Die Anfänge der chinesischen Autoindustrie auf dem europäischen Markt waren in den vergangen 15 Jahren alles andere als erfolgreich. Kopiertes Design, schlechte Qualität und ein Crashverhalten, das vielen Interessenten bereits vor dem Kauf viel Angst machte. Hinzu kam eine schwierige finanzielle Ausstattung mancher Hersteller aus China. So wurden die Produkte von Brilliance, Qoros oder Landwind hierzulande schnell zu Rohrkrepierern.
Doch mit der Antriebswende und der wachsenden Bedeutung des Elektroantriebs werden die Karten auf dem europäischen und auch deutschen Automarkt neu gemischt. Und die Autohersteller aus China haben ein gutes Blatt auf der Hand. Nicht nur, weil die sie auch mit der Unterstützung deutscher Ingenieure und Designer die Qualität ihrer Produkte deutlich steigern konnten. Sondern auch, weil sie im Unterschied zu Volkswagen, Stellantis & Co. keine Lieferprobleme bei Kabelbäumen und Halbleitern zu haben scheinen. Die Folge: Der Marktanteil chinesischer Elektroautos steigt stetig. Dabei hat die Offensive gerade erst begonnen.
Marktanteil deutscher Hersteller sinkt
Das belegt auch eine aktuelle Analyse von Jato Dynamics. Ende vergangenen Jahres entfielen demnach noch mehr als die Hälfte der Neuzulassungen von Batterieautos und Plug-In Hybriden auf die Produkte deutscher Hersteller – Stromer aus China spielten so gut wie keine Rolle. Inzwischen aber hat sich das Bild deutlich gewandelt.
Knapp 250.000 Elektroautos und Plug-in-Hybriden wurden zwischen Januar und Mai dieses Jahres in Deutschland zugelassen. Davon stammten nur noch knapp 46 Prozent von deutschen Herstellern. Das erfolgreichste Elektroauto aus Deutschland war bemerkenswerterweise eines, das bereits seit 2013 produziert wird – der BMW i3 schaffte es in den letzten Monaten vor Produktionsende immerhin bis auf Platz acht der Zulassungsstatistik. Auf Autohersteller aus USA, Frankreich und Südkorea entfielen immerhin knapp 32 Prozent. Die erfolgreichsten Stromer waren hier das Model 3 von Tesla und der Fiat 500e.
Die Karten werden neu gemischt
Doch wo sind die Elektroautos aus China? Weltweit betrachtet geben die Chinesen mittlerweile längst das Tempo vor: Ihr Marktanteil kletterte zwischen Januar und Mai weltweit auf 37 Prozent – deutsche und amerikanische Hersteller fielen nach der Analyse von Jato Dynamics auf Marktanteile von jeweils 20 Prozent zurück. Und sechs der zehn meistverkauften Elektroautos kamen in dem Zeitraum aus der Volksrepublik. In Summe waren es fast eine Million Fahrzeuge. Einzig Tesla konnte da mithalten: Mit einem Absatz von insgesamt mehr als 873.000 Fahrzeugen der Typen Model 3 und Y landete Tesla immerhin unter den Top 20-Anbietern. Die 144.000 deutschen Elektroautos – vorrangig aus dem Volkswagen Konzern – fielen da kaum ins Gewicht.
In Deutschland sieht die Sache dagegen anders aus. Hier spielen Elektroautos aus China bisher noch eine Nebenrolle. Doch im Vergleich zu 2020 kamen sie im vergangenen Jahr immerhin auf einen Marktanteil von rund zweieinhalb Prozent. Vor allem der chinesisch-schwedische Vollstromer Polestar 2 und der MG HS als Plug-in Hybrid erreichten mit jeweils gut 2.000 Zulassung nennenswerte Stückzahlen. Aber das ist nur die Speerspitze.
Chinesen punkten nicht mehr nur beim Preis
In den kommenden Monaten werden eine Vielzahl neuer Elektroautos aus China auf den deutschen Markt kommen. Nicht nur Aiways, Lynk & CO und Maxus wollen mit neuen Fahrzeugen ihre Marktanteile ausbauen. Auch Nio, BYD, MG und Great Wall Motors haben interessante neue Elektroautos vorgestellt, die nicht nur mit einem attraktiven Design und einer hochwertigen Ausstattung, sondern auch mit leistungsstarken Antrieben und ordentlichen Reichweiten zu attraktiven Preisen punkten werden. Great Wall Motors wird mit seinen Marken ORA und WEY nach Deutschland kommen, wobei der Vertrieb über die Schweizer Frey Gruppe erfolgen soll.
Und auch BYD setzt auf ein eigenes Händlernetz – ein Direktvertrieb über das Internet, hieß es dieser Tage bei der Vorab-Premiere der drei neuen Fahrzeuge, sei nicht geeignet, um bei Autokäufern in Europa Vertrauen in eine noch unbekannte Marke aufzubauen. Die Aufgabe überlasse man lieber Vertriebspartnern, die ihre Kunden aufgrund langjährigen Erfahrungen im Automobilhandel bereits gut kennen.