Der neue Mercedes-Benz ist das erste Elektroauto aus Europa, das vom Start weg „Plug & Charge“-fähig ist – der Strom fließt automatisch, sobald das Auto mit einer Ladesäule verbinden ist. Ladekarten von Energieversorgern können also in der Brieftasche bleiben. Und auch das Smartphone muss nicht gezückt werden, um die Ladesäule zu aktivieren. Warum nicht gleich so – Tesla-Fahrzeuge haben die Technik schon lange an Bord. Für Bernd Vollmayr von der Digital Charging Solutions GmbH (DCS) ist die Entwickklung ein wichtiger Schritt, um die Akzeptanz von elektroautos in der Bevölkerung zu steigern. Sein Unternehmen entwickelt digitale einfache und bequeme Ladelösungen für Automobilhersteller und Flottenbetreiber und verschafft ihnen Zugang zu 245.000 Ladepunkten in Europa. Seit Anfang 2019 ist die Digital Charging Solutions GmbH Teil des Mobility Joint Ventures der BMW Group und der Daimler AG. Ein Gastbeitrag aus gegebenem Anlass.
Der Nutzen von Plug & Charge für Fahrer von Elektrofahrzeugen ist enorm: Kein lästiges Suchen von RFID-Karten, kein Scannen von QR-Codes oder Starten des Ladevorgangs per Smartphone mehr. Ladekabel einstecken und der Ladevorgang beginnt automatisch – ein entscheidender Faktor, um die Nutzung von EVs in Zukunft noch komfortabler zu gestalten und die E-Mobilität weiter voranzutreiben.
So einfach, so gut. Denn was die Umsetzung und Implementierung des Features angeht, sehen wir uns aktuell noch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Es herrscht das klassische Henne-Ei-Problem. Anders gesagt: Fahrzeuge, die Plug & Charge unterstützen, bieten ohne entsprechende Infrastruktur wenig Mehrwert. Umgekehrt ist der Aufbau einer Plug & Charge fähigen Infrastruktur ohne Fahrzeuge, die davon profitieren können, eine riskante Investition.
Start zunächst im Premiumsegment
So ist es, was die technische Umsetzung von Plug & Charge angeht, wie so oft bei innovativen Funktionen: Diese werden zunächst in Fahrzeugen angeboten, die sich als Innovationsführer positionieren – und damit meist im Premiumsegment. Damit sich Plug & Charge aber flächendeckend durchsetzen kann, kommt es auf eine breite Fahrzeugunterstützung an. Der Blick auf einige der jüngsten Markteinführungen macht hierfür Mut: Porsche war mit seinem vollelektrischen Taycan im Oktober 2020 einer der ersten OEMs, der Plug & Charge angeboten hat. Andere Autohersteller folgen diesem Beispiel, unter anderem Daimler mit dem EQS sowie Audi und Volkswagen, die angekündigt haben, Plug & Charge-fähige Fahrzeuge auf den Markt bringen zu wollen.
Die Anfangsinvestition wird sich für Automobilhersteller langfristig strategisch auszahlen. Nach und nach wird daher die große Mehrheit der Fahrzeuge die neue Technologie adaptieren, bis sie sich schließlich durchsetzt – nicht zuletzt da der ISO15118-Standard viele weitere Nutzungsszenarien ermöglicht, z.B. bidirektionales Laden oder netzdienliches Laden.
Mit Blick auf die Ladeinfrastruktur dürfte sich Plug & Charge zuerst an High Power Charging-Säulen etablieren, die mit mehr als 100 kW Ladeleistung arbeiten. Hier lassen sich nämlich höhere Preise erzielen. Außerdem gibt es so mehr Ladevorgänge pro Jahr, wodurch Investitionen in diese zukunftsgewandte Technologie refinanziert werden können. Für E-Mobility Service Provider wie uns heißt es vor allem, die Schnittstelle zwischen Ladestationsbetreibern, Fahrzeugherstellern und Endnutzern zu bilden und die Qualität der Informationen sicherzustellen. Wir sehen bei allen Beteiligten exponentiell steigendes Interesse. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass sich Plug & Charge in den nächsten ein bis zwei Jahren erfolgreich durchsetzt.