Ein Porsche, der dem Fahrer beim Verzögern mehr abverlangt als beim Beschleunigen? Gibt es! Im batterie-elektrischen Porsche Taycan wird die Lust am Beschleunigen nicht selten vom Ehrgeiz verdrängt, die besten Rekuperationsstrategie zu fahren, um die Reichweite des Elektroautos zu strecken. Keinesfalls geht es um eine Spaßbremse, wie wir während der ersten Ausfahrt mit der vollelektrischen Sportlimousine erleben.

Im neuen Basismodell der batterie-elektrischen Porsche-Baureihe nehmen wir kurvenreiche Strassen im Schwarzwald unter die Räder. Bergauf mit leichtem rechten Fuss, um wenig Strom zu verbrauchen. Und bergab in vorausschauender Fahrweise, um möglichst viel Energie zurück zu gewinnen. Dabei spielen der Fahrdynamik-Regler rechts, der Rekuperationsschalter links am Lenkrad sowie ein sensibler Bremsfuß die zentrale Rolle.

Der Porsche Taycan kann auch Sport

Sobald es bergab geht, entscheidet man sich im Fahrmodus „Range“ oder „Normal“ einfach dahinzusegeln. Wobei in „Range“ die Widerstände im Fahrtwind durch geschlossene Lüftungsklappen am Vorderwagen besonders gering sind. Rollt der Porsche Taycan auf eine Kurve zu, wechselt man in die Fahrmodi „Sport“ oder „Sport Plus“, um moderat rekuperativ zu verzögern. In beiden Modi springt sofort auch der Soundgenerator an und untermalt das Fahren mit einem tieffrequenten Grummeln. Mit viel Fantasie erinnert es an das leise Arbeiten eines V8 Benziners.

Alternativ kann man den Rekuperationsschalter des Taycan mit dem gleichen Ziel drücken. Sollte die Verzögerung nicht ausreichen, erhöht man sie übers Bremspedal – möglichst gefühlvoll, um nicht in den Regelbereich der mechanischen Bremse zu gelangen, was zum Energieverlust durch Reibwärme führen würde.

Die richtige Strategie zu finden, steigert nicht nur den Unterhaltungswert des vollelektrischen Porsche, sondern bekämpft auch die Reichweitenangst des Fahrers im Innern der Sportlimousine. Wer sich damit nicht beschäftigen möchte, schaltet in den Normalmodus und überträgt das Reichweitenthema dem elektronischen Regelwerk.

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Fahrsicher auch ohne Allradantrieb

Winterliche Straßenverhältnisse herrschten bei der Testfahrt durch den Schwarzwald. Doch der Porsche Taycan blieb brav in der Spur. Foto: Daniel Wollstein

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Ohne Turbo, ohne Allrad, aber mit mehr Reichweite

Man muss schon genau hinschauen, um das neue Basismodell des Porsche Taycan von den allradgetriebenen und deutlich teureren Schwestermodelle unterscheiden zu können. Die Heckschürze sieht nur geringfügig anders aus.

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Kommandozentrale

Auf drei hochauflösenden Displays – und einer analogen Uhr – informiert der Porsche Taycan den Fahrer über alles, was wichtig ist. In dem Punkt unterscheidet sich der Basis-Taycan nicht von den Topmodellen.

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Eindeutig ein Porsche

Eigentlich müsste am Heck „Taycan Sport“ stehen. Ein S kommt möglicherweise ja später noch hinzu. Foto: Daniel Wollstein für Porsche

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LED-Scheinwerfer serienmäßig

Matrixlicht gibt es für die Basisausführung des Porsche Taycan auch – gegen Aufpreis, versteht sich. Tief in die Tasche greifen muss auch, wenn der Porsche-Schriftzug am Heck leuchten soll. Foto: Porsche

Doch die einfach nur Taycan genannte Basisversion der Baureihe versprüht auch unter Last alles andere als Langeweile. In echter Porsche-Manier als Hecktriebler! Damit hält der ab 83.520 Euro preiswerteste Taycan einer Porsche-Tugend die Stange, die angesichts des überwältigenden Angebots allradgetriebener Taycan, Panamera, Macan und Cayenne – nicht zu vergessen die zahlreichen Varianten des Carrera 4 – im Hause Porsche zunehmend in den Hintergrund rückt.

Der Taycan Basisversion dient der Heckantrieb als sportliches Gütesiegel, abrufbar etwa auf schlupfigen Strassen im winterlichen Schwarzwald. Am lustvollsten beim Beschleunigen aus Kurven heraus, und vorzugsweise im Fahrmodus „Sport Plus“, wenn die Elektronik leichte Driftwinkel zulässt.

Mit 2.050 Kilo (nach DIN) Leergewicht wächst dem Basis-Taycan zudem eine weitere Qualität zu, die seine Schwestermodelle Porsche Taycan 4S, Turbo und Turbo S mit höherer Antriebskraft zu kompensieren versuchen: Die angenehme Handlichkeit und begrüssenswerte Abwesenheit von Antriebseinflüssen in der Lenkung. Für den Vortrieb verantwortlich zeichnet hier ausschliesslich eine Synchronmaschine an der Hinterachse, die je nach verbauter Akkugröße entweder 240 kW/326 PS Leistung (im Overboost kurzzeitig 300 kW/408 PS) oder 280 kW/380 PS (Overboost 350 kW/426 PS) anlegen kann.

Wenngleich kein Leichtgewicht, schwingt der Asket der Baureihe mit erstaunlicher Leichtigkeit durch kurvenreiches, asphaltiertes „Unterholz“. Ob mit dem einstöckigen 79,3 kWh Serien-Akku oder dem optionalen zweistöckigen 93,4 kWh Performance-Plus-Stromspeicher: Der Taycan beschleunigt in 5,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht auf der Autobahn 230 km/h. Ein Unterschied ist bei Zwischenspurts nicht spür-, nur messbar: von 100 km/h auf 200 km/h geht’s mit dem 80 Kilo schwereren Akkupaket 0,9 Sekunden schneller. 

Porsche Taycan mit der größten Reichweite

Und noch einen Vorteil verbucht der vergleichsweise leichte Porsche-Stromer gegenüber den Allradlern der Taycan-Familie: Er verbraucht nach WLTP mit 20,4 bis maximal 24,8 kWh/100 km (Standard-Batterie) und sogar noch mit der Performance-Plus Batterie am wenigsten Strom. Seine Sparsamkeit führt zur größten Reichweite aller Taycan-Varianten: Nach der Verbrauchsnorm WLTP soll eine „Performance-Plus“-Batterieladung für bis zu 484 km Reichweite sorgen, der Standard-Akku die Elektro-Sportlimousine bis zu 431 km weit tragen.

Trotz frostiger Temperaturen warm ums Herz
Autor Jürgen Zöllter ist nach der Testfahrt schwer angetan: „Das beste Verhältnis von Preis und Fahrfreude bietet eindeutig dieses Basismodell.“ Foto: Daniel Wollstein

Wie wir wissen, weichen die im Alltagsverkehr erhobenen Werte gerne davon ab. In unserem Testwagen ist die große Batterie verbaut, und wir registrieren nach 226 km Schwarzwald-Tour inklusive einiger schneller Autobahn-Kilometer per Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 23,7 kWh/100 km und eine Restreichweite von 117 Kilometer. Bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt, einem auf 22 Grad temperierten Innenraum und aktivierter Sitzheizung – einschließlich Subwoofer assistierter Musikuntermalung.

Taycan Porsche Deutschland-Chef Alexander Pollich schildert im EDISON-Ladetalk, welche Rolle die Elektromobilität für den Sportwagenbauer spielt - und wie die Digitalisierung den Automobilhandel verändert. Elektroauto

Plug&Charge an der Ladestation

Erfreulich ist auch, dass unser Taycan (wie neuerdings auch alle anderen Porsche Stromer) ohne Ladekarte oder App an „Plug & Charge“-fähigen Ladestationen Strom ziehen kann. Einfach nur das Kabel einstecken – Lade- und Bezahlvorgang starten dann automatisch. Etwas Gutes tut man sich mit dem Kauf eines On-Board-Ladegerätes für schnelleres Stromziehen mit 22 kW an der Wallbox daheim. Es verkürzt die Parkzeit und schont die Nerven, wenn man es mal eilig haben sollte.

Unser Fazit: Wer sich mit etwas weniger Nachdruck beim Beschleunigen zufrieden geben kann, findet im schlichten Porsche Taycan die aktuell attraktivste Variante des Elektroautos von Porsche. Nicht zuletzt die Spaßbeschleuniger Heckantrieb und größere Reichweite würden die Modellbezeichnung Taycan Sport rechtfertigen.

Die gegenüber dem Taycan 4S eingesparten 20.000 Euro könnten den einen oder anderen Kunden inspirieren, für knapp 3.600 Euro Aufpreis eine komplett lederfreie Ausstattung zu ordern. Nicht als Sparpaket, sondern als Beitrag zur Nachhaltigkeit. Dann umfasst das Interieur zahlreiche innovative Recycling-Materialien. Letztendlich dockt der Basis-Taycan an eine traditionsreiche Porsche-Tugend an, dass nämlich weniger Auto mehr Sportwagen bedeutet.

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