BMW setzt nicht alles auf eine Karte. Neben Toyota und Hyundai zählen die Bayern zu den wenigen Autoherstellern, die neben dem batterieelektrischen Antrieb weiterhin auch auf die Brennstoffzelle setzen, also die Erzeugung von Fahrstrom unterwegs durch eine elektrochemische Reaktion der beiden Elemente Sauerstoff und Wasserstoff. Das Prinzip der Brennstoffzelle ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt: 1838 erstellte Christian Friedrich Schönbein die erste einfache Brennstoffzelle.
Das erste Elektroauto mit einem Brennstoffzellenantrieb baute General Motors 1966, Anfang der 1990er Jahre versuchte sich der Daimler-Konzern an der Technologie und präsentierte zwischen 1994 und 2002 eine Reihe von NECARs („No-Emission-Cars“) mit Brennstoffzellenantrieb. Um die Alltagstauglichkeit der Technologie zu demonstrieren, unternahm Mercedes-Benz 2011 mit drei auf den Antrieb umgebauten Pkw der B-Klasse sogar eine Weltumrundung. Die Kleinserienfertigung des Brennstoffzellenautos Mercedes GLC F-Cell wurde wurde allerdings 2020 nach nur zwei Jahren beendet.
„Aktuell“, lautete damals die Begründung der Stuttgarter, „ist die Batterie der Brennstoffzelle bezüglich einer großvolumigen Markteinführung überlegen – nicht zuletzt angesichts der weltweit noch geringen Anzahl an Wasserstoff-Tankstellen und der verhältnismäßig hohen Technologiekosten. Auch in Sachen Energiedichte hat die Batterietechnologie große Sprünge gemacht und damit den Reichweitenvorteil der Brennstoffzellentechnologie im Pkw verringert.“
Daran hat sich seitdem wenig geändert. Toyota machte zwar große Fortschritte bei der Brennstoffzellentechnik. Die Energiedichte der Stacks wuchs, der Energieverbrauch und die Kosten sanken. Doch der neue Toyota Mirai, der damit 2021 auf den Markt kam, ist alles andere als ein Verkaufsschlager. BMW – seit Januar 2013 Partner von Toyota bei der Entwicklung der Brennstoffzelle – lässt sich dadurch nicht irritieren. Im Frühjahr 2023 startete das Unternehmen die Produktion einer Pilotserie von 100 Exemplaren des iX5 mit Brennstoffzellentechnologie – als Ergänzung zur rein batteriegetriebenen Variante des SUV. 2027, so ist aus München zu hören, soll auch die sogenannte Neue Klasse in einer Ausführung mit einer Brennstoffzelle stromern. Wir sprachen darüber mit Jürgen Guldner. Der Elektrotechnik-Ingenieur leitet bei der BMW Group seit 2018 den Gesamtbereich Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie und -Fahrzeugprojekte.
Herr Guldner, warum setzt BMW neben dem bewährten Batterieantrieb weiterhin auch noch auf Wasserstoff und die Brennstoffzelle?
Als BMW arbeiten wir schon sehr lange an der Nachhaltigkeit und elektrischen Antriebsformen. Deshalb haben wir viel Erfahrung in diesen Bereichen. Wir freuen uns, dass regelmäßig renommierte Unternehmen wie erst letztes Jahr Morgan Stanley uns von außen testieren und uns bescheinigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dieser Weg ist unser Commitment zum Pariser Abkommen, um im Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Als ein fundamentales Fazit haben wir aus unseren Bemühungen gezogen, dass man wirklich alles an Technologien nutzen muss und sich nicht nur auf eine Technologie konzentrieren darf. Dazu kommt, dass BMW nicht nur in punkto Innovation sehr weit vorne ist. Das gilt auch für den Bereich Nachhaltigkeit. Als Firma sind wir uns unserer Verantwortung bewusst und engagieren uns daher. Auch beim Thema Wasserstoff.
Wann kommt denn der iX5 Hydrogen in Serie?
Erlauben Sie mir zunächst eine kurze Zusammenfassung der BMW Strategie: Bei der batterieelektrischen Mobilität haben wir letztendlich drei Schritte verfolgt. Wir haben zunächst vor ungefähr 15 Jahren eine Pilotflotte von elektrischen Mini und BMW Fahrzeugen aufgebaut, den MINI E und den BMW Active E. Mit diesen Pilotflotten haben wir sehr viel Erfahrung gesammelt und gelernt, wie die Menschen diese Fahrzeuge nutzen.
Um dann vor inzwischen zehn Jahren die Serienproduktion des BMW i3 zu starten.
Richtig. Aufgrund der eben geschilderten Erfahrungen haben wir im nächsten Schritt den BMW i3 im November 2013 auf den Markt gebracht. Das war unser allererstes BEV. Seitdem haben wir sukzessive batterieelektrische Fahrzeuge für unsere Kunden eingeführt, so dass es unterdessen in allen unseren Modellen batterieelektrische Varianten gibt. Sogar einen Rolls Royce.
Und wie schnell geht es nun mit BMW Modellen mit Brennstoffzellenantrieb voran?
Die gleichen Schritte wollen wir beim Wasserstoff gehen. Noch sind wir ganz am Anfang. Die Fahrzeuge, die man jetzt in sehr kleiner Stückzahl sieht, sind Teil dieser Pilotflotte. Von der Anmutung her sind die iX5 Hydrogen schon sehr reif, aber es sind immer noch Prototypen. Mit diesen Fahrzeugen wollen wir zunächst Erfahrungen sammeln. Auf der Basis werden wir dann zu gegebener Zeit entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist, um ein erstes Serienangebot zu machen. Das ist noch nicht final entschieden. Aber gegen Ende des Jahrzehnts könnte ein geeigneter Zeitpunkt sein.
Plant BMW, mit Wasserstoff auch Verbrennungsmotoren zu betreiben – wie Anfang des Jahrhunderts im Hydrogen 7?
Nein. Im Pkw-Bereich reden wir nur von einem Brennstoffzellenfahrzeug als Wasserstofffahrzeug. Es gibt auch Aktivitäten zum Wasserstoff-Verbrenner – aber im Lkw-Bereich. Für den Pkw dagegen haben wir für uns beschlossen, aus Effizienzgründen auf die Brennstoffzelle zu setzen. Wir können uns vorstellen, in der Zukunft eine gemeinsame Fahrzeugarchitektur für den batterieelektrischen und brennstoffzellenelektrischen Antrieb zu haben. Das ist ganz wichtig, um die langfristige Strategie zu verstehen, warum wir vom Wasserstoff-Verbrenner weggegangen sind. Wir nutzen also potenziell den gleichen Elektromotor und die gleiche Fahrsoftware. Sogar die Energiespeicherung, sei es in Form einer Batterie oder eines Wasserstoff-Tanks, könnte an gleicher Stelle verortet sein.
Die Zukunft ist elektrisch – auf der Straße fährt sie aber zweigleisig?
Im Schwerlastverkehr wird wahrscheinlich mehr Wasserstoff als Batterie eingesetzt. Beim Pkw ist es genau andersrum. Aber wir sehen auch, dass ein Teil der Menschen lieber mit Wasserstoff fahren will als mit Batterie. Dabei werden sich rein batterieelektrische und Brennstoffzellenfahrzeuge gegenseitig ergänzen.
Wie sieht die Wasserstofftechnologie bei BMW im iX5 aus?
Kurz zusammengefasst so: Im Vorderwagen des Fahrzeugs ist das Brennstoffzellensystem verortet. Gemeinsam mit den Wasserstofftanks, die insgesamt sechs Kilogramm Wasserstoff beinhalten, hat das Fahrzeug eine Reichweite von ungefähr 500 Kilometer. Das hängt natürlich von der Fahrweise ab. Die Batterie ist klein, hat aber sehr viel Leistung. Das ist hier eine Besonderheit und hebt uns ab von anderen Herstellern. Zusätzlich haben wir eine Brennstoffzelle mit 125 kW. Es ist die stärkste Brennstoffzelle im Pkw-Bereich. Diese Leistung können wir auch permanent abrufen. Mit anderen Worten: Wir haben keinen Unterschied zwischen Spitzenleistung und Dauerleistung! Damit kann man dann auf der Autobahn permanent 185 km/h fahren.
Leider hat der iX5 Hydrogen keinen Allradantrieb.
Stimmt. Das war für die Entwicklung nicht der Fokus. Wir wissen, dass wir Allrad können. Die Integration eines Allradantriebs ist eine der Hausaufgaben für die nächste Fahrzeug-Generation. Wir nutzen im iX5 Hydrogen den gleichen Elektromotor mit der gleichen Hinterachse wie im batteriegetriebenen iX – er passt also 1:1 in das Auto rein.
Nutzen Sie die gleiche Brennstoffzellen-Technik wie Toyota im Mirai?
Wir nutzen die gleichen Zellen – der Rest, der sogenannte Stapel und das Gesamtsystem etc. – das ist alles unser Design und wird hausintern in Landshut gefertigt. Mit Toyota arbeiten wir seit zehn Jahren sehr erfolgreich und kollegial zusammen. Wir haben uns auch viel ausgetauscht über das Gesamtsystem.
Könnten Sie sich vorstellen, neben Toyota auch mit einem deutschen Hersteller zu kooperieren?
Dazu kann ich Ihnen Stand heute nichts sagen.
Das Auto macht einen sehr reifen Eindruck. Leider nur lässt die Infrastruktur in Europa derzeit zu wünschen übrig: Es gibt deutlich weniger Wasserstoff-Tankstellen als Ladestationen.
Wann der richtige Zeitpunkt für die Serienproduktion eines Brennstoffzellenautos gekommen ist, hängt in der Tat auch von Themen wie der Infrastruktur ab. Aktuell sind wir in Deutschland sehr weit vorne dabei. In Italien, Frankreich und anderen europäischen Ländern entstehen aber nach und nach Wasserstofftankstellen. Von daher denken wir, dass die Zeit für Wasserstofffahrzeuge durchaus kommen wird und wir dann im nächsten Schritt – vielleicht in zweiten Hälfte des Jahrzehnts – ein Serienprodukt anbieten können. Unsere Hausaufgabe ist klar: Die Reife der Technologie konsequent weiterzuentwickeln – und die Kosten auf ein solides Skalierungsniveau zu bringen.
Das bedeutet aber doppelte Entwicklungskosten – für die Brennstoffzelle und den Batterieantrieb. Und es verunsichert sicher manche Kunden, die nicht wissen, wofür sie sich entscheiden sollen.
Zunächst einmal: Ein Wasserstofffahrzeug ist ein Elektrofahrzeug und fährt genauso elektrisch wie ein Batterieauto. Das heißt, man hat alle Vorteile des elektrischen Fahrens wie die hohe Beschleunigung und das lautlose Dahingleiten. Das H2-Fahrzeug ist emissionsfrei – die Abluft besteht aus reinem Wasserdampf. Und man kann ein Wasserstoffauto sehr schnell auftanken. Das ist letztlich das Beste aus beiden Welten. Ich habe ein E-Fahrzeug mit all seinen Vorteilen und ich kann es nutzen, wie ich ein Verbrennungsfahrzeug bisher genutzt habe: Ich fahre an die Tankstelle, tanke in drei bis vier Minuten auf 100 Prozent auf – und weiter geht’s. Diese Kombination ist für einen Teil der Menschen interessant. Für solche, die weder zu Hause noch im Büro eine Möglichkeit zum elektrischen Laden haben und deshalb immer auf öffentliche Stationen angewiesen sind. Das kann auf Dauer mühsam werden.
Das hört sich an, als würden Sie den Brennstoffzellenantrieb favorisieren.
Nein. Für uns ist das kein Entweder-Oder. Beide Technologien brauchen wir, mit beiden wollen wir die Mobilitätswende in absehbarer Zeit erfolgreich meistern. Wir brauchen natürlich weiterhin einen massiven Ausbau der elektrischen Ladeinfrastruktur. Und wir sehen, dass hier weltweit noch so einige Herausforderungen zu überwinden sind. Und es gibt Kunden, die viel mit dem Auto unterwegs sind, öfter Langstrecken fahren und uns sagen: ‚Ich will mein Auto so weiternutzen wie bisher.‘
Die derzeit noch Ladezeiten von einer halben Stunde und mehr schrecken.
Ja. Wir werden die Ladezeiten von Batterieautos an den Schnellladern sicher bald weiter reduzieren können. Aber es ist halt immer noch ein Unterschied zu drei oder vier Minuten, die ein Tankvorgang dauert. Unser Ziel muss es sein, alle Kunden von den Vorzügen des emissionsfreien Fahrens zu überzeugen. Dazu ist aus unserer Sicht das Anbieten von Optionen die geeignete Vorgehensweise.
Und es nimmt auch Last vom Stromnetz.
Im großen Rahmen Energiesystem ist es durchaus eine wichtige Komponente, die Infrastruktur zu entlasten. Wir wollen ja in Deutschland auch das Heizen umstellen – von Gas auf Strom. Das Stromnetz wird dementsprechend weiter ausgebaut werden. Der Clou ist, dass der Wasserstoff die bestehenden Erdgas-Pipelines nutzen kann. Die Bundesregierung plant bereits, das europäische und das deutsche Erdgasnetz sukzessive in ein großflächiges Verteilnetz für Wasserstoff umzubauen – auch um die Stromnetze zu entlasten.
Das erfordert dann allerdings auch große Investitionen in zwei Infrastrukturen – in Ladesäulen und Wasserstofftankstellen?
Eindeutig ja. Interessanterweise gibt es inzwischen mehrere Studien, wonach die Kombination sogar günstiger ist, als sich alleinig auf elektrische Ladeinfrastruktur zu konzentrieren. Der Ausbau der Stromnetze, um das Hundertprozent-Laden von E-Autos zu ermöglichen, wird demnach umso teurer, je mehr Autos ich laden will. (Guldner zieht ein Schaubild hervor, das einer Studie des Forschungszentrums Jülich von 2018 entnommen ist.)
Auf dem Chart hier zeigt das die grüne Kurve. Da sieht man: Der Aufwand für das elektrische Laden der ersten Batteriefahrzeuge ist überschaubar. Das liegt vor allem daran, dass in dieser frühen Phase der Entwicklung noch viele Menschen zu Hause laden und relativ wenig an öffentlichen Ladestationen. Die Kosten für den Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos steigen allerdings nicht linear mit der Anzahl der Fahrzeuge, die geladen werden müssen.
Und bei den Wasserstoff-Tankstellen?
Da ist es andersrum. Ich brauche ein Anfangsinvestment in eine Basisinfrastruktur. Aber anschließend sind die Kosten pro Tankstelle mehr oder weniger gleichbleibend. Berechnungen von McKinsey aus dem vergangenen Jahr, die im Auftrag der EU Kommission angestellt worden sind, zeigen verschiedene Szenarien. Nehmen wir nur mal die Zahlen für 2050, was es kosten würde, jeglichen Verkehr auf europäischen Straßen zu elektrifizieren. Und zwar LKW, Busse sowie Pkw. Ergänzt um einen überschaubaren Anteil von Wasserstofffahrzeugen.
Das Ergebnis?
Die angesetzten 40 Prozent im mittleren Szenario halte ich gar nicht für so unrealistisch. Sprich 40 Prozent der Lkw und 15 Prozent der Kleinlaster und Pkw wären 2050 wasserstoffbetrieben. Hier liegt ein Einsparpotential in der Größenordnung von 300 Milliarden Euro in Europa. Und wenn ich den Anteil von Wasserstofffahrzeugen erhöhe, dann steigt die Ersparnis noch weiter. Solche Szenarien zeigen: Zwei Infrastrukturen sind unter dem Strich billiger als eine.
Sie geben dem Wasserstoff also eine Zukunft in der Mobilität?
Sogar eine gute, wenn wir die emissionsfreie Mobilität konsequent verfolgen. Tatsächlich regelt die Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) der Europäischen Kommission, dass bis 2030 ein flächendeckendes Netz sowohl für das elektrische Laden wie für das Wasserstofftanken vorhanden sein soll.
Das ist ein ehrgeiziges Ziel – bis 2030 sind es nur noch sechs Jahre.
Der Rechtsakt ist bindend für alle Mitgliedsstaaten der EU. Mit anderen Worten: Hier wird ein Basisnetz mit ungefähr 600 Wasserstofftankstellen in Europa initiiert, mit Tankstellen im Abstand von rund 200 Kilometern. Damit wäre es problemlos möglich, mit einem iX5 Hydrogen quer durch Europa zu fahren. Und in Asien ist die Dynamik noch höher als in Europa, was den Tankstellenaufbau betrifft. Japan und Korea sind bereits sehr gut unterwegs, China kommt jetzt. Europa muss sich dieser Dynamik bewusst sein.
„Und es nimmt auch Last vom Stromnetz“ – Wie kann etwas Last vom Stromnetz nehmen, das in seiner Herstellung (well to tank) 2,5-3 mal so viel Strom verbraucht wie sein batterielektrisches Pendant?
Weil er davon ausgeht, dass die Produktion nicht in Deutschland stattfindet
…kann es auch nicht verstehen warum man soviel Geld in Nix steckt