Der Strom für das Elektroauto ist in Deutschland an öffentlichen Ladestationen so teuer wie nie. Wohl dem, der ein Eigenheim mit Garage besitzt und den Haushalts- wie Fahrstrom mit einer Photovoltaik-Anlage zumindest teilweise selbst produziert. Um den tagsüber gewonnenen Solarstrom aber auch nachts nutzen zu können, war bislang ein teurer Heimspeicher erforderlich. Künftig kann den das eigene Elektroauto ersetzen. Voraussetzung dafür ist lediglich eine Wallbox, die das bidirektionale Laden beherrscht, die also nicht nur den Strom abgeben, sondern auch aufnehmen kann. Und natürlich ein Elektroauto, das zum so genannten Bidi-Laden in der Lage ist. Bislang konnten das nur Elektroautos aus Asien, die mit dem dort üblichen Ladestandard CHAdeMo arbeiten. Stromer wie der Nissan Leaf oder der Mitsubishi Outlander Plug-in Hybrid.

Spanier machen den Anfang

Auf der „Power2Drive“, der Münchner Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität, haben verschiedene Wallbox-Hersteller jetzt erste Geräte vorgestellt, die auch den europäischen Ladestandard CCS beherrschen und der ISO-Norm 15118-20 entsprechen. Diese regelt die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladeeinrichtung, im privaten wie im öffentlichen Stromnetz.

Preisgünstig laden, ohne das Netz zu stressen
Das bidirektionale Laden kann die Betriebskosten eines Elektroautos deutlich senken. Grafik: Wallbox
Preisgünstig laden, ohne das Netz zu stressen
Das bidirektionale Laden kann die Betriebskosten eines Elektroautos deutlich senken. Grafik: Wallbox

Der spanische Hersteller Wallbox – der heißt tatsächlich so – hatte bereits eine ChadeMo-taugliche Bidi-Box namens Quasar im Lieferprogramm. Nun reichen die Spanier mit der Quasar 2 eine Ladestation nach, die CCS-kompatibel ist. Der Strom fließt hier in beiden Richtungen dreiphasig mit einer maximalen Leistung von 12,8 Kilowatt (32 Ampere), einphasig mit 7,8 kW. Sie ist damit sowohl für „Vehicle-to-Home“ (V2H) wie für Vehicle-to-Grid (V2G)-Lösungen geeignet, also die Einspeisung des im Fahrzeug-Akku gespeicherten Strom ins öffentlich Netz. In Deutschland sollen vor allem V2G-Lösungen helfen, das durch die Energiewende und den massiv steigenden Stromverbrauch gestresste Netz zu stabilisieren und Blackouts zu vermeiden.

Preise um die 4000 Euro

Die smarte Quasar2 ist darauf vorbereitet – und hat mit den zum Volkswagen-Konzern zählenden Autoherstellern Cupra und Skoda auch bereits zwei Unternehmen gefunden, die die neue Wallbox ihren Kunden anbieten wollen. Beim Kauf eines Cupra Born soll die Quasar 2 zu einem Sonderpreis abgegeben werden. Regulär kostet die Quasar 2 den Haus- und E-Autobesitzer 4500 Euro.

Strom in zwei Richtungen
Die „AmbiCharge“ genannte DC-Wallbox für den Privatgebrauch lässt den Strom in beiden Richtungen mit bis zu 11 kW fließen.

Der in die Wallbox integrierte Wechselrichter – der den im Fahrzeugakku gespeicherten Gleichstrom vor der Einspeisung ins Hausnetz in Wechselstrom umwandelt – hat halt seinen Preis. Nicht viel günstiger dürfte deshalb die neue luftgekühlte DC-Wallbox „AmbiCharge“ von Ambibox aus Mainz kommen – der Hersteller hat sich dazu noch nicht geäußert. Die maximale Ladeleistung beträgt hier 11 kW (30 A). Und wie die Quasar 2 ist auch diese Bidi-Wallbox voll vernetzbar, so dass sie in ein smartes Home integriert und über das Internet gesteuert werden kann.

Zahl der bidi-fähigen E-Autos wächst

Nutzen können die Technik derzeit allerdings nur eine Handvoll Elektroautos. Neben den Elektroautos aus dem VW-Konzern ab Modelljahr 2023 (ID.3. aufwärts) zählen dazu aktuell auch der neue Volvo EX90 und der Polestar 3. Auch der neue Renault 5 Electric soll dazu in der Lage sein, wenn der kleine Stromer im kommenden Frühjahr auf den Markt kommt. Aber die Zahl der bidi-fähigen Stromer wird sicher in den kommenden Monaten steigen. Bis dahin werden dann hoffentlich auch die Energieversorger die nötigen flexiblen Stromtarife aufgesetzt haben: Die Einspeisung des im Fahrzeugakku gespeicherten Stroms ins öffentliche Netz macht zu den aktuellen Konditionen überhaupt keinen Sinn.

Und ärgerlich ist auch, dass die Bidi-Boxen erst jetzt auf den Markt kommen – nach dem Auslaufen des staatliche Förderprogramms für private Wallboxen: Die in den vergangenen Jahren mit der finanziellen Unterstützung der BAFA angeschafften rund 700.000 Ladestationen werden an der neuen Vehicle-to-Home-Welt nicht teilnehmen können.

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7 Kommentare

  1. Tobias Volk

    V2H wird wirtschaftlich nie Sinn machen, weil die Ströme viel zu klein sind und die Wechselrichter dann mit einem grottigen Wirkungsgrad laufen. Damit bekommt man das Invest nie amortisiert.
    Interessant wird V2G. Aber dafür muss der Fahrzeughersteller viel mehr von der Batterie freigeben als bislang so kursiert. Dann kann jeden Tag mehrere Stunden mit vollen 11kW rein und wieder rausgeladen werden – und zusätzlich Regelenergie bereitgestellt werden. So wird dann ein Schuh draus.

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  2. Maximilian Steinert

    Das traurige ist:
    Hier wird die technisch und kostenmäßig aufwendigste Lösung entwickelt. Und wahrscheinlich ist der einzige Grund dass das die bürokratisch einfachste Lösung ist.
    Da der Umrichter als Erzeugeranlage beim Netzbetreiber angemeldet werden muss, entweder im Auto oder in der Wallbox.
    Ich stell mir gerade das Formular für eine „ortsveränderliche“ Erzeugeranlage vor die an beliebigen Stellen zu beliebigen Zeiten mit dem Ortsnetz unterschiedlicher Netzbetreiber verbunden werden kann.
    Es dauert bestimmt schon 1 Jahr um dieses wahrscheinlich 5000 seitige Formular auszufüllen.

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  3. Schramm

    Quasar 1 hatte noch auch ChaDemo. Nun nur CCS. Hoffentlich auch bald ChaDemo oder beides.

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  4. Stefan Heinen

    Bei meinem neuen ID.4 ist das bidirektionale Laden auf 4000h oder 10000kWh begrenzt!
    Bei 8h/Tag wäre nach 1,5Jahren Schluss.

    Der Invest in eine DC Wallbox macht daher solange keinen Sinn bis die EV-Batterie eine signifikant höhere Nutzung ermöglicht!

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    • Franz W. Rother

      Interessante Information

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  5. Moritz

    Finanziell dürfte sich das nie rechnen bei so hohen Preisen. für 4.000€ bekommt man ja schon 10-15 kWh Speicher für die PV-Anlage.
    Da das bidirektionale Laden ja auch nur bei vorhandener PV-Anlage einen Sinn ergibt, wäre es auch sinnvoller, den Gleichstrom aus dem Auto-Akku in den vorhandenen Wechselrichter der PV-Anlage einzuspeisen. das würde Kosten sparen.
    Dazu wäre im wesentlichen an der Wallbox nur ein DC-Ausgang notwendig, den man mit einem DC-Eingang des PV-Wechselrichters verbindet.

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  6. Einheit-101

    4000€ und dann noch Installation und Kabel verlegen etc pp – wie viele Jahre kann man für die Kohle 220v laden, bis sich der Firlefanz amortisiert?

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