Der Volkswagen-Konzern will trotz angeblicher Softwareprobleme beim neuen Elektroauto ID.3 den Verkaufsstart nicht verschieben. „Der Zeitplan des ID.3 steht: Die Weltpremiere fand auf der IAA 2019 statt, Produktionsstart war im November 2019 und die Markteinführung des ID.3 folgt wie geplant im Sommer 2020“, teilte Firmensprecher Tim Fronzek auf Anfrage von Golem.de mit. Zuvor hatte das Manager Magazin berichtet, dass intern Negativszenarien kursierten, wonach sich die Markteinführung um drei bis zwölf Monate verzögern könnte.
Volkswagen hatte die Produktion des ID.3 im November 2019 im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestartet. Schon wenige Wochen später gab es Berichte, dass die Autos ohne vollständige Software gebaut werden müssten. Weil die Fahrzeuge nicht für die Auslieferung bereit seien, müssten sie auf eigens angemieteten Parkplätzen zwischengeparkt werden.
Grundarchitektur zu schnell entwickelt?
Fronzek begründete dieses Vorgehen nun mit den Worten: „Da die Markteinführung im Sommer 2020 europaweit in 27 Ländern nahezu zeitgleich stattfinden soll und damit unsere mehr als 30.000 Pre-Booker ihren ID.3 1ST zum Verkaufsstart möglichst zeitgleich erhalten, produzieren wir ein signifikantes Volumen vor.“ Der VW-Sprecher fügte hinzu: „Zudem wird der ID.3 das erste updatefähige E-Auto von Volkswagen auf MEB-Basis sein.“ So würden die digitalen Funktionen des ID.3 in regelmäßigen Abständen aktualisiert, zur Auslieferung erhielten die Fahrzeuge die jeweils neueste Software.
Dem Manager Magazin zufolge arbeiten derzeit jedoch mehr als 10.000 Techniker und Ingenieure am ID.3. Zuletzt seien Hunderte Experten zusätzlich geholt worden, darunter „Topleute etwa von Audi und Porsche“. Hunderte Testfahrer seien unterwegs, um mögliche Fehler herauszufinden; bis zu 300 seien es täglich, berichtet das Magazin unter Berufung auf einen Mitarbeiter, der häufig bei den Besprechungen dabei sei. Eine Ursache der Probleme sei die Tatsache, dass die Grundarchitektur zu hastig entwickelt worden sei. Die Systemteile verstünden sich häufig nicht und hätten Aussetzer.
Neues Betriebssystem VW.OS
Volkswagen hat die neue Architektur im August 2018 angekündigt. VW entwickele „eine überarbeitete, deutlich einfachere IT-Architektur im Auto, die ab 2020 in der Elektroauto-Familie I.D. Premiere feiern wird“. Weiter hieß es: „Diese IT-Architektur verzichtet auf verteilte Steuergeräte mit herstellerspezifischer Software, von denen sich heute bis zu 70 im Fahrzeug finden. Stattdessen wird die Fahrzeugintelligenz in wenigen Zentralrechnern mit einheitlicher Programmiersprache konzentriert. Die Software stammt künftig aus einer Hand: Der Kunde wird die Dienste auf Basis des neuen Automotive-Betriebssystems ‚VW.OS‘ erleben.“
Dieses Konzept erscheint sinnvoll, da Elektroautos deutlich weniger Motorkomponenten benötigen. Allerdings wurde die aktuelle Steuerarchitektur in Jahrzehnten entwickelt, während VW für das neue Konzept nur wenige Jahre zur Verfügung standen. Zuletzt hatte das japanische Wirtschaftsmedium Nikkei berichtet, dass es dem US-Elektroautohersteller Tesla bereits gelungen sei, die Zahl der Steuergeräte (ECU) in seinen Fahrzeugen deutlich zu reduzieren.
Tesla sechs Jahre voraus?
Dem Bericht zufolge ist Tesla nach Einschätzung japanischer Ingenieure mit dem zentralen Steuergerät, der Hardware 3, der Konkurrenz bereits sechs Jahre voraus. Diese Rechnung basiert allerdings auf der Annahme, dass dieses von Tesla selbst entwickelte Steuergerät bereits heute ein autonomes Fahren ermögliche, das sich frühestens im Jahr 2025 durchsetzen werde. Es ist jedoch sehr fraglich, ob Tesla beim autonomen Fahren tatsächlich einen Vorsprung von sechs Jahren gegenüber der Konkurrenz hat, die wie im Falle Waymos schon Fahrten ohne Sicherheitsfahrer anbietet.
In einer aktuellen Unternehmenspräsentation von VW für Investoren hatte Konzernchef Herbert Diess angekündigt, VW.OS vom Jahr 2025 an in allen neuen Autos einzusetzen. Auf Anfrage von Golem.de machte VW keine Angaben dazu, ob das neue Betriebssystem beim ID.3 schon im Einsatz ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Website Golem.