Massenmarkt bringen. Denn die Regierung in Peking forciert ihre Pläne, den Ausstoß an Klimagasen mit Hilfe von mehr Wasserstoffautos zu verringern. Schon 2025 sollen rund 50.000 H2-Fahrzeuge in China fahren – 2030 sogar eine Million.

Ohne Wasserstoff-Importe geht es nicht

In Europa hingegen wird Wasserstoff derzeit vor allem als Energieträger für die klimafreundliche Herstellung von Materialien für die chemische Industrie, von Medikamenten und grünem Stahl gesehen. Produziert werden soll er ausschließlich mit der Kraft der Sonne und des Windes – wofür allerdings die Ressourcen nicht nur hierzulande nicht reichen. „Wenn wir in Deutschland auf erneuerbare Energien umstellen, werden wir ohne Importe nicht auskommen“, erklärt Sybille Riepe von H2 Mobility Deutschland.

Das wird durch Pipelines und durch den klassischen Transport mit Tanklastzügen geschehen. Denn die Herstellung des Wasserstoffs per Elektrolyse ist energetisch durchaus aufwendig, aber aufgrund der vielen Orte, an denen erneuerbare Energien im Überfluss bestehen, sinnvoll, wenn diese nicht sofort als Strom verbraucht werden kann. Also sonnigen Gegenden in der Sahara-Wüste, in Spanien, Chile oder in Australien sowie durch Offshore-Windanlagen in den Meeren. In den nächsten zehn Jahren will die EU den Wasserstoff mit Investitionen von rund 60 Milliarden Euro vorantreiben, wobei Frankreich und Deutschland jeweils etwa neun Milliarden beisteuern. Allerdings ist auch klar, dass die batterieelektrische Elektromobilität und die mit Wasserstoff sich ergänzen werden.

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