Über Jahrzehnte tat man sich am Münchner Petuelring schwer, das Wort Luxus in den Mund zu nehmen. Dynamisch wollte man bei BMW sein, sportlich und wohl auch elegant. Doch beim Thema Luxus blieb vielen Managern im „Vierzylinder“ der Mund trocken und sie flüchteten sich in Worthülsen. Damit ist es seit ein paar Jahren vorbei, denn bereits die aktuelle Version des Siebener-BMW stand dem großen Gegner Mercedes S-Klasse in kaum etwas nach. Leichte Defizite im Komfort auf der Rückbank glichen die Bayern durch mehr Fahrspaß und ihre prächtigen Triebwerke aus.
Front-Design polarisiert stark
Mit der neuen Generation tönt es aus München stolzer denn je, dass es sich beim neuen Topmodell um nicht weniger als das beste Auto der Welt handele. Das soll gleichermaßen für die immer noch angebotenen Versionen mit Verbrennungsmotoren, vor allem aber für den vollelektrischen BMW i7 gelten. Nach den ersten Testkilometern fällt es schwer, dieser Meinung zu widersprechen: Ein besseres Elektroauto als den BMW i7 xDrive 60 wird man aktuell nur schwer finden, eine bessere Elektro-Limousine schon gar nicht: Den Mercedes EQS betrachten sie in München aufgrund der stark abfallenden Dachlinie und wegen der knapp bemessenen Kopffreiheit im Fond ohnehin eher als viertüriges Sportcoupé, wie Deutschland-Chef Stefan Teuchert kürzlich in einem Gespräch mit EDISON ausführte. Noch stärker als beim Mercedes EQS dürfte aber das Design des BMW i7 polarisieren. Zumindest in Europa.
Für Diskussionsstoff könnte auch sorgen, dass die Münchner die Karosserievarianten ihres Topmodells zusammengestrichen haben: Der 5,39 Meter lange BMW i7 xDrive 60 ist ausschließlich als vermeintliche Langversion zu bekommen. Die kurze Variante – ohnehin nur in Europa in überschaubaren Stückzahlen nachgefragt – wurde ebenso gestrichen wie eine Version mit Schiebebach. Das könnte durchaus weh tun, denn auf vielen Märkten war das elektrische Schiebedach bisher serienmäßig und eine willkommene Frischluftalternative zur Klimaautomatik. Ab sofort gibt es nur noch ein mächtiges Panoramadach, das sich auf Knopfdruck verschatten lässt – aber nicht öffnen.
Kinoerlebnisse in der zweiten Reihe
Der Fond, auf hohem Niveau bisher die wohl einzige Schwachstelle der bisherigen Siebener-Generationen, setzt völlig neue Maßstäbe. Wohlig und komfortabel wie bisher nur in der Mercedes S-Klasse sinkt der Fondpassagier in die prächtigen Sitze sein und justiert diese nach Gusto. Die zahllosen Verstellmöglichkeiten lassen sich etwas umständlich über einen Touchscreen in den Türen bedienen. Etwas Eingewöhnungszeit braucht es, doch dann kennt der Reisekomfort keinerlei Grenzen.
So schickt der BMW i7 seinen Zweite-Reihe-Insassen nicht nur auf Knopfdruck in eine stimmungsvolle Liegeposition, sondern massiert diese gekonnt und schaltet auf das Kinoprogramm um. Dann fahren alle Jalousien hoch und aus dem Dach klappt ein mächtiger 31-Zoll-Flachbildschirm aus, auf dem sich Hollywood-Filme genießen lassen. Etwas überraschend ist der neue BMW i7 auch auf Wunsch nicht mit einer Einzelsitzanlage im Fond zu bekommen. Es kann lediglich die große Mittelarmlehne heruntergeklappt werden – das war es. Die Ausstattungsquote für die Einzelsitzanlage war bisher schlicht zu klein, so die Begründung der BMW-Entwickler für die Reduzierung dieser Variante. Klasse: auf Knopfdruck öffnen und schließen die Türen elektrisch ohne anzuecken.
Topleistung von 485 kW
Viele der weltweiten Siebener-Kunden sitzen entspann im Fond und lassen sich zu Arbeit, Termin oder Flieger chauffieren. Hier hat das Luxusmodell mit Produktionsort Dingolfing seinen größten Sprung gemacht. Doch wie sieht es für den Fahrer aus? Ist der i7 trotz Elektroantrieb ein echter Siebener und noch viel wichtiger: ist er auch die proklamierte beste Elektro-Limousine der Welt?
Die Antriebsleistung des obligatorischen Allradlers ist mit 400 kW (544 PS) und 745 Nm maximalem Drehmoment üppig, wenn auch nicht gigantisch. Im nächsten Jahr folgt mit dem i7 xDrive M70 das Topmodell, das mit 485 kW (660 PS) jedoch ebenfalls deutlich hinter der Konkurrenz aus den USA und auch China liegt. Doch ein Leistungsdefizit mag man dem BMW i7 xDrive 60 nicht bescheinigen, auch wenn er mit einem Leergewicht von mächtigen 2,7 Tonnen schwer an sich zu tragen hat. Das können auch die gute Wankstabilisierung und die Allradlenkung nicht komplett überspielen.
Doch der Schub des i7 ist aus jedem Tempobereich imposant und die Leistungsentfaltung beinahe genauso spektakulär wie die Souveränität, mit der er die knapp 550 PS auf die Straße bannt. Der 190 kW (258 PS) starke Elektromotor vorn wird ebenso wie der 230 kW (313 PS) starke Elektromotor an der Hinterachse aus einem 101,7 kWh großen Akkupaket im Unterboden gespeist, das in Verbindung mit der steifen Karosserie und der Luftfederung für das ausgewogene Fahrverhalten sorgt.
Maximale Ladeleistung von 195 kW
Aus dem Stand geht es in 4,7 Sekunden auf Tempo und bei 240 km/h wird etwas früh abgeriegelt. Der Normverbrauch: 18,4 kWh auf 100 Kilometer, was eine Reichweite von knapp 600 Kilometern ermöglichen soll. Eine der wenigen Schwachstellen des i7 ist das bordeigene Ladenetz. Denn statt mit 800 Volt Spannung, die unter anderem der Audi e-tron GT, der Porsche Taycan oder der vollelektrische Genesis G80 bieten, muss das Aushängeschild von BMW (wie der Mercedes EQS) mit 400 Volt auskommen. So beträgt die maximale Leistung am Gleichstromlader lediglich 195 Kilowatt. Um die Lithium-Ionen-Batterie von 10 auf 80 Prozent erstarken zu lassen, braucht es deshalb über eine halbe Stunde. Das können andere besser – und schneller.
Was andere nicht so gut können, ist ein solches Fahrgefühl vermitteln. Denn im Gegensatz zu so manchem Wettbewerber ist der mindestens 135.900 Euro teure BMW i7 nicht nur leise und lässig unterwegs, sondern schenkt seinem Piloten ein beeindruckendes Fahrgefühl inklusiv Rückmeldung von Lenkung, Bremse oder Anfedern der Achsen. Keine Frage: So muss sich das beste Elektroauto der Welt fahren. Da verzeiht man kleinere Makel wie das fehlende Beifahrerdisplay, die bunt illuminierbare Zierleiste und die beiden 12,3- und 14,9-Zoll-Displays, die mit Blick auf die Konkurrenz wohl noch etwas größer sein könnten.
Eine schmerzhafte Lücke lässt der BMW i7 zudem beim Thema Fahrerassistenz. Denn die erwartete Stufe drei für hochautomatisiertes Fahren soll erst Ende kommenden Jahres folgen und dann wohl nur bis Tempo 60 funktionieren. Da hatten einige mehr erwartet.
Auch wenn der noch mit alten 400 Volt Technik fährt … gibt’s schon eine Laderkurve?
Leider nein