Bei unserem Vorhaben, rein elektrisch von Las Vegas nach Los Angeles zu fahren, haben wir es uns nicht einfach gemacht. Statt eines Reichweiten-Monsters mit einer 100 Kilowatt-Plus-Batterie haben wir uns für einen Mini Cooper SE entschieden. Zu Erinnerung: Der Lifestyle-Stromer hat einen 32,6 kWh-Stromspeicher an Bord, von dem 28.9 kWh für den Fahrbetrieb nutzbar sind. Daraus ergibt sich eine Norm-Reichweite von maximal 234 Kilometern. Damit fliegen dem Briten auf dem berühmten Las Vegas Strip zwar die Daumen-Hoch-Herzen der anderen Autofahrer und Passanten zu. Aber eine Fahrstrecke von gut 450 Kilometern ist dann doch eine andere Hausnummer. Zumal auf dem Weg in die Westküsten-Metropole noch rund 1.100 Höhenmeter zu überwinden sind – und die reale Reichweite zumeist nicht den Papierwert erreicht.

Raus aus der Stadt
Über den Las Vegas Strip rollt der Mini Cooper SE mit gefülltem Akku der Wüste entgegen. Fotos: Bernhard Filser

Um diese Aufgabe zu meistern, muss die Tour gut geplant sein. Wir nutzen die App PlugShare, um Ladestationen entlang unserer Route aufzuspüren und uns so bis nach Los Angeles zu hangeln. Auf dem (virtuellen) Papier sieht alles ganz einfach aus: Nach 144,82 Kilometern steht der erste Ladestopp an und nach 166,72 weiteren Kilometern der zweite, was reichen sollte, um die verbleibenden 135,81 Kilometer nach Los Angeles zu kommen. In der Realität sollte es anders kommen. Zumal der 1.365 Kilogramm schwere Mini Cooper SE mit Reisegepäck und zwei Erwachsenen noch ein paar Extra-Kilo mitschleppen musste.

Tempolimit erhöht die Reichweite

Die ersten Kilometer verlaufen problemlos und entspannt. Die Federung des E-Minis schlägt sich trotz der nicht immer brettebenen US-Autobahn ziemlich gut. Da helfen die um 1,8 Zentimeter höhere Bodenfreiheit und der damit verlängerte Federweg. Wir schalten in den energieschonenden „Green“-Fahrmodus und schwimmen auf dem Interstate-15-Highway Richtung Westen mit. Wobei das Tempolimit niemand großartig juckt, die Mehrheit der Blechkarawane strebt mit mehr als 80 mph (129 km/h) unterwegs ist.

Gut zwei Jahre nach der Vorstellung des Konzeptfahrzeugs bringt die BMW-Tochter nun den ersten vollelektrischen Mini auf den Markt. Er besitzt den gleichen Antriebsstrang wie der BMW i3 - ist aber deutlich günstiger. Elektroauto

An der Grenze zu Kalifornien gibt sich Tesla bei der Ortschaft Primm die Ehre. Auf dem Parkplatz herrscht ein reges Gewusel, dem zwei Einweiser versuchen Herr zu werden. Die Stromtankstelle ist so begehrt, dass Tesla weitere mobile Säulen installiert hat, die ihren Saft aus der mit einem Holzzaun abgegrenzten Verteiler-Station beziehen. Auf die Ladeleistung scheint das wenig Einfluss zu haben.

Auch in USA zicken die Ladesäulen

„Die meisten laden zwischen 30 und 45 Minuten, bis sie 80 Prozent erreicht haben“, erzählt einer der beiden Einweiser. Die Teslaner sind keine jungen Hipster, eher ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Einer ähnelt Doc Brown aus dem Filmklassiker „Zurück in die Zukunft.“ Im angrenzenden Fast-Food-Restaurant stärken sich die E-Mobilsten.

Grünstrom? Wer weiß das schon
Immerhin funktionieren die meisten Ladesäulen entlang der Strecke problemlos.

Nach 145 Kilometern legen wir bei Baker (Kalifornien) nahe dem Death Valley den ersten Tankstopp ein. Im Schatten des größten Thermometers der Welt (41 Meter hoch) wollen wir Stromtanken und stellen fest, dass die Elektromobilität im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten mit den gleichen Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat wie auf der anderen Seite des Atlantiks: Von den Ladepunkten funktionieren nur zwei mit einer normalen Kreditkarte. Bei den anderen ist eine EVGo-Ladekarte nötig, aber der Kartenleser ist nicht bei allen in Betrieb. Wir sind alleine auf weiter Flur. Immerhin ist die Stromtankstelle überdacht, aber die Ladegeschwindigkeit der Säule mäßig. Wir warten 55 Minuten, bis die Akkus voll sind.

Bezahlt wird mit Apple Wallet

Weiter gehts. Doch beim Highway-Klettern wird uns schnell klar, dass zwei Ladestopps nicht ausreichen. Immerhin sind rund 1.100 Höhenmeter zu überwinden. Also nach 800 Höhenmetern und 111 Kilometern wieder raus und ran an die E-Zapfsäule. Bei Ankunft würde der Strom noch 37 Meilen / 60 Kilometer reichen. Die ChargePoint Ladesäulen befinden sich bei einer Outlet Mall und sehen nicht nur modern aus, sondern sind es auch. Wir halten die in der Apple Wallet unseres Smartphone hinterlegte Ladekarte an die Tankstelle und schon fließt der Strom. Nach 1:02 Stunden sind die Energiespeicher wieder voll. Dabei ist zu beachten, dass der Mini Cooper SE die Batteriezellen mit maximal 50 kW laden kann.

Strom gibts am „Black Friday“ kostenlos

Der nächste Ladestopp ist rund 58 Kilometer entfernt. Sicher ist sicher. Auf einem Supermarkt-Parkplatz erwartet uns eine angenehme Überraschung. Das Stromtanken ist am „Black-Friday“-Wochenende umsonst. Wir gehen während der Ladezeit einkaufen und stellen fest, dass wir wieder die einzigen energiesuchenden Elektromobilisten sind. Die Einsamkeit des Ladens endet erst, als sich ein Ford Mustang Mach-E zu uns gesellt.

Rasen? Nicht möglich
Das US-Tempolimit von 80 Meilen pro Stunde kommt Elektroautos sehr entgegen

Wir wollen weiter nach Los Angeles. Aber da sind wir leider diesmal nicht alleine. Ein Stau, der über eine Stunde Verzögerung bringt, liegt auf unserer Strecke. Das Navigationssystem schlägt eine zeitsparende Ausweichroute vor. Alles wunderbar. Allerdings funktioniert die eine Ladesäule, die auf dem Umweg liegt, laut der PlugShare Community nicht zuverlässig. Wir gehen kein Risiko ein und stauen uns in Richtung LA. Da reicht der Saft definitiv. „Ja, wenn man so was sehen will, dann darf man nicht sparen, dann muss man Samstag fahren, wenn alle fahren“, sang schon Mike Krüger in seinem 70er Komiker-Hit „Stau mal wieder“. Wir sind im Jahr 2021 live dabei.

Durchschnittsverbrauch: 13,9 kWh nach 466 Kilometern

Doch im Mini SE lässt sich das Gezuckel gut ertragen. Die Sitze sind so bequem, dass man auch so lange Strecken entspannt absolvieren kann. Überhaupt schlägt sich der Stromer trotz seiner kleinen Batterie deutlich besser als erwartet. In jeder Hinsicht. Nur die teilweise grottenschlechten Straßen Los Angeles‘ fordern die Federn und Dämpfer ziemlich. Um 20.09 Uhr kommen wir nach 9 Stunden und 56 Minuten Fahrzeit sowie 466,13 zurückgelegten Kilometern an unserem Ziel an.

Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 66,6 km/h (41,4 mph) brauchte der Mini Cooper SE im Schnitt lediglich 13,9 kWh/100 km. Und wir waren nicht mit gebremstem Schaum unterwegs. Zudem haben wir den Stromspeicher stets vollgeladen, was die Ladezeiten in die Länge gezogen hat, da ab 80 Prozent Batteriefüllgrad die Geschwindigkeit, mit der die Stromspeicher spürbar zurückgeht.

Der Sonne entgegen
Nach über neun Stunden Fahrzeit haben wir das Ziel Los Angeles (fast) schon vor Augen.
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2 Kommentare

  1. Iak Delwack

    Die aktuell im Mini & i3 verbaute dritte Motorgeneration ist durchaus sparsam zu betreiben. Mit unsren i3 ´ s (i3&i3s) realisieren wir solche Verbräuche auf Strecke regelmäßig.
    Wirklich tragisch, dass man sich in München nicht dazu hat entschließen wollen, dem i3 in seiner Urform noch einen finalen LCI zu spendieren.
    Der finanzielle Aufwand hielte sich in Grenzen, den Verkaufszahlen hätte es sicherlich nochmals nach oben verholfen.

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  2. Jürgen Baumann

    Respektabler Durchschnittsverbrauch: 13,9 kWh nach 466 Kilometern! Auch wenn es nicht so schnell voran ging und über die Berge mit zwei Personen plus Gepäck.

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