Noch immer kein kapazitive Freihanderkennung

Wir schreiben demnächst das Jahr 2024 und Tesla ist immer noch nicht willens, eine kapazitive Freihanderkennung anzubieten. Stattdessen ist ein recht kräftiges Lenkmoment erforderlich, um nach einigen Sekunden die Aufmerksamkeit des Fahrers zu bestätigen. Selbst bei Herstellern wie Opel genügt im vollelektrischen Astra dafür eine leichte Berührung mit der Hand.

Bei Tesla ist es hingegen für eine Bestätigung weiterhin nicht ausreichend, auf gerader Strecke das Lenkrad mit beiden Händen festzuhalten. Das hat während der Testfahrt regelmäßig dazu geführt, dass sich der Autopilot mit grellroten Warnhinweisen deaktiviert hat. Denn nicht immer registriert man den akustischen Warnton und das kleine rote Lenkradsymbol im Display. Obwohl normalerweise knapp 15 Sekunden für die Lenkbewegung bleiben, kann aus teilweise unerfindlichen Gründen schon nach zwei oder drei Sekunden die Deaktivierung erfolgen.

Was die Sache umso ärgerlicher macht: Anders als bei allen anderen Herstellern ist dann der Autopilot während der Fahrt nicht mehr nutzbar. Wir mussten daher auf der Strecke zwischen Hamburg und dem Dreieck Wittstock/Dosse fünfmal auf einen Parkplatz fahren, um das System durch einen kurzen Stopp wieder aktivieren zu können.

Verkehrszeichenerkennung weiter unzuverlässig

Doch das ist nicht das einzige Defizit. Nicht sehr zuverlässig ist weiterhin die Verkehrszeichenerkennung. Wobei die eigentliche Erkennung durch die Kameras recht gut zu funktionieren scheint. Jedoch tauchen im System plötzlich Tempolimits auf, obwohl es gar keine Schilder dafür gibt. Möglicherweise sind die Limits in den Navigationsdaten hinterlegt, die offenbar nicht mehr aktuell sind.

Eingeschränkte Garantie
Das über den Tochscreen abrufbare Bediener-Handbuch nennt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die beim Tesla Model 3 zu einem Ausfall des Lenkassistenten führen können. Foto: Greis
Eingeschränkte Garantie
Das über den Tochscreen abrufbare Bediener-Handbuch nennt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die beim Tesla Model 3 zu einem Ausfall des Lenkassistenten führen können. Foto: Greis

So nimmt Tesla auf der A 24 zwischen Wittstock/Dosse und Berlin weiterhin ein Tempolimit von 130 km/h an, obwohl dieses im März 2023 aufgehoben wurde. Am Kreuz Barnim sprang das Limit von 120 auf 80 km/h, obwohl wir gerade an einem 120er-Schild vorbeigefahren waren.

Vor dem Dreieck Pankow wechselte das Limit innerhalb weniger Hundert Meter von unbeschränkt auf 120 km/h, dann auf 80 km/hund wieder auf unbeschränkt, ohne dass ein einziges Schild zu sehen war. In dieser extremen Form ist uns das in den vergangenen Jahren bei keinem anderen Fahrzeug aufgefallen. Die falschen Angaben verunsichern zum einen den Fahrer, zum anderen können sie auch dazu führen, dass sich das Auto unerwartet verlangsamt oder dass zu schnell gefahren wird.

Doch es gibt noch weitere Dinge, die uns stören.

Spurwechselassistent nicht immer hilfreich

So funktioniert der Autopilot dauerhaft nur in Verbindung mit dem automatischen Spurwechsel, wenn das entsprechende Extra installiert ist. Betätigt der Fahrer den Blinker, so reicht eine leichte Bewegung des Lenkrads, damit das Model 3 selbstständig die Spur wechselt. Ist die Bewegung zu leicht, reicht es jedoch für einen Wechsel nicht aus. Ist sie zu stark, schaltet sich der Autopilot ab.

Das ist auch dann der Fall, wenn man für den Spurwechsel selbst das Lenkrad in die Hand nimmt. Dafür gibt es häufig Gründe, denn das System wechselt eher behäbig die Spur und braucht den entsprechenden Platz. Wenn man aber den Autopiloten nach dem manuellen Spurwechsel neu aktiviert, stimmt häufig die vorher eingestellte Geschwindigkeit nicht mehr. Leider ist der Scroll-Button nicht sehr komfortabel, um das Limit neu einzustellen.

Angstbremsung auf der Autobahn

Doch selbst der normale Abstandsregeltempomat, den wir wegen der Zwangsabschaltungen des Autopiloten häufig nutzten, hat seine Tücken. So ist es mehrfach vorgekommen, dass sich das eingestellte Limit unvermutet stark reduzierte, beispielsweise von 120 auf 70 km/h. Dabei blieb das angezeigte Tempolimit der Strecke unverändert. Warum das System das Limit änderte, erschloss sich uns nicht.

Steuerzentrale
Der zentrale Bildschirm, über den fast alle Funktionen gesteuert werden, ist unverändert groß. Durch einen schmaleren Rahmen kommt er aber nun auf eine leicht größere Bilddiagonale von 15,4 Zoll (39 cm). Foto: Martin Wolf/golem
Steuerzentrale
Der zentrale Bildschirm, über den fast alle Funktionen gesteuert werden, ist unverändert groß. Durch einen schmaleren Rahmen kommt er aber nun auf eine leicht größere Bilddiagonale von 15,4 Zoll (39 cm). Foto: Martin Wolf/golem

Ebenfalls erlebten wir eine der berüchtigten Phantombremsungen von Tesla. In diesem Fall war es wohl eine „Angstbremsung“, weil neben uns ein Transporter relativ weit links in seiner Spur fuhr. Der Grund dafür spielt keine Rolle: Dem Fahrer fährt auf jeden Fall ein ordentlicher Schreck in die Glieder, wenn das Auto auf der Autobahn unvermutet in die Bremsen steigt. Das kann schließlich schnell zu einem Auffahrunfall führen.

Insgesamt führt das Verhalten des Fahrzeugs dazu, dass man den Assistenzsystemen wenig Vertrauen schenkt. Daher trägt der Autopilot anders als bei anderen Marken im Grunde nicht dazu bei, auf langen Autofahrten den Fahrer zu entlasten. Von Freihandsystemen, wie sie Ford („Blue Cruise“) für den Mustang Mach-E oder BMW für den i5 inzwischen entwickelt haben, ist Tesla in Europa noch meilenweit entfernt.

Einparkhilfe liegt meist daneben

Doch bekanntlich hat Elon Musk nicht nur Taster und Hebel durch Software ersetzt. Das neue Model 3 hat auch keine Ultraschallsensoren mehr, um das Einparken zu erleichtern. Stattdessen sollen die Kameras die Entfernung zu Hindernissen einschätzen. Das funktioniert in der Praxis allerdings noch nicht mit der gleichen Genauigkeit.

So waren die 45 cm Abstand zu unserer Tiefgaragenwand in der Realität nur 20 cm. Die 67 cm zu einer Ladesäule entsprachen hingegen laut Zollstock 90 cm. Bewegt sich ein Mensch um das Fahrzeug herum, ist das auf der grafischen Darstellung der Fahrzeugumgebung kaum wahrzunehmen. Es ist beim Einparken daher am sichersten, sich direkt auf die Kamerabilder zu verlassen. Ohnehin gibt es häufig die Warnung: „Einparkhilfe ist eingeschränkt – Entfernungsschätzungen können ungenau sein“

Gibt es denn auch positive Aspekte an dem Model 3? Das erfahren Sie auf der nächsten Seite.

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7 Kommentare

  1. Matthias Moser

    Über Geschmack darf man nicht streiten, er ist zum Glück verschieden. Streiten darf man aber sehr wohl über die Art ein Fahrzeug zu bedienen. Und dabei übertreibt es Tesla m. E. doch stark. Die Bedienung muß auch noch nachts, bei Ablenkung durch Mitfahrer oder nach einem anstrengenden Geschäftstag zuverlässig und eingeübt erfolgen. Dafür benötigt es vertraute Elemente. Ich gehöre auch zu denen, die die zunehmende „Touchisierung“ aller Marken sehr kritisch sehen. Aber den Blinkerhebel z.B. auf die aufgezeigte Weise einzusparen, halte ich für sehr gefährlich.
    Und noch eine Bemerkung an alle Teslafans: Vergleicht mal die Assistenzfunktionen der „ach so schlechten“ deutschen Hersteller mit denen von Tesla. Tuts einfach mal… es ist nicht nur die Wischerfunktionalität, die einfach nur schlecht ist.

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    • Edna

      Zitat
      „Als Käufer sollte man sich außerdem die Frage stellen, ob man nicht lieber doch ein Auto fährt, das auf Autobahnen kein rollendes Sicherheitsrisiko darstellt.“
      Zitat Ende.
      Kann mir den mal einer erklären?

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      • Franz W. Rother

        Das bezieht sich auf den sogenannten „Autopiloten“ bei Tesla.

        Antworten
      • M3P

        Die Teslas neigen dazu (nicht nur) auf der Autobahn ohne Vorankündigung den Anker zu werfen. Je nach Verkehrslage und Situation kann dann schonnmal schnell das nachfolgende Fahrzeug im Heck landen.

        Fahre seit 2 Jahren ein Model 3 Performance. Die grundlose Spontanbremsung ist mir selbst schon 3 mal begegnet, davon auch 1x auf der Autobahn. Gott sei Dank hat es bei mir nicht zu Unfällen geführt, wobei es einmal mächtig knapp war, da fehlten keine 5 cm mehr zwischen mir und Hintermann.

        Antworten
  2. Christian Riedrich

    Das ist der erste Artikel der eigentlich durchwegs negativ ist.
    Entweder ist das der einzig wahre und alle anderen Artikel sind von Fanboys geschrieben oder hier werden einfach bewusst Schwachstellen kreiert.
    Ich mach mir selbst einen Eindruck.

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    • Tin

      @Christian Riedrich

      Guten Entscheidung :

      Setz dich vorher mal in ein Auto eines deutschen Selbsternannten deutschen Premiumherstelles und du wirst schnell feststellen wieviel unverkleiderter Hartplastik dort im Vergleich verbaut ist .Tesla Softwareupdates over the Air gehen automatisch .Bei Opel VW und wie sie alle heißen bekommst du eine Datei per Email die du dann runterladen und auf einen Stick bringen musst .
      Dann den Stick ins auto zum installieren stecken .Wenns gut läuft brauchst du einen halben bis ganzen Tag .Und wenn das Auto den Stick nicht erkennt hast du Spaß.
      Tesla Model 3 Highland abzüglich Prämie ca.36 000 Euro …Guter Deal .

      Antworten
    • M3P

      Das ist der erste Artikel, der sich annähernd mit meinen Erfahrungen deckt. Fahre seit 2 Jahren ein Model 3 Performance. Fahrverhalten Top, Assistenzsysteme überwiegend Flop:

      – Scheibenwischerassistent ist richtig mies umgesetzt, wie im Artikel oben beschrieben
      – Autopilot nicht wirklich brauchbar, wie oben im Artikel beschrieben. Dazu kommt, dass selbst dann, wenn man innerorts nur den Tempomat, also nicht den Autopilot nutzt, das Auto an JEDER Ampel halten will, egal ob rot oder grün. Um eine grüne Ampel zu passieren muss ich entweder durch Antippen des Gaspedals oder des Tempomathebels quittieren, dass die Ampel wirklich grün ist. System ist damit für mich unbrauchbar, weil extrem nervig.
      – Automatisch abblendende Innen- und Außenspiegel sind bei anderen Herstellern mittels lichtempfindlicher Sensoren umgesetzt. Bei Tesla werden die Spiegel um 21 Uhr dunkel, mit dem Ergebnis, dass man darin nichts mehr sieht, was am störendsten beim Parken an Bordsteinen ist, da man den Abstand zwischen Hinterrad und Bordstein nicht mehr sehen kann. Ist bei mir deshalb dauerhaft deaktiviert.

      Könnte die Liste hier noch beliebig fortsetzen (Fernlichtassistenz, Parkassistent, automatisches Entriegeln bei Annährung mit dem Handyschlüssel, Herbeirufen, und und und). Alles in allem alles andere als überzeugend. Leider läuft mein Leasingvertrag noch 3 Jahre… danach wirds aber sicher nicht wieder ein Tesla werden.

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