Renault hat einen Lauf – und was für einen. Erst sorgte der elektrische Renault 5 für steigende Verkaufszahlen, dann der ungleiche Zwilling R4 und bald stößt noch der neue vollelektrische Twingo hinzu. Da aber in Europa in den nächsten Jahren kaum alles rein elektrisch unterwegs sein wird, holt Renault mit dem Clio seine konservative Klientel ab – und fordert damit Wettwerber wie Volkswagen, Hyundai, Stellantis oder Toyota. Denn die sechste Clio-Generation ist optisch ein Volltreffer und bringt mit dem Hybridantrieb obendrein eine neue Dynamik in die Kleinwagenklasse.
Wie seine direkten Wettbewerber auch ist die neue Generation im Vergleich zum Vorgänger leicht gewachsen. Ein Plus von knapp sieben Zentimetern bedeutet eine Gesamtlänge von 4,12 Meter, was sich allerdings im Innenraum kaum bemerkbar macht. Denn insbesondere die Übergänge haben zugelegt. Der Radstand blieb mit 2,59 Metern nahezu identisch. Vorne sitzen zwei Erwachsene bequem auf wohl konturierten Sitzen, während der Fond klassenbedingt nur Kindern und Jugendlichen zuzumuten ist. Das Ladevolumen von 309 bis 1.094 Litern ist allerdings vergleichsweise üppig.

Das Design des Renault Clio VI bricht mit den rundlichen Formen seiner Vorgänger und sorgt dadurch für mehr Präsenz auf der Straße.
Der Innenraum des Franzosen wirkt gefällig und modern. Zwei Zehn-Zoll-Displays in V-Anordnung versorgen Fahrer und Beifahrer mit den wichtigsten Informationen und die Integration von Google-Diensten funktioniert vorbildlich. Ein Vorteil sind nicht allein die Over-the-Air-Updates oder die kabellose Einbindung von Apple Carplay und Google Auto. Der Käufer erhält obendrein zwei Jahre lang ein Datenpaket von zwei Gigabyte pro Monat, um die In-Car-Apps aktuell zu halten. Akustisches Highlight sind die von Frankreichs Elektro-Musik-Gottvater Jean-Michel Jarre kreierten Klangwelten im Innern des Neulings.
Kombi aus zwei Elektromotoren und einem Benziner
Elektrifiziert sind sämtliche Antriebe der sechsten Clio-Generation, in der von uns in Portugal gefahrenen Topversion arbeitet der weiterentwickelte Fullhybrid E-Tech-Antrieb mit einer Spitzenleistung von 116 kW oder 158 PS. Die grundsätzliche Funktionsweise bleibt unverändert, es gibt jedoch Änderungen an den einzelnen Antriebsmodulen. Das System kombiniert nunmehr einen 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 80 kW oder 109 PS mit zwei weiteren Elektromotoren, die als Antrieb 36 kW und 205 Newtonmeter Drehmoment, als Starter-Generator 15 kW beisteuern. Koordiniert wird das über ein kupplungsloses Multi-Mode-Automatikgetriebe, wobei die Energie für die Elektromotoren aus einer 1,4 kWh großen Batterie zuströmt.

In der Alpine-Ausführung zieht sich Alcantara über Sitze, Türtafeln und Armaturen des Renault Clio. Ärmlich ist da gar nichts mehr.
Aus dieser Technik resultieren 15 Antriebskombinationen, die den Fahrer allerdings vor keine großen Herausforderungen stellen. Zwei Übersetzungen für den Elektromotor und vier für den Verbrennungsmotor ermöglichen den vollelektrischen Betrieb, den seriellen und parallelen Hybridbetrieb sowie das reine Benzinmotor-Fahren im besonders effizienten Atkinson-Zyklus. Das System wählt aus diesem Angebot selbständig eine möglichst effiziente Antriebsform, ohne die Dynamik zu vernachlässigen.
Reichweite von über 900 Kilometer
Mit dem Antrieb lässt sich neue Clio im Alltag ausgesprochen flott bewegen, zeigt unsere erste Ausfahrt. Wirklich sportlich wird es durch das Getriebe und die aufwendige Antriebskombination zwar nicht. Doch aus unteren Geschwindigkeitsbereichen geht es dank der Elektrounterstützung zügig vorn. Tempo 100 wird schon nach 8,3 Sekunden erreicht. Der Normverbrauch von 4,1 Litern Super auf 100 Kilometern ermöglicht durch den 39-Liter-Tank Reichweiten jenseits von 900 Kilometern. Nach Angaben von Renault ist der Verbrennungsmotor des Clio im Innenstadtverkehr dank des Hybridsystems etwa 80 Prozent der Zeit abgeschaltet, so dass der Fronttriebler überwiegend elektrisch durch die City rollen kann.

Der Renault Clio ist gewachsen, im Kofferraum ist davon aber wenig zu spüren. Bei voller Bestuhlung fasst er 309, bei umgelegter Rücksitzbank 1094 Liter. Zum Vergleich: Das Gepäckabteil des VW Polo fasst in der aktuellen Version bis zu 1125 Liter. Fotos: Renault
Es stehen vier Fahrmodi zur Verfügung, auswählbar über die Multisense-Taste am Lenkrad oder über die Tasten auf dem zentralen Bildschirm. Im Smart-Modus gibt es keine individuellen Anpassungen und das System wechselt automatisch zwischen den Modi Eco, Comfort und Sport hin und – je nachdem, wie der Fahrer das Gaspedal betätigt. Leider dauern hierbei die Wechsel zwischen den Fahrmodi lang und die Unterschiede sind kaum spürbar. Bei manueller Moduswahl und dem Wechsel von Eco zu Comfort spürt man dagegen eine veränderte Gaspedal-Kennlinie. Das Ansprechverhalten des Gaspedals wird direkter. Das Gleiche gilt für den Wechsel von Comfort zu Sport. Deutlicher sind die Unterschiede im Lenkverhalten zwischen den einzelnen Programmen.
Vollhybrid-Version ab 24.200 Euro
Das Fahrverhalten des Clio VI, unterwegs auf der CMF-B-Plattform, hat sich im Vergleich zum Vorgänger deutlich verbessert. Durch die Kombination aus präziserer Lenkung und breiterer Vorderachse zeigt sich der Kleinwagen sehr agil im Überlandverkehr. Wir empfehlen allerdings eine weniger sportliche Rad-/Reifenkombination als die des von uns gefahrenen Renault Clio Esprit Alpine (205/45 R18), da diese zusammen mit der starren Hinterachse ohne Einzelradaufhängung auf unebenem Asphalt für ein zu straffes Fahrgefühl sorgt. Die 195er Reifen auf 16-Zoll-Felgen bieten mehr Fahrkomfort ohne optisch weniger sportlich zu wirken.
Ein besonders günstiges Angebot ist der Vollhybrid nicht: Renault ruft das Topmodell der Clio-Baureihe wenigstens 24.200 Euro auf. Multimedia-Paket (800 Euro) und Komfortpaket mit LED-Scheinwerfern sowie Licht- und Regensensor (550 Euro) kommen obendrauf. Bestellt werden kann die neue Generation ab sofort, mit ersten Auslieferungen ist im Januar zu rechnen.