Was ist gelb und gehört zum amerikanischen Straßenbild wie die Cola zum Burger und das Popcorn zum Kino? Nein, nicht das New Yorker Taxi, das in anderen Städten schließlich auch andere Farben trägt und ohnehin so langsam von Uber verdrängt wird. Sondern es ist der Schulbus. Denn als 1850 erst in Massachusetts und kurz darauf in den gesamten USA eine Schulpflicht eingeführt wurde, wurde den Politiker schnell bewusst, dass es zu deren Umsetzung in einem Flächenland wie den Vereinigten Staaten auch ein Beförderungsangebot braucht.

Erst mit Pferdefuhrwerken, später mit Bussen werden seitdem Tag für Tag die Schüler eingesammelt und nachmittags wieder nach Hause gebracht. Seit 1930 in Schulbussen mit jenem charakteristischen Farbton, den die Behörden „National Schoolbus Chrome Yellow“ nennen und für die über 40 besondere Sicherheitsregeln gelten. Nur für Kinderwagen gelten wahrscheinlich noch härtere Regeln, stöhnt einer der Verantwortlichen. 

Wendepunkt 
Wenn der vollelektrische Schulbus seine 81 Passagiere abgesetzt hat, bleibt dem Fahrer viel Zeit für den Ladevorang: Erst am frühen Nachmittag steht die Rückfahrt an. Fotos: Daimler Trucks
Wendepunkt
Wenn der vollelektrische Schulbus seine 81 Passagiere abgesetzt hat, bleibt dem Fahrer viel Zeit für den Ladevorang: Erst am frühen Nachmittag steht die Rückfahrt an. Fotos: Daimler Trucks

Weil die USA so groß sind und rund 26 Millionen Schüler haben, ist die Flotte auf mittlerweile rund eine halbe Million Fahrzeuge angewachsen und ist damit die größte Nachverkehrsflotte der Welt, sagt Mario diFoggio. Er ist Marketing-Chef bei der Daimler-Tochter Thomas Built Busses, die sich mit zwei weiteren US-Marken den Markt von bis zu 40 000 Neufahrzeugen im Jahr teilt – und gerade eine Revolution anzettelt.

Denn seit kurzem lockt das Unternehmen Schüler, Lehrer, Busfahrer und vor allem die Schulbezirke mit „Jouley“ in ein neues Zeitalter. Den 260 PS starken Cummins-Diesel unter der wuchtigen Haube des 12 Meter langen Sympathieträgers haben seine Ingenieure rausgeschmissen und stattdessen gemeinsam mit dem kalifornischen Spezialisten Proterra eine E-Maschine mit 295 PS installiert, die aus Batterien mit einer Kapazität von 220 kWh gespeist wird. Damit soll sich mit dem Elektro-Schulbus eine Reichweite von etwa 138 Meilen oder umgerechnet 228 Kilometern darstellen lassen.

90 kW Ladeleistung müssen reichen

Natürlich taugt das nicht für die Greyhounds, die wie bei uns die Flixbusse noch immer kreuz und quer durchs Land fahren und sich tapfer der Konkurrenz des Flugzeugs erwehren. Und selbst für Stadtbusse ist das womöglich zu wenig, weil die schließlich rund um die Uhr fahren sollen, räumt diFoggio ein. „Doch für die Elektrifizierung des Busses gibt es keinen dankbareren Bereich als den Schulverkehr. Schließlich legen unsere Busse auf den immer gleichen Routen jeden Morgen sehr überschaubare Distanzen zurück, bevor sie während der Schulzeit auf dem Parkplatz stehen und erst am Nachmittag für die gleichen Routen wieder eingesetzt werden.“

Selbst wenn der Akku nicht für beide Touren reichen sollte, bleibt dazwischen deshalb genügend Zeit zum Laden, erläutert der Marketing-Mann. Dabei ist Jouley auch an der Steckdose eher einer von der gemütlichen Truppe: Mehr als 90 kW Ladeleistung sind nicht möglich. Ein Ladestopp dauert so gut zwei Stunden. An einer 60 kW-Station gönnt sich der gelbe Schulbus sogar noch ein Stündchen mehr. 

Einstecken - und warten
Bis zu zwei Stunden dauern die Ladepausen, wenn der Schulbus an eine Schnellladesäule angesteckt wird. Denn geladen wird der Gleichstrom maximal mit 90 Kilowatt. An einer 60 kW-Station dauert der Ladevorgang noch eine Stunde länger.
Einstecken – und warten
Bis zu zwei Stunden dauern die Ladepausen, wenn der Schulbus an eine Schnellladesäule angesteckt wird. Denn geladen wird der Gleichstrom maximal mit 90 Kilowatt. An einer 60 kW-Station dauert der Ladevorgang noch eine Stunde länger.

Macht nichts, wir haben ja Zeit, sagt Jeff Hauswald. Er leitet den Schulbezirk im Monroe County in Indiana und ist einer der Pilotkunden für den Busbauer aus North Carolina. Mit einer Flotte von 150 Fahrzeugen für seine 11.000 Schüler zählt er gemessen etwa an Los Angeles mit über 3000 Schulbussen zu den kleineren Abnehmern. Trotzdem hat er bereits drei Jouleys im Einsatz – und die nächsten sind schon bestellt. 

Elektrobus spart bei Personal und Energie

Dabei geht es ihm nicht nur um die Umwelt, sondern auch ums Geld: „Klar ist der E-Antrieb teurer als ein Diesel und wir müssen erst noch eine passende Infrastruktur aufbauen“, sagt Hauswald. „Aber wir haben alleine drei hauptamtliche Angestellte, die den lieben langen Tag nichts anders machen, als bei unseren Bussen das Öl zu wechseln. Die können wir dann mit anderen Arbeiten betrauen“, lobt er die Wartungsfreundlichkeit des neuen Gefährts. Und auch die 1.800 Dollar im Monat an Spritkosten fällig werden, kann er sich sparen. Denn der Strom für Jouley kostet ihn gerad mal acht Dollar am Tag. 

Mittelfristig wird es sogar noch billiger: Statt weiter Strom aus der Steckdose zu ziehen, plant er eine für die Busse riesige Carports, die oben mit Solarzellen und unten mit Schnellladern ausgestattet sind. Und weil das Gros der Flotte während der in den USA besonders langen Sommerferien gar nicht bewegt wird, hat er deren Akkus bereits als Pufferspeicher ans örtliche Elektrizitätswerk vermietet. „So zahlen sich die Busse über die Zeit fast von selbst“. 

Busfahrer begeistert die Laufruhe

Hauswalds Mannschaft ist nach anfänglicher Skepsis so begeistert, dass sie die Busfahrer nun morgens um Jouley streiten. Dass die elektrische Lady beim Personal gut ankommt, kann man verstehen. Denn wer sich einmal hinter das Steuer setzt und eine Platzrunde dreht, erlebt auch im Schulbus die Vorzüge der Elektromobilität: Das hohe Anfahrdrehmoment, die sämige Beschleunigung und vor allem die Ruhe: Kein Dieselgebrüll und keine Vibrationen stören die überraschend flotte Fahrt. Das lauteste sind die Kollegen, die hinten aufgeregt schnattern, als gingen sie noch einmal auf Klassenfahrt. 

Saubere Luft und ganz viel Ruhe 
Nicht nur bei den Fahrern, auch bei den Schülern kommt "Jouley" bestens an.
Saubere Luft und ganz viel Ruhe
Nicht nur bei den Fahrern, auch bei den Schülern kommt „Jouley“ bestens an.

Auch die Schüler mögen ihre elektrischen Schulbusse, behauptet Hauswald und rühmt die saubere Luft und vor allem die Ruhe. Denn Lärm potenziert sich. Und wenn die ersten Passagiere den Diesel übertönen und die nächsten die Schüler vor ihnen, dann klingeln kurz darauf denen in der letzten Bank die Ohren, stöhnt der Bildungsbeamte.

Lieferprobleme bremsen die Antriebswende

Spätestens beim Platzwechsel beschleicht einen aber der Eindruck, dass die Kids im Schulbus vielleicht ganz andere Sorgen haben als die Frage des Antriebs. Weil hier auf gerade mal zwölf Metern Länge bis zu 81 Kinder in die eher auf Sicherheit als auf Komfort hin optimierten Bänke gestopft werden dürfen, geht es dort vergleichsweise eng zu. Ans Abschreiben der Hausaufgaben ist auf den schmalen Polstern jedenfalls kaum zu denken. Aber das ist natürlich kein Spezifikum der E-Version, sondern bei konventionellen Schulbussen auch nicht anders.

Die ersten Jouleys haben sich bereits im Alltag bewährt. Und seitdem die Regierung in Washington im Kampf gegen die Inflation und fürs Klima einen „Clean-Schoolbus-Act“ erlassen und fünf Milliarden Dollar für die Anschaffung grüner „Yellow Busses“ bereitgestellt hat, stört sich auch niemand mehr am dreifachen Kaufpreis der Stromer. Dass trotzdem erst der 200. Jouley ausgeliefert wurde, liege an den beschränkten Kapazitäten, sagt Marketing-Mann diFoggio. Er kann deshalb nur hoffen, dass seine Kollegen in der Entwicklungsabteilung nicht zu BYD und anderen chinesischen Herstellern überlaufen, die mit Elektro-Bussen ebenfalls massiv auf den Markt drängen. Denn der Schulverwalter ist ungeduldig und würde lieber heute als morgen seine ganze Flotte elektrifizieren. Doch so wird es wohl noch bis 2029 dauern, bis alle Schulbusse ausgetauscht sind. 

Kurze Strecken mit geringem Tempo
Für Marketingmann Mario DiFoggio gibt es für die Elektrifizierung der Busse keinen dankbareren Bereich als den Schulverkehr: Sie fahren täglich die immer gleichen Routen und auch nur sehr überschaubare Distanzen.
Kurze Strecken mit geringem Tempo
Für Marketingmann Mario DiFoggio gibt es für die Elektrifizierung der Busse keinen dankbareren Bereich als den Schulverkehr: Sie fahren täglich die immer gleichen Routen und auch nur sehr überschaubare Distanzen.

Zwar mag sich ein Schulbus besonders gut für die Elektrifizierung eignen. Aber das US-Beispiel ist nicht so ohne weiteres auf Deutschland übertragbar. Denn hier transportieren die Busse morgens Pennäler, später Berufspendler im regulären Liniendienst. Und weil Deutschland bei der Schulpolitik die Kleinstaaterei betreibt, wird es hierzulande ohnehin keine konzertierte Aktion geben.

„Jahrzehnt des E-Busses hat begonnen“

Doch auch bei uns hat die Antriebswende längst den Nahverkehr erfasst: „Das Jahrzehnt des E-Busses hat begonnen,“ sagt Maximilian Rohs vom Wirtschaftsprüfer PwC und verweist auf eine aktuelle Erhebung seines Hauses: Wurden danach 2020 gerade einmal 357 E-Busse in Betrieb genommen, waren es im letzten Jahr schon 596. Bis zum Ende des Jahrzehnts wollen die Verkehrsunternehmen laut Rohs stand heute weitere 5 500 Busse mit Akku-Antrieb beschaffen. Allerdings hat die Branche auch noch einen weiten Weg vor sich, so der Experte: Aktuell machen insgesamt 1.269 Elektrobusse (stand 2021) erst rund 2,4 Prozent an den insgesamt rund 54.000 Bussen im öffentlichen Nahverkehr aus. Bezieht man den Anteil allein auf die rund 35.000 Stadtbusse, liegt er allerdings bereits bei 3,6 Prozent. Und genau wie in den USA ist die Flotte keineswegs gleichmäßig verteilt: In nur sieben Bundesländern fahren jeweils mehr als 80 elektrifizierte Busse – wobei Nordrhein-Westfalen (297) vor Hessen und Hamburg an der Spitze steht. 

Bus sendet Ankunftszeit an die Eltern

Die Umwelt profitiert, die Fahrer und die Kinder sind zufrieden und die Stadt spart mittelfristig sogar Geld – eigentlich gibt es bei der Umstellung nur Gewinner, sagt Schulbürokrat Hauswald aus Indiana. Aber nicht alle sind mit der neuen Welt zufrieden, räumt der Beamte ein – denn immer wieder beschweren sich Eltern, dass sie den Schulbus nicht mehr hören und deshalb nicht wissen, wann ihre Kinder nach Hause kommen.

Für Thomas Built Busses ist das allerdings kein Grund, die Antriebswende zu stoppen. Den Kritikern nimmt das Unternehmen nun mit smarter Technik den Wind aus dem Segeln: Jouleys Weg kann in Echtzeit auf dem Bildschirm verfolgt werden. Und weil jedes Kind beim Ein- und Aussteigen seinen Schülerausweis einscannt, gibt es für die Eltern auf Wunsch auch eine Kurznachricht aufs Smartphone.

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