Es ist erst wenige Jahre her, da galten die Produkte von Tesla als schlecht verarbeitete Elektroautos mit einer futuristischen Software, die der Konkurrenz weit voraus war. Spätestens mit dem neuen, „Highland“ genannten Model 3, das inzwischen in Deutschland auf den Markt gekommen ist, hat der US-Hersteller in Sachen Verarbeitung deutlich aufgeholt. Was die Assistenzsysteme und vor allem den Autopiloten betrifft, bieten jedoch inzwischen schon Hersteller wie Opel bessere Produkte an. Das hat unser einwöchiger Praxistest mit einem neuen Tesla gezeigt.

Vor ziemlich genau fünf Jahren haben wir eines der ersten produzierten Model 3 in den USA für einen Tag lang Probe gefahren. Damals haben wir uns noch darüber mokiert, dass man die Türen mit Schwung zuwerfen musste, damit sie überhaupt ins Schloss fallen. Das ist bei der „Highland“-Version völlig anders. Schon auf der IAA 2023 in München waren Messebesucher ganz angetan von der verbesserten Tesla-Qualität, die inzwischen aus China stammt.

Schwieriges Blinken im Kreisverkehr

Vor fünf Jahre war es noch ungewohnt, ein Auto ohne Fahrerdisplay und fast ohne Schalter und Hebel zu bedienen. Doch Tesla hat das Konzept, Hardware durch Software zu ersetzen, noch weitergetrieben: Das neue Model 3 verfügt ebenso wie die neuen Model S und X weder über einen Blinker- noch einen Fahrwahlhebel. Fast alle Funktionen sind nur durch Taster und Scroll-Buttons auf den Lenkradspeichen und das zentrale Touchdisplay zu bedienen. Was hoffentlich keine Nachahmer bei anderen Herstellern findet.

Reduced to the Max
Durch den Verzicht auf Lenkradhebel und andere Tasten am Armaturenbrett wirkt der Innenraum sehr aufgeräumt.
Reduced to the Max
Durch den Verzicht auf Lenkradhebel und andere Tasten am Armaturenbrett wirkt der Innenraum sehr aufgeräumt.

Das gilt vor allem für den Verzicht auf den Blinkerhebel. Natürlich kann man sich daran gewöhnen, die beiden Taster künftig mit dem linken Daumen bedienen zu müssen. Das haptische Feedback ist zwar recht gering. Aber nach dem Betätigen eines Tasters wird auf dem Bildschirm auffällig das Bild der jeweiligen Kotflügelkamera eingeblendet. Zudem blinkt ganz oben am Bildschirmrand das Blinkersymbol.

Doch was vor einer normalen Kreuzung oder auf der Autobahn gut funktioniert, ist in einem Kreisverkehr oder in winkligen Straßen deutlich schwieriger. Denn anders als der Blinkerhebel ändert die Lenkradspeiche in einem Kreisel ihre Position stark, teilweise um fast 180 Grad. Es ist in diesem Fall deutlich einfacher, kurz mit der linken Hand den Blinkerhebel nach oben zu schlagen als unten auf dem Lenkrad den richtigen Taster zu suchen.

Flammendes Inferno im Display

In einem engen Kreisverkehr muss der Blinker daher mit dem rechten Daumen betätigt werden. Das ist sehr ungewohnt und dürfte nicht immer auf Anhieb gelingen. Zumal man sich in manchen Kreiseln als Fahrer ohnehin gestresst fühlt und ausreichend damit beschäftigt ist, die richtige Ausfahrt zu erwischen. Das Resultat dürfte sein, im Zweifel besser auf das Blinken zu verzichten. Dass inzwischen Nachrüstlösungen für den Hebel angeboten werden sollen, verwundert daher nicht.

Blinken per Knopfdruck
Die Blinkerhebel hat Tesla nun auch im Model 3 eingespart. Der Fahrtrichtungsanzeiger wird nun über zwei Tasten auf der linken Lenkradspeiche aktiviert - idealerweise vor dem Einlenken in die Kurve. Foto: Martin Wolf/golem
Blinken per Knopfdruck
Die Blinkerhebel hat Tesla nun auch im Model 3 eingespart. Der Fahrtrichtungsanzeiger wird nun über zwei Tasten auf der linken Lenkradspeiche aktiviert – idealerweise vor dem Einlenken in die Kurve. Foto: Martin Wolf/golem

Wenig hilfreich erscheint uns bisweilen das eingeblendete Kamerabild beim Spurwechsel auf der Autobahn. Auf regennasser Fahrbahn in der Dunkelheit gleicht der Monitor dann einem flammenden Inferno, weil der Regen die Blinkerscheinwerfer reflektiert. Die Warnung des Totwinkelassistenten hingegen ist als kleines rotes LED in der A-Säule kaum wahrnehmbar.

Automatisches Auswählen des Ganges möglich

Der Verzicht auf den Gangwahlhebel ist hingegen unproblematisch. Wenn das Fahrzeug steht und der Fahrer auf die Bremse tritt, erscheint ganz links auf dem Display eine schmale Spalte. Dort lässt sich mit dem Finger die Fahrtrichtung einstellen: nach oben für geradeaus und nach unten für den Rückwärtsgang. Für die Parkstellung gibt es ganz oben ein kleines Feld. Das geht auch beim Rangieren einigermaßen schnell.

Sollte der 15,4 Zoll große Zentralbildschirm einmal ausfallen, lässt sich das Auto dennoch in Bewegung setzen. In der Dachkonsole, rechts und links vom Schalter der Warnblinkanlage, sind Taster für die Fahrtrichtung angebracht. Diese sind allerdings normalerweise nicht zu sehen und leuchten erst dann, wenn man sie berührt oder beide Scroll-Buttons kurz gleichzeitig drückt.

Doch wie beim Model S oder X soll es oft gar nicht mehr notwendig sein, die Fahrtrichtung einzustellen. Dazu muss die Funktion „Automatisches Auswählen des Gangs aus der Parkposition (Beta)“ aktiviert sein. Das Auto wählt dann automatisch den Vorwärts- oder Rückwärtsgang entsprechend der Umgebung aus. Das hat in unserer Tiefgarage gut funktioniert. In anderen Fällen dürfte es jedoch nicht so eindeutig sein, welche Fahrtrichtung gerade gewünscht ist.

Automatischer Scheibenwischer unzuverlässig

Neu beim neuen Model 3 sind zudem drei fest mit Funktionen belegte Tasten auf der rechten Lenkradspeiche. Damit lassen sich jeweils die Umgebungskameras, der Scheibenwischer oder die Spracherkennung einschalten. Frei belegbare Tasten gibt es nicht mehr.

Vor allem die Scheibenwischertaste ist unverzichtbar, denn die automatische Scheinwerferfunktion ist wenig brauchbar. Auf unserer Testfahrt in strömendem Regen von Berlin nach Hamburg mussten wir das vierstufige System um mehrere Stufen nach oben justieren, damit die Scheibe ausreichend frei wurde.

Windschnittig
Das Tesla Model 3 "Highland" unterscheidet sich äußerlich kaum vom Vorgängermodell. Die Frontscheinwerfer ähneln nun stark denen des Model S. Und die Heckleuchten wurden in die Heckklappe integriert, um den cW-Wert zu verbessern.
Windschnittig
Das Tesla Model 3 „Highland“ unterscheidet sich äußerlich kaum vom Vorgängermodell. Die Frontscheinwerfer ähneln nun stark denen des Model S. Und die Heckleuchten wurden in die Heckklappe integriert, um den cW-Wert zu verbessern.

Vor allem beim Passieren eines Lkw auf nasser Fahrbahn wird die Scheibe so zugespritzt, dass die Wischer sofort anspringen sollten – was aber nicht geschah. Bei anderen Gelegenheiten schalteten sich hingegen die Wischer ein, obwohl es überhaupt nicht regnete. Ist in diesem Fall der Autopilot aktiviert, lassen sich die Scheibenwischer auch manuell nicht ausschalten.

Der Regen ist aber auch ein Problem für die kamerabasierten Assistenzsysteme. Auf der Testfahrt erschienen praktisch permanent Warnhinweise. Diese lauteten unter anderem: „Spurhaltekorrektur-Funktionen nicht verfügbar“, „Kamera rechte Türsäule blockiert/geblendet“, „Mehrere Kameras blockiert oder geblendet  oder „Schlechtes Wetter erkannt – Mit Autopilot navigieren nicht verfügbar“.

Wobei uns der Autopilot ziemlich genervt hat – wenn er denn verfügbar war. Weiter geht es hier.

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7 Kommentare

  1. Matthias Moser

    Über Geschmack darf man nicht streiten, er ist zum Glück verschieden. Streiten darf man aber sehr wohl über die Art ein Fahrzeug zu bedienen. Und dabei übertreibt es Tesla m. E. doch stark. Die Bedienung muß auch noch nachts, bei Ablenkung durch Mitfahrer oder nach einem anstrengenden Geschäftstag zuverlässig und eingeübt erfolgen. Dafür benötigt es vertraute Elemente. Ich gehöre auch zu denen, die die zunehmende „Touchisierung“ aller Marken sehr kritisch sehen. Aber den Blinkerhebel z.B. auf die aufgezeigte Weise einzusparen, halte ich für sehr gefährlich.
    Und noch eine Bemerkung an alle Teslafans: Vergleicht mal die Assistenzfunktionen der „ach so schlechten“ deutschen Hersteller mit denen von Tesla. Tuts einfach mal… es ist nicht nur die Wischerfunktionalität, die einfach nur schlecht ist.

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    • Edna

      Zitat
      „Als Käufer sollte man sich außerdem die Frage stellen, ob man nicht lieber doch ein Auto fährt, das auf Autobahnen kein rollendes Sicherheitsrisiko darstellt.“
      Zitat Ende.
      Kann mir den mal einer erklären?

      Antworten
      • Franz W. Rother

        Das bezieht sich auf den sogenannten „Autopiloten“ bei Tesla.

        Antworten
      • M3P

        Die Teslas neigen dazu (nicht nur) auf der Autobahn ohne Vorankündigung den Anker zu werfen. Je nach Verkehrslage und Situation kann dann schonnmal schnell das nachfolgende Fahrzeug im Heck landen.

        Fahre seit 2 Jahren ein Model 3 Performance. Die grundlose Spontanbremsung ist mir selbst schon 3 mal begegnet, davon auch 1x auf der Autobahn. Gott sei Dank hat es bei mir nicht zu Unfällen geführt, wobei es einmal mächtig knapp war, da fehlten keine 5 cm mehr zwischen mir und Hintermann.

        Antworten
  2. Christian Riedrich

    Das ist der erste Artikel der eigentlich durchwegs negativ ist.
    Entweder ist das der einzig wahre und alle anderen Artikel sind von Fanboys geschrieben oder hier werden einfach bewusst Schwachstellen kreiert.
    Ich mach mir selbst einen Eindruck.

    Antworten
    • Tin

      @Christian Riedrich

      Guten Entscheidung :

      Setz dich vorher mal in ein Auto eines deutschen Selbsternannten deutschen Premiumherstelles und du wirst schnell feststellen wieviel unverkleiderter Hartplastik dort im Vergleich verbaut ist .Tesla Softwareupdates over the Air gehen automatisch .Bei Opel VW und wie sie alle heißen bekommst du eine Datei per Email die du dann runterladen und auf einen Stick bringen musst .
      Dann den Stick ins auto zum installieren stecken .Wenns gut läuft brauchst du einen halben bis ganzen Tag .Und wenn das Auto den Stick nicht erkennt hast du Spaß.
      Tesla Model 3 Highland abzüglich Prämie ca.36 000 Euro …Guter Deal .

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    • M3P

      Das ist der erste Artikel, der sich annähernd mit meinen Erfahrungen deckt. Fahre seit 2 Jahren ein Model 3 Performance. Fahrverhalten Top, Assistenzsysteme überwiegend Flop:

      – Scheibenwischerassistent ist richtig mies umgesetzt, wie im Artikel oben beschrieben
      – Autopilot nicht wirklich brauchbar, wie oben im Artikel beschrieben. Dazu kommt, dass selbst dann, wenn man innerorts nur den Tempomat, also nicht den Autopilot nutzt, das Auto an JEDER Ampel halten will, egal ob rot oder grün. Um eine grüne Ampel zu passieren muss ich entweder durch Antippen des Gaspedals oder des Tempomathebels quittieren, dass die Ampel wirklich grün ist. System ist damit für mich unbrauchbar, weil extrem nervig.
      – Automatisch abblendende Innen- und Außenspiegel sind bei anderen Herstellern mittels lichtempfindlicher Sensoren umgesetzt. Bei Tesla werden die Spiegel um 21 Uhr dunkel, mit dem Ergebnis, dass man darin nichts mehr sieht, was am störendsten beim Parken an Bordsteinen ist, da man den Abstand zwischen Hinterrad und Bordstein nicht mehr sehen kann. Ist bei mir deshalb dauerhaft deaktiviert.

      Könnte die Liste hier noch beliebig fortsetzen (Fernlichtassistenz, Parkassistent, automatisches Entriegeln bei Annährung mit dem Handyschlüssel, Herbeirufen, und und und). Alles in allem alles andere als überzeugend. Leider läuft mein Leasingvertrag noch 3 Jahre… danach wirds aber sicher nicht wieder ein Tesla werden.

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