Das war es vermutlich nun – mit dem „Streetscooter“ und dem Traum, mit einem günstigen elektrischen Schnelltransporter die Nutzfahrzeugbranche aufzumischen. Vergangene Woche musste der Streetscooter-Eingentümer, der luxemburgische Investor B-On um den ehemaligen BMW-Finanzvorstand Stefan Krause Insolvenz anmelden. Die Produktion des Kleinlasters in Düren ruht seitdem.
Wir erinnern uns: Streetscooter war 2010 von zwei Professoren der RWTH Aachen gegründet worden, um die Zustellflotte der Deutschen Post DHL, aber auch vieler Handwerksbetriebe und Lieferdienste zu elektrifizieren. 2016 begann die Serienproduktion des Streetscooter Work, 2017 wurde der Work XL auf Basis des Ford Transit vorgestellt – doch schon 2020 war der DHL die Lust an dem Projekt vergangen. Im Januar 2022 wurde das Unternehmen an das luxemburgische Odin-Konsortium verkauft, das sich inzwischen in B-On umbenannt hat.

Bis zu vier Europaletten passen in den neugestalteten Kofferaufbau des früheren Streetscooter und heutigen B-On Max Box. Die Reichweite ist mit 202 Kilometern allerdings ebenso bescheiden wie die Antriebs- und Ladeleistung. Foto: B-On
Noch ist in Aachen die Hoffnung nicht ganz gestorben, neue Investoren zu finden und das Unternehmen – oder zumindest Teile davon – zu retten. Doch die Chancen auf einen Erfolg der Marke („Die Zukunft schon heute“) sind inzwischen verschwindend gering. Der Grund: Das Angebot von Elektrotransportern aus der Serienproduktion etablierter Fahrzeughersteller ist in den zurückliegenden Jahren enorm gewachsen. Nich tumsonst hat die Deutsche Post DHL für ihre Zustelldienste inzwischen 2000 Exemplare des E-Transit von Ford geordert. Für ein Kleinunternehmen wie Streetscooter bleibt da kaum mehr eine Nische.
Hohe Praktikabilität bei niedrigen Verbräuchen
Das zeigt sich auch bei der Ausfahrt mit dem neuen Renault Trafic E-Tech Electric – einem ausgewachsenen Transporter der Drei-Tonnen-Klasse. In wenigen Wochen kommt der schicke Stromer auf den Markt, mit einem 90 kW (122 PS) starken Antrieb und einem 52 kWh-Akku für knapp 300 Kilometer Reichweite bei einer Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Und zu Preisen ab 47.800 Euro in der Version L1H1 mit kurzem Radstand und flachem, zweit Meter hohem Dach mit einem Ladevolumen von bis zu 8,9 Kubikmeter.

Zu einem ähnlichen Preis (47.650 Euro) und Ladevolumen (8 Kubikmeter) bot Streetscooter-Eigner B-On zuletzt die Version Max Box (mit Kastenaufbau) mit 51 kW (70 PS) starkem Antrieb, einem 40 kWh-Akku und einer Reichweite von maximal 202 Kilometer an. Und schneller als 100 km/h konnte man damit nicht fahren. Da muss ein Handwerker oder Fuhrparkleiter eines Logistikunternehmens wahrscheinlich nicht lange überlegen, für welches Modell er sich entscheidet.

Mit bis zu 110 km/h kann der neue Renault Trafic E-Tech Eletric Waren und Werkstattausrüstungen transportieren, über Entfernungen von über 300 Kilometer, mit hohem Fahrkomfort und auf einem hohen Sicherheitsniveau. Foto: Renault.
Erst recht nicht, wenn er erst einmal im Renault Trafic Platz genommen und wie wir eine Runde mit dem Kastenwagen aus Nordfrankreich eine Runde gedreht hat. Die Fahrerkabine bietet für ein Nutzfahrzeug erstaunlich viel Komfort und viele Sicherheitsfeatures, es gibt serienmäßig eine Klimaanlage und ein flott rechnendes Navigationssystem. Und das Beladen geht mit zwei seitlichen Schiebetüren und einer Schmetterlingstür mit einem pfiffigen Scharnier- und Schließmechanismus am Heck leicht von der Hand. Die Ladekapazität beträgt je nach Variante zwischen 5,8 und 8,9 Kubikmeter, die Ladelänge 2,54 oder 2,94 Meter. Dank eines Abstands von 1,27 Metern zwischen den Radkästen ist hier auch eine Europalette schnell verstaut. Bis zu drei Europaletten finden hier theoretisch Platz.
Gleichstrom-Laden gegen Aufpreis
Und im beladenen Zustand – unser Testwagen hatte eine 300 Kilogramm schwere Kiste an Bord – lässt sich der Renault nicht nur flott, sondern auch ausgesprochen komfortabel und, wenn sich der Fahrer zügelt, durchaus sparsam bewegen: Verbräuche um die 19 kWh/100km sind leicht erreichbar. Und das nicht nur im Eco-Modus. Auch weil sich die Rekuperation in drei Stufen fast bis runter zum One-Pedal-Modus variieren lässt. Da zeigt sich die große Erfahrung, über die Renault dank der schon vor über zehn Jahren eingeführten Zoe inzwischen mit der Elektrotraktion hat. Ist der Energievorrat im Akku des Trafic aufgebraucht, wird Wechselstrom serienmäßig mit 11 kW geladen – der Streetscooter Work L schafft nnur 3,6 kW. Und wenn es regelmäßig flotter gehen soll, kann gegen Aufpreis von rund 1000 die Ladetechnik hochgerüstet werden. Dann lädt der Trafic Wechselstrom mit bis zu 22 kW und kann sogar Gleichstrom mit bis zu 50 kW aufnehmen.

Viele Bedienelemente des neuen Trafic kennen wir von aktuellen Pkw-Modellen. Zoe-Fahrer finden sich hier sofort zurecht.
Und auch der hohe Reifegrad des Transportermodells Trafic trägt im Alltag sicher Früchte. Die erste Modellgeneration – noch ganz konventionell angetrieben – kam bereits 1980 auf den Markt. Inzwischen hat Renault von der Modellreihe über 2,4 Millionen Fahrzeuge abgesetzt, in den unterschiedlichsten Varianten. Mit der vollelektrischen E-Tech-Variante schlägt Renault in der vierten Generation nun ein neues Kapitel auf.
Markt wächst rasant
Die Zeiten dafür sind günstig: Nicht nur in Frankreich steigt die Zahl der Kommunen, die Verbrenner nach und nach aus den Innenstädten verbannen oder mit hohen Mautgebühren belegen. Entsprechend stark steigt die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im sogenannten Medium-Van-Segment – im vergangenen Jahr um 56 Prozent auf über 36.000 Einheiten. In Deutschland stiegen die Neuzulassungen in der Kategorie sorgar um 172 Prozent gegenüber den Vorjahr. Na klar, die Anschaffungen wurden da auch noch kräftig gefördert.
Die Kassen sind inzwischen leer, der Umweltbonus für gewerblich genutzte Elektroautos ist seit September Geschichte. Man darf gespannt sein, wie sich der Markt für die Elektrotransporter weiter entwickelt. Der Trafic E-Tech electric dürfte sich hier schnell etablieren. Für den Streetscooter jedoch dürfte die Zeit abgelaufen sein.
Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Der Streetscooter wurde ursprünglich für die Post, und für deren spezielle Bedürfnisse entwickelt. Er funktioniert heute einwandfrei. Die Gigabox mit Tiefbodenchassis und Rechtslenkung ist ideal für den Inner-City Stop and Go Lieferverkehr. Das bietet der Traffic alles nicht und 110 km Höchstgeschwindigkeit braucht hier auch keiner