Gleich nebenan ist ein großer Audi-Betrieb der Scherer-Gruppe. Dort stehen aktuell auch mehrere junge Audi RS e-tron GT zum Verkauf, zu Preisen von über 140.000 Euro. Doch zum Laden des Akkus müssten Käufer zur Ionity-Station auf die andere Seite der Willy-Brand-Allee in Bingen wechseln. Die Porsche Premium Charging Lounge auf dem Nachbargrundstück bliebe ihnen verschlossen. Denn der exklusive Ladepark unweit des Autobahndreiecks Nahetal (A60/A61) bleibt allein Besitzern des Schwestermodells Porsche Taycan – und allen späteren Elektroautos der Marke Porsche – vorbehalten.
Da hilft auch nicht der Hinweis, dass die Station von Christian Scherer, dem Chef der Scherer-Gruppe, errichtet wurde und Porsche nur Mieter und Betreiber der stylishen Anlage ist. Oder dass an den „Charging Hubs“ von Audi in Nürnberg, München, Salzburg und Zürich auch Porsche-Fahrer (wie Besitzer von E-Autos aller Marken) willkommen sind. Nein, Porsche-Stromer bleiben lieber unter sich. Für einen Audi e-tron hebt sich hier nicht die Schranke, mit der hier die Zufahrt blockiert wird.
„Wir wollen Porsche-Kunden ein markenadäquates Ladeerlebnis bieten – nicht in Konkurrenz zu Ionity, sondern in Ergänzung“, erklärt Deutschlandchef Alexander Pollich im Gespräch mit EDISON. „Eben nicht nur hochperformante Ladesäulen, sondern auch eine gewisse Infrastruktur drumrum.“ Mit einem großen Dach über dem Kopf, einer blitzsauberen und obendrein kostenlosen Toilette, aber auch der Möglichkeit, während der Ladepause einen Kaffee (auf Wunsch samt Hafermilch) zu trinken oder das Baby zu wickeln. Oder vor einem smarten Spiegel ein paar Dehnungsübungen zu machen, bevor es mit dem elektrischen Sportwagen weiter geht.
Vier weitere Lounges in Planung
Porsche hat sich eine Menge Gedanken darüber gemacht, wie die perfekte – ebenso komfortable wie sichere und saubere – Schnellladestation für E-Reisende auf der Langstrecke aussehen müsste. Das Konzept wurde dann an der weltweit ersten „Charging Lounge“ in Bingen prototypisch umgesetzt. Für einen nicht näher definierten siebenstelligen Betrag und in Kooperation mit der Scherer-Gruppe, die neben diversen Audi-Zentren im Südwesten auch mehrere Porsche-Häuser in Wiesbaden, Dresden und Saarbrücken betreibt. Das Unternehmen hatte in Bingen – verkehrsgünstig auf halber Strecke zwischen dem Hockenheim- und Nürburgring gelegen – ein passendes Grundstück mit einem Anschluss an das Mittelspannungs-Stromnetz parat, so dass das Projekt innerhalb von knapp zwei Jahren realisiert werden konnte. Ganz ohne öffentliche Fördermittel übrigens.
Für Pollich ist das auch nur der Anfang. Ähnliche „Premium-Ladeerlebnisse“ will Porsche seinen Kunden – Fahrern von Batterieautos und Plug-in Hybriden – spätestens in einem Jahr noch an wenigstens vier weiteren Standorten bieten. Die nächsten Charging Lounges sollen am Audi-Standort Ingolstadt (!), in Würzburg, Hamburg und nahe Magdeburg entstehen. Auch in Österreich und der Schweiz sollen Porsche-Stromer schon bald bedient werden.
Porsche-Fahrer teilen nicht
Geladen werden können die Autos in Bingen derzeit an sechs Schnellladesäulen von Alpitronic mit einer maximalen Ladeleistung von 350 kW. Schon in Kürze aber sollen die gegen neue 400 kW-Charger getauscht werden. Das Besondere daran: An jeder Säule kann jeweils nur ein Elektroauto laden, ein zweiter Ladeplatz ist im Unterschied zu (beinahe) baugleichen Geräten an den Stationen von Ionity, EnBW oder Fastned hier nicht vorgesehen. Denn die Porsche-Fahrer sollen stets die volle Ladeleistung nutzen können, sie nicht mit anderen E-Autos teilen müssen.
„Wir wollen die Herausforderung des Peak-Ladens angehen“, erläutert Pollich das eher ungewöhnliche Konzept. In Stoßzeiten komme es in den öffentlichen Schnellladeparks entlang der Autobahnen inzwischen schon einmal zu Staus vor den Ladesäulen und infolge des großen Andrangs auch zu gedrosselten Ladeleistungen. Dergleichen möchte man seinen Kunden nicht zumuten: Porsche-Fahrer sollen immer so schnell wie möglich so viel Strom bekommen, wie ihr Fahrzeug aufnehmen kann. Aktuell beträgt die maximale Ladeleistung eines Taycan bis zu 270 kW. In Zukunft fließt der Srom vielleicht sogar noch einen Tick schneller, deuten Porsche-Ingenieure in Bingen an.
Mit Kreditkarte zahlen wird teuer
Zugang zum Gelände, zu Ladesäulen und gläserner Lounge kriegen Porsche-Fahrer über die App des Porsche Charging-Service. Auch die Bezahlung des Stroms erfolgt darüber. Sofern das Auto nicht schon Plug&Charge-fähig ist. Dann muss – nach einmaliger Registrierung – lediglich noch der Ladestecker mit dem Fahrzeug verbunden werden. Der Grünstrom fließt dann ganz automatisch in den Akku. Zu Kosten übrigens von aktuell 33 Cent pro Kilowattstunde. Eine Bezahlung der Stromlieferung per Kreditkarte („Direct Payment“) ist ebenfalls möglich, empfiehlt sich allerdings nicht: Der Strompreis steigt darüber auf 99 Cent/kWh.