Herr Rosberg, Sie haben einmal gesagt, Mobilität, Wettbewerb, Vorankommen seien ihr Lebensthema. Nun waren Sie über Wochen wegen Corona zum Stillstand gezwungen. Wie sind sie mit diesen Beschränkungen zurechtgekommen?
Wir haben großes Glück, wir sind gerade in unserem Haus auf Ibiza mit großem Garten und wir verbringen hier eine schöne Zeit mit viel Familienleben. Wir haben etwa die Gelegenheit genutzt, einen Gemüsegarten mit unseren Kindern anzulegen, die zwei und vier sind. Und hier ist auch schon Sommer mit tollem Wetter.
Der erzwungene Stillstand hat mich dazu gebracht, über das Leben generell nachzudenken – wie viele gerade. Mir ist noch klarer geworden, wie wichtig die Zeit mit der Familie ist. Und das ich doch die ganze Reiserei und die vielen Projekte etwas reduzieren sollte.
Glauben Sie, dass sich unser Mobilitätsverhalten nach dem Abebben der Pandemie ändert?
Ich denke, kurzfristig wird der Individualverkehr einen Schub erleben, während der Nahverkehr eher leidet – aus Angst vor Ansteckungen. Aber langfristig wird das Bewusstsein bei den Menschen wachsen, dass Fliegen auf kurzen und mittleren Strecken problematisch ist. Auf Distanzen wie von Frankfurt nach München wird der Zug gewinnen, da bin ich sicher. Auch das Bewusstsein für den Klimaschutz wird nach Corona einen kräftigen Schub bekommen.
Fürchten Sie nicht, jetzt wird erst einmal das Ankurbeln der Wirtschaft, das Sichern von Arbeitsplätzen im Vordergrund stehen? Und umgekehrt die Bereitschaft sehr gering sein wird, etwas für den Klimaschutz zu tun?
Da müssen wir sicherlich eine Balance finden. Es wird jetzt darüber debattiert, auch den Verkauf von Fahrzeugen mit modernem Verbrennungsmotor über einen staatlichen Zuschuss zu fördern. Falls man diesen Weg geht, denke ich, dass so eine breit angelegte Kaufprämie durchaus Sinn macht – auch wenn ich ein großer Fan der Elektromobilität bin. Aber in diesen schwierigen Zeiten muss die Politik einen Ausgleich finden und ich bin kein Freund extremer Positionen. Noch hängt ein großer Teil der Umsätze in der Autoindustrie vom Verbrenner ab. Das müssen wir im Auge behalten und daher kann auch die Umstellung auf die Elektromobilität nur Schritt für Schritt erfolgen. Mit am wichtigsten ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Auch das ist ein Kaufanreiz für Elektroautos.
So oder so wird sich die Elektromobilität weiter durchsetzen. Ich habe mit Vorständen von ein paar großen Autobauern in Deutschland gesprochen. Die haben mir gesagt, wir haben so viel in die Elektromobilität investiert, da fahren wir erst einmal diese Produktion hoch und bringen nicht so schnell die Diesel-Fertigung auf den alten Stand zurück. Auch um Geld zu sparen. Und die Kunden werden sich ebenfalls eher für Elektroautos interessieren, sofern diese im Unterhalt genauso erschwinglich sind wie Verbrenner.
Sie selbst haben ja einen erstaunlichen Wandel vollzogen: Vom Rennfahrer, der mit seinen Formel-1-Gefährt viel CO2 in die Atmosphäre gepustet hat, hin zu jemanden, der sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit engagiert. Was war Ihr Schlüsselerlebnis, das Sie vom Saulus zum Paulus werden ließ?
Erst einmal vorweg: Der Formel-1-Motor ist derzeit der wahrscheinlich effizienteste Motor auf der Welt. Und damit – in Relation zu anderen Verbrennern – auch der klimafreundlichste. Und wenn wir umgekehrt ein Elektroauto mit Kohlestrom betreiben, ist das auch nicht gerade gut für die Umwelt. Das ändert sich erst, wenn ausreichend sauberer Strom bereitsteht.
Zurück zu Ihrer Frage. Für mich gab es nicht einen einzigen Aha-Moment, sondern eher drei. Den ersten erlebte ich, während ich über zehn Jahre hinweg Psychologie studiert habe. Dabei habe ich eine Botschaft mitgenommen: Nur wer anderen, der Gesellschaft, Gutes tut, kann selbst ein gutes Leben führen. Das gute Karma kommt dann zurück. Davon bin ich sehr überzeugt.
Ich habe mich auch immer gefragt, was ich als Unternehmer Gutes tun kann. Ich hatte dann mein nächstes Aha-Erlebnis, als Daimler mir seine Zukunftslabore gezeigt hat und seine Pläne zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren. Da habe ich beschlossen, mich für diese Technologien als Geschäftsmann zu engagieren.
Und das dritte Aha-Moment lieferten meine Kinder. Ich möchte, dass sie stolz auf das sind, was ich als Unternehmer tue. Und ich möchte sie inspirieren, ein Leben zu führen, in dem auch sie Gutes für andere tun. Das ist eine große Herausforderung, die in meiner Kindheit zu kurz kam. Ich habe das nicht so auf den Weg bekommen, ein Leben zu führen, in dem ich für andere da bin. Und aus dieser Perspektive heraus ist das Umweltthema nun einmal eines der wichtigsten Dinge unserer Zeit.
Und klopfen Ihnen die Kinder schon mal auf die Finger in Sachen Umweltschutz?
Durchaus. Vor Corona waren wir gemeinsam am Strand und haben etwas gegessen. Dort gab es nur Kunststoffbesteck und meine älteste Tochter hat bereits in der Kita gelernt: Schildkröten essen Plastik und sterben dadurch. Und da hat sie gesagt, Papa, das geht so nicht. Ich finde es schön, wie sich ihr Bewusstsein entwickelt. Und sie ist ganz stolz darauf, dass wir jetzt Metallstrohhalme Zuhause benutzen statt Wegwerfhalme aus Kunststoff. Das sind Beispiele, wo wir versuchen einen Beitrag zu leisten, auch wenn wir bei weitem nicht perfekt sind. Ich werde auch nach Corona wieder fliegen. Und ich gestehe: Ich fahre hier auf der Insel ein Dieselauto.
Privat benutzen Sie kein Elektroauto?
Doch, in Monaco fahren wir den Renault Twizy, gemietet per Carsharing. Nicht nur wegen der Umwelt, sondern auch weil es ungemein effizient ist. Denn mit dem kleinen Wagen kann ich auf Motorradparkplätzen parken und kriege immer direkt vor dem Büro einen Stellplatz. Das verbindet für mich fast perfekt Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, warum Nico Rosberg keinen eigenen Rennstall managen will.