„Die Franzosen denken anders als wir. Sie meinen, ein Auto müsse vor allem praktisch sein, das Aussehen kommt erst in zweiter Linie. Der Renault 4 ist ein gutes Beispiel dafür. Er kostet in der Luxus-Ausführung 4575 Mark und zählt damit zu der billigsten Kategorie dessen, was man so gerade noch als Auto bezeichnen kann.“
So begann 1968 im ZDF-Autotest ein Bericht des legendären Moderators Rainer Günzler über die weltweit erste Kombi-Limousine mit fünf Türen und variablem Innenraum. Sieben Jahre zuvor war diese auf der IAA in Frankfurt von den Franzosen ins Rampenlicht geschoben worden war – als Konkurrent von VW Käfer und Opel Kadett. Die Einführung eines vollsynchronisierten Vierganggetriebes schien da dem Kollegen ein geeigneter Anlass, um sich das praktische Billigauto aus dem Nachbarland noch einmal genauer anzusehen.

In Portugal, wo der R4 zwischen 1966 und 1994 montiert wurde, genießt er als „Quatro Latas“ – zu Deutsch „Vier Dosen“ – bis heute Kultstatus. Sein vollelektrischer Nachfolger muss sich den erst erarbeiten. Die Familienähnlichkeit sollte dabei helfen.
Wir sind inzwischen 57 Jahre weiter. Renault gibt es immer noch, den R4 nach über 30-jähriger Unterbrechung (der letzte Klassiker lief 1994 in Marokko vom Band) nun wieder. Natürlich nicht mit einem 26 PS starken Vierzylinder unter der Haube, sondern einem wahlweise 88 oder 100 kW starken Elektromotor an der Vorderachse. Nach alter Zählweise und aus der Perspektive von damals sind das geradezu atemberaubende 120 und 150 PS. Selbst ein Porsche 911 S hatte 1968 nicht viel mehr Leistung aufzubieten. Der Motor des R4 kann beim Ausfall der Batterie auch nicht mehr mit einer Kurbel angeworfen werden – es reicht ein Druck auf den Schaltknauf. Ausreichend Spannung sollte bei einer Speicherkapazität des 400-Volt-Akkus von 40 oder 52 Kilowattstunden stets ausreichend vorhanden sein.
Startpreis von 36.400 Euro in Deutschland
Und billig ist an dem neuen, statt 3,67 nun 4,14 Meter langen Renault R4 E-Tech Electric bis auf die Türverkleidungen aus Hartplastik eigentlich gar nichts mehr. Der Basispreis des Autos „für alles und alle“ beträgt hierzulande 29.400 Euro, mit dem stärkeren Motor und dem größeren Akku werden es in der „Iconic“-Ausstattung schon 36.400 Euro. Verschlang der Ahne 1968 etwa die Hälfte des Jahresverdienstes eines deutschen Arbeiters (10.842 Mark), müsste der Enkel (durchschnittliches Jahreseinkommen 2024: 52.159 Euro) heute also schon fast 70 Prozent seines Lohns für die Spitzenversion des vollelektrischen R4 berappen. Und hoffentlich hat er dann noch so viel auf dem Konto, um sich für (voraussichtlich) 1500 Euro das elektrische Faltdach gönnen zu können, das Renault in Erinnerung an alte Zeiten für den Fünftürer anbietet. Erst dann ist das Glück perfekt, lacht das Herz an sonnigen Tagen bei entspannten Fahrten über Land.

Der neue Renault 4 kann sich sehen lassen. Weil er als Stromer daher kommt und ihm die Designern eine ansprechende Form gaben.
Wir hatten dazu bereits Gelegenheit, in Portugal, wo der alte R4 zwischen 1966 und 1994 montiert wurde und als „Quatro Latas“ – zu Deutsch „Vier Dosen“ – bis heute Kultstatus genießt. Von den über 100.000 Exemplaren, die damals im Land verkauft wurden, haben erstaunlich viele Exemplare die Jahrzehnte überstanden: Praktisch in jedem Ort auf unserer Tour sahen wir die Oldtimer am Straßenrand stehen.
Platz für Familie oder Tannenbaum
Für viele Menschen damals war der Renault R4 ein Teil der Familie. Aufgrund des (im Vergleich etwa zu einem VW Käfer) riesigen Kofferraums, des hohen Fahrkomfort und der einfachen Bedienung. Ähnliche Qualitäten weist auch der neue R4 auf. Dass er von Renault inzwischen als SUV vermarktet wird, sollte dem keinen Abbruch tun. Die Heckklappe lässt sich gegen Aufpreis auch elektrisch öffnen, per Knopfdruck oder einer schnell Bewegung des Spielbeins – bei einem Kleinwagen ist das noch alles andere als selbstverständlich. Und der Kofferraum dahinter ist mit einem Volumen von 420 Liter bei voller Bestuhlung durchaus respektabel.

Bis zu 420 Liter passen bei voller Bestuhlung in den Kofferraum, mehr als 1000 bei umgelegter Rücksitzbank. Erfreulich niedrig ist die Ladekante. Und auch die elektrische Heckklappe, die sich mit der Fußspitze aktivieren lässt, bringt im Alltag viel Komfort.
Durch Umlegen der Rücksitzbank lässt sich noch einiges mehr unterbringen an Reisegepäck, Getränkekisten oder Kartoffelsäcken. Wenn man die Rückenlehne des Beifahrersitzes nach vorne klappt, ist auch das Verstauen eines Surfboards oder eines Weihnachtsbaums kein Problem, versicherten uns die Entwickler. Und die Kopffreiheit ist mit 85,3 Zentimetern auch auf der Rücksitzbank groß genug, um selbst bei großgewachsenen Erwachsenen keine Platzangst aufkommen zu lassen.
400 Kilometer Reichweite
Im Unterschied zum eher sportlichen Renault 5 – mit dem Nummer Vier die Plattform teilt, ist der Kompakt-SUV aus Maubeuge spürbar komfortabler abgestimmt. Rumpelpisten nimmt der R4 damit zwar nicht ganz so locker wie sein weich gefederter Ahne, aber dank gut gepolsterter Sitze trotzdem sehr rückenschonend. Auch längere Urlaubsfahrten sollten damit möglich sein – spätestens nach 400 Kilometern muss ohnehin eine Pause eingelegt werden, um frische Energie zu tanken.

Ein Meter lang und 80 Zentimeter breit ist die Öffnung, für die das elektrische Faltdach des Renault 4 E-Tech an sonnigen Tagen sorgt.
Weiter kam seinerzeit übrigens auch ein R4 GTL nicht mit dem Inhalt seines 34-Liter-Tanks. Nur dass die Pause an der Strom-„Tankstelle“ nun etwas länger dauert, weil der Elektriker Gleichstrom mit maximal 100 kW aufnimmt. Um den Ladestand von 15 auf 80 Prozent anzuheben, benötigt der E-Tech Electric gut 30 Minuten – erst danach macht die Weiterfahrt Sinn.
Nicht sportlich, aber sparsam
Mit der 110 kW starken E-Maschine ist der R4 E-Tech Electric 150 Comfort Range (so die komplette Modellbezeichnung) ausreichend motorisiert, da er (unbeladen) nur 1,4 Tonnen zu bewegen hat. Rasante Spurts sind allerdings auch im Sport-Modus nicht so sein Ding – wer darauf Wert legt, sollte zum R5 Electric oder noch besser zum Alpine A290 greifen.
Dafür geht der Kastenwagen erfreulich effizient mit der eingesetzten Energie um – am Ende der Testfahrt wies der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 12,2 kWh/100km aus. Manche Kollegen blieben trotz einiger Autobahnkilometer (mit maximal 120 km/h) sogar deutlich unter 12 kWh/100 km. Was auch daran liegt, dass der Antrieb des R4 einen ordentlich Teil der eingesetzten Kräfte auf Bergab-Passagen durch Rekuperation zurückgewinnt. Erstmals in einem Elektroauto von Renault gibt es sogar einen One-Pedal-Mode: Wird der rechte Fuß vom Fahrpedal genommen, bremst das Fahrzeug bis zum Stillstand ab. R5, Megane und Scenic E-Tech Electric bekommen dieses Feature erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Beim Renault 4 E-Tech Electric sitzt die Ladeklappe wie beim R5 vorne rechts. In Ländern mit Linksverkehr wie Großbritannien mag dies ideal sein, in den meisten europäischen Ländern nicht, wenn öffentliche Ladesäulen am Straßenrand genutzt werden sollen. Auch die Ladegeschwindigkeit ist mit 11 kW am Wechselstromlader und 100 kW an der DC-Station (80 kW mit kleinem Akku) verbesserungsfähig.
Den Alltag mit dem Elektroauto erleichtert Renault mit einer Plug & Charge-Lösung – die Kontodaten müssen hier nur einmal hinterlegt werden, um ohne Zücken einer Ladekarte oder des Smartphones die Ladesäule aktivieren zu können. Und der R4 E-Tech Electric erlaubt es heute schon, über einen (etwa 200 Euro teuren) Adapter den im Akku gespeicherten Strom für den Betrieb von Elektrogeräten aller Art zu nutzen – im Fachjargon „Vehicle to Load“ genannt.
Erst einmal keine „Fourgonnette“
In Frankreich ist es auch bereits möglich, den Strom ins Hausnetz (Vehicle to Home, V2H) oder ins öffentliche Stromnetz (Vehicle to Grid, V2G) einzuspeisen. Wann dies mit Hilfe einer speziellen Wallbox auch in Deutschland möglich sein wird, muss unsere neue Wirtschaftsministerin noch klären. Der Renault ist jedenfalls schon darauf vorbereitet und auch diesbezüglich auf der Höhe der Zeit. Das gilt übrigens auch für die Zahl der Assistenzsysteme an Bord. Und die serienmäßige Wärmepumpe.

Auf Landstraßen ist der Renault R4 E-Tech Electric in seinem Element, auf deutschen Autobahnen ist er aufgrund der Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h leicht gehandicapt. Dafür sind die Sprintqualitäten im Sport-Modus beeindruckend. Foto: Renault
Bestellungen für den R4 E-Tech Electric nimmt Renault bereits seit Mitte März entgegen, Ende Juni ist der offizielle Verkaufsstart. Wer kann, sollte den Liefertermin allerdings noch ein wenig hinausschieben. Nicht nur, weil das Faltdach erst später verfügbar sein wird. Sondern auch, weil der R4 dann als eine Art erste Modellpflege auch eine digitale Rückfahrkamera erhält, die deutlich klarere Bilder liefert als die aktuell verbaute Teil analoger Bauart. Und im Unterschied zu 1968 reicht heute beim Rückwärtsfahren der Blick über die Schulter nun mal nicht mehr aus. Die Kopfstützen der Rücksitze sowie die kleinere Heckscheibe schränken die Übersichtlichkeit doch spürbar ein.
Ansonsten: Ab Jahresende wird es auch eine Variante des Renault R4 für gewerbliche Nutzungen geben. Ohne Rücksitzbank, aber mit allen Fensteröffnungen. Eine im hinteren Teil fensterlose „Fourgonnette“-Version mit Hochdach, Girafon (Dachklappe) und seitlich angeschlagener Hecktür zum Transport sperriger Güter ist vorerst nicht geplant. Gleiches gilt für eine Camper-Version – eine Anhängerkupplung zum Ziehen von Wohnwagen mit bis zu 750 Kilogramm Gewicht muss erst einmal genügen.