Die Nachfrage nach Elektroautos lahmt gerade etwas in Deutschland. Das abrupte Ende der staatlichen Anschaffungsprämie am 18. Dezember hat viele Kaufinteressenten geschockt und die Aktionsangebote, die von den Autoherstellern aus der Taufe gehoben wurden, wollen erst einmal studiert werden. Das zeigt bereits deutliche Auswirkungen: Weil der Auftragseingang geringer ausfällt als ursprünglich geplant, wird die Produktion in vielen Autowerken gedrosselt und bei den Batterieherstellern die Abnahmemengen reduziert.

Das zeigt sich auch deutlich auf dem digitalen Marktplatz von Circunomics. Das von Datenspezialisten gegründete Unternehmen aus Mainz betreibt eine Plattform im Internet, über die seit 2019 gebrauchte Batterien, Module und Zellen gehandelt werden. Und seit kurzem sind doch eine Menge neue zu finden, wie die beiden Firmengründer Jan Born und Felix Paul Wagner im Gespräch mit EDISON erzählen. Eingestellt werden sie sowohl von Fahrzeugherstellern wie von namhaften Zellfabriken. Die einen haben aktuell Bedarf, die anderen suchen neue Abnehmer für ihre Produkte. „Akkus sind sensible Produkte, die schlecht zu lagern sind“, beschreibt Wagner das Problem, mit dem sich E-Auto-Hersteller und Batteriefabrikanten in Zeiten einen lahmenden Konjunktur herumschlagen müssen – und das nun das Angebot von Circunomics um eine Facette erweitert.

"Es fängt an zu laufen" 
Circunomics-Gründer Jan Born (l.) und Felix Paul Wagner sind mit der Entwicklung ihres Marktplatzes ganz zufrieden.
„Es fängt an zu laufen“
Circunomics-Gründer Jan Born (l.) und Felix Paul Wagner sind mit der Entwicklung ihres Marktplatzes ganz zufrieden.

Im Mittelpunkt des Geschäfts stehen allerdings weiterhin Batterien und Zellen, die ihren ersten Lebensabschnitt in Pkw, Bussen und Nutzfahrzeugen hinter sich haben und nun auf den „second use“ warten – auf die Zweitverwendung als Heimspeicher, als stationäre Stromspeicher an Ladestationen, in Wind- und Solarparks. In Deutschland oder irgendwo in Europa. Denn natürlich ist Circunomics längst international unterwegs. Und mit zunehmendem Erfolg: Im vergangenen Jahr wurden über die Plattform immerhin schon Stromspeicher mit einer Gesamtkapazität von 279 Megawatt umgeschlagen, einer Zweitverwertung oder einem Recycling durch Fachbetriebe zugeführt werden. Bis 2026 soll die Menge auf drei Gigawatt steigen – die Zahl von E-Autos mit erschöpften Antriebsakkus wird in den kommenden Jahren deutlich steigen.

Recycling-Projekte noch im Frühstadium

Fachbetriebe für ein industrielles Recycling von Hochvoltspeichern sind allerdings noch selten – das Gros defekter Akkus und Zellen wird heutzutage noch geschreddert und anschließend verbrannt. Das gilt auch für den Ausschuss aus der Zellfertigung in den Gigafabriken, der der Anlaufphase bis zu 80 Prozent betragen kann. Im sogenannten pyro-metallurgisch ablaufenden Prozess bleiben immerhin mehr als 95 Prozent des eingesetzten Kobalts, Kupfer und Nickels übrig, die dann in aufwändigen chemischen Prozessen aus der sogenannten Schwarzmasse extrahiert werden.

Angepeilt werden dabei in einigen Jahren Verwertungsquoten von 90 Prozent. In der Praxis sei man davon allerdings noch weit entfernt, monieren die umweltbewussten Circunomics-Gründer. Wie sie beklagen, haben sich die meisten Hersteller der Elektroautos wie auch der Antriebsbatterie noch zu wenig Gedanken darüber gemacht, auf welche Weise und mit welchen Verfahren sich die in den Akkus enthaltenen wertvollen Rohstoffe möglichst vollständig zurückgewinnen lassen. Born: „Die meisten Recycling-Projekte befinden sich noch im Frühstadium“.

Na klar, der Bestand an Elektroautos wächst nur allmählich. Und nach dem Einsatz im Autos können die Akkus noch viele Jahre lang als Stationärspeicher genutzt werden – währenddessen ihre Kapazität teilweise sogar wieder wächst, wie Circunomics-CTO Born erfahren hat.

Neue Batterie-Richtlinie ab Februar

Die neue Batterierichtlinie der EU, die am 18. Februar 2024 in Kraft tritt, legt zwar fest, dass Industriebatterien (zu denen auch die Akkus von E-Autos zählen) bis zum Jahr 2030 vollständig eingesammelt werden und von „Geburt“ an einen Batteriepass mit sich führen müssen. Zudem wird vorgeschrieben, dass Mindestmengen an zurückgewonnenem Kobalt (16 Prozent), Blei (85 Prozent), Lithium (6 Prozent) sowie Nickel (6 Prozent) aus Herstellungs- und Verbraucherabfällen in neuen Batterien wiederverwendet werden. Aber das heißt noch lange nicht, dass die in den Akkus von E-Autos enthaltenen Rohstoffe vollständig wiedergewonnen werden, wenn der Speicher nach 20 Jahren den Geist aufgibt. Born befürchtet, dass auch im Jahr 2030 Autohersteller noch Milliardensummen verschenken werden, wenn sie nicht auch das Thema Re-Use in den Recyclingprozess integrieren.

Ebay für Akkus und Batteriezellen 
Auf dem virtuellen Marktplatz kriegen die Interessenten alle Informationen über Herkunft und Zustand der angebotenen Stromspeicher und auch eine Preisvorstellung des Bieters - die meist noch verhandelbar ist. Foto: Circunomics
Marktplatz für Akkus und Batteriezellen
Auf dem virtuellen Marktplatz kriegen die Interessenten alle Informationen über Herkunft und Zustand der angebotenen Stromspeicher und auch eine Preisvorstellung des Bieters – die meist noch verhandelbar ist. Foto: Circunomics

Umso wichtiger ist es da zu wissen, in welchem Zustand und in welcher Phase der Degradation sich die Akkus und Batteriezellen befinden, wenn sie auf dem Marktplatz landen – und sicherzustellen, dass sie in den richtigen Händen landen und nicht in dunklen Kanälen verschwinden. Circunomics hat für die eine Seite des Problems eine KI-gestützte Software entwickelt. Und auf der anderen Seite müssen sowohl die Anbieter wie auch die Bieter zunächst einen aufwändigen „Onboarding“-Prozess durchlaufen, ehe sie Zugang zum Marktplatz erhalten. Ein Verkauf von Batteriemodulen an Privatleute, die damit beispielsweise in Eigenregie Heimspeicher basteln, ist dadurch ausgeschlossen. Anfragen aus der Richtung habe es durchaus schon gegeben, erzählt Wagner.

KI ermittelt Gesundheitszustand

Besonders stolz sind sie in Mainz aber vor allem über das Analysetool, das den Bietern auf dem Marktplatz einen detaillierten Überblick über den technischen Gesundheitszustand der angebotenen Akkus am Ende ihres ersten Lebens gibt – im Fachjargon „State of Health“ (SoH) genannt. In einer Simulation lässt sich sogar virtuell testen, was der Speicher noch kann und wie er sich bei dem angedachten Einsatz in neuer Umgebung schlagen würde. „So lässt sich mit Blick auf die Anforderungen in der Second-Life-Anwendung genau ermitteln, welches Modul oder welche Batterie dafür bestens geeignet ist“ ,sagt Born.

Und es sorgt für eine faire Preisgestaltung – gehandelt wird die Kilowattstunde Speicherkapazität auf dem Altbatterie-Marktplatz mit 80 Euro, die einer neuen mit 150 Euro. Die Provision von Circunomics in Höhe von zehn Prozent kommt natürlich obendrauf. Der Betreiber muss ja schließlich auch auf seine Kosten kommen. Born und Wagner zeigen sich im Gespräch ganz zufrieden mit der Geschäftsentwicklung: „Es fängt an zu laufen.“ Die Umsätze seien inzwischen siebenstellig, die Rendite „ordentlich“. Die Investoren – zu denen die ehemaligen Audi-Vorstände Peter Mertens und Bram Schot zählen – können zufrieden sein.

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