Die Gemeinde Schmiechen liegt rund 60 Kilometer westlich von München. Knapp 1400 Menschen leben hier, die Bevölkerungsdichte liegt bei 100 Einwohnern pro Quadratkilometer. Hier ist die Welt noch in Ordnung, man grüßt sich freundlich und jeder kennt jeden. Es gibt ein Wirtshaus, eine Kirche, einen Kindergarten und beim Fallwind Föhn kann man die Alpen sehen. Viele der Häuser im Ort haben eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Passend dazu tüftelt der Energieversorger Eon inmitten des kleinen Ortes an der Zukunft der Stromversorgung. Erneuerbare Energien spielen dabei eine wichtige Rolle. „Smart Grid“ lautet das Stichwort. Gemeint ist ein Stromnetz, bei dem viele Batterien wie ein gigantischer Energiespeicher für dessen Stabilität sorgen. „Nur mit einem funktionierenden intelligenten Stromnetz kann die Herausforderung des Ladens vieler Elektrofahrzeuge bewältigt werden“, weiß Marcus Fendt von The Mobility House.

BMW i3 Bidi-Laden
Ökosystem
2014 kaufte Marc Borchardt in Schmiechen ein bereits zum Wohnhaus umgebautes ehemaliges Bank- und Lagergebäude und modernisierte es. 2021 kam eine Solaranlage mit einer Spitzenleistung von 9,8 Kilowatt aufs Dach. Fotos: Constantin Mirbach

Ein entscheidender Schritt hin zu Vehicle-to-Grid (V2G) ist Vehicle-to-Home (V2H): Der Energiespeicher wird hier auf intelligente Weise in die Stromversorgung des Eigenheims integriert. Genau das erprobt Marc Borchardt, der sich beim Essener Konzern mit energiewirtschaftlichen Themen beschäftigt. Für den Diplom-Betriebswirt ist eine nachhaltige Energieversorgung wichtig. Deswegen hat er inzwischen auch die Heizung im Haus von Flüssiggas auf Pelletbetrieb umgebaut. In seiner Freizeit erkundet er gerne ferne Länder, spielt Tennis oder schwingt sich aufs Fahrrad. Auch da ist ihm Effizienz ganz wichtig.

„Mich hat die Ruhe, die hier herrscht, bewogen, nach Schmiechen zu ziehen“, erzählt der Familienvater. Das Haus, in dem der 42-Jährige mit seiner Frau Susanne und drei Kindern im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren wohnt, ist wie gemacht für das Pilotprojekt „Connected Home Charging“, das BMW und Eon vor zwei Jahren initiiert haben, um die Möglichkeiten des bidirektionalen Ladens auszuloten. Dieser Blick in die Zukunft wird auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. „Wir erwarten uns wertvolle Erkenntnisse für künftige Produkte im Sinne unserer integrierten Energielösungen für das Zuhause der Zukunft“, erklärte seinerzeit beim Start des Projekts Eon-Deutschlandchef Filip Thon.

Solaranlage mit 9,8 kWp auf dem Dach

Borchardts Familie ist eine von zweien, die im Münchner Umland an diesem Versuch teilnehmen. Bei ihm sind die Voraussetzungen nahezu ideal. 2014 kaufte er ein bereits zum Wohnhaus umgebautes ehemaliges Bank- und Lagergebäude und modernisierte es. Vom ersten Hammerschlag an war Nachhaltigkeit das bestimmende Thema: Die Toiletten werden mit Regenwasser gespeist, die Wände sind gedämmt und 2021 kam eine Solaranlage mit einer Spitzenleistung von 9,8 Kilowatt aufs Dach. Die Solarmodule montierte Borchardt als handwerklich begabter Mann in Eigenregie aufs Dach: „Das ist wirklich kein Hexenwerk.“

Doch bei der Abstimmung der Komponenten verließ er sich lieber auf einen Elektriker und die Expertise seines Arbeitgebers Eon. „Das Zusammenspiel der Komponenten muss passen, um einen möglichst großen Wirkungsgrad zu erzielen“, weiß seine Kollegin Claudia Häpp, die für den Energiekonzern das Produktmanagement im Bereich Future Energy Home leitet.

Mobiler Stromspeicher
Die 42,2 kWh fassende Antriebsbatterie des - von BMW modifizierten - i3 kann den Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben. Der Prototyp einer Wallbox von Kostal für das bidirektionale Laden macht dies möglich.
Mobiler Stromspeicher
Die 42,2 kWh fassende Antriebsbatterie des – von BMW modifizierten – i3 kann den Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben. Der Prototyp einer Wallbox von Kostal für das bidirektionale Laden macht dies möglich.

Die Feinarbeit fängt schon bei der Dachform an. Ist es ein Flachdach oder ein Giebeldach? Wie stark ist die Sonneneinstrahlung? Welche Module passen auf die Fläche, und welche Last kann das Dach tragen? Mit einem Solarrechner kann man selbst online schnell bestimmen, unter welchen Umständen sich die Montage einer PV-Anlage lohnt.  Um die optimale Anordnung der Module auf dem Haus zu ermitteln, wurde bei Borchardt auch eine Drohne eingesetzt. „Rund 90 Prozent unserer Photovoltaik-Anlagen werden mit stationären Speichern verkauft und entsprechend damit gekoppelt“, erklärt Eon-Managerin Häpp.

Zu 54 Prozent energieautark im ersten Jahr

„Das Ziel ist natürlich, möglichst unabhängig von der externen Stromversorgung zu werden“, erklärt Hausbesitzer Borchardt. Vergangenes Jahr ist ihm das schon mit einem Autarkie-Grad von 54 Prozent recht gut gelungen. Sein System hat ein Verhältnis von Photovoltaik-Leistung zu Speicherkapazität von eins zu eins. Das bedeutet: Der Heimspeicher des Herstellers BYD ist mit einer Kapazität von 10 kWh in der Lage, an sonnigen Tagen die Stromerzeugung der PV-Anlage von einer Stunde aufzunehmen.

Dieser Wert ist aber keineswegs in Stein gemeißelt. Um eine möglichst ideale Konstellation herzustellen, kommt es immer auf die Präferenzen des Nutzers, die Lage des Hauses und den prognostizierten Verbrauch an. Deswegen kann die Proportion in manchen Haushalten durchaus auch schon mal 1 : 1,5 betragen.

Sequenzgesteuert
Produziert die Solaranlage mal keinen Strom, weil der Himmel über Schmiechen durch Wolken verhangen ist, gilt: Erst wird der Heimspeicher genutzt, dann die Autobatterie und erst anschließend Strom aus dem Netz gezogen.
Sequenzgesteuert
Produziert die Solaranlage mal keinen Strom, weil der Himmel über Schmiechen durch Wolken verhangen ist, gilt: Erst wird der Heimspeicher genutzt, dann die Autobatterie und erst anschließend Strom aus dem Netz gezogen.

Die Anlage im Hause Borchardt enthält mit einem Elektroauto und dessen Akku eine zusätzliche zukunftsweisende Komponente. Der schwarzgoldene BMW i3 von Borchardt ist ein ganz spezieller: Die 42,2 kWh fassende Antriebsbatterie kann den Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben. Der Prototyp einer Wallbox von Kostal für das bidirektionale Laden macht dies möglich.

Damit diese Elemente effizient zusammenarbeiten, ist ein „Dirigent“ nötig. Das Gehirn, das bei Borchardt den Taktstock schwingt, ist die Eon Home Box. Es handelt sich dabei um ein kleines Kästchen, das als Gateway mit der Photovoltaik- Anlage, dem statischen Energiespeicher im Haus sowie dem Autoakku kommuniziert und auf die verschiedenen Situationen reagiert. Die dabei gewonnenen Daten gehen in eine Internet-Cloud, sodass der Hausbesitzer auf einer Smartphone- App immer genau sehen kann, was gerade passiert.

Das in Schmiechen installierte System ist zudem regelbasiert. Das bedeutet, dass der Einsatz der Stromproduzenten beziehungsweise das Speichern des Solarstroms nach einer definierten Sequenz erfolgt. Borchardt hat dafür folgende Leistungskaskade gewählt: Grundsätzlich wird der Stromverbrauch so weit wie möglich durch die PV-Anlage gedeckt. Reicht deren Leistung mangels Sonne nicht aus, springt der Heimspeicher ein. Erst als letzte Energiequelle muss die Batterie im Auto herhalten. Und sollte dann noch Strom übrig sein, wird der ins öffentliche Netz eingeleitet.

Heimspeicher vor Autobatterie und Netzbezug

Da der Familienvater seinen BMW i3 in der Regel nur 60, maximal 70 Kilometer am Tag bewegt, ist dieser Puffer natürlich größer als bei einem Elektroauto, das mehr Reichweite benötigt. Und produziert die Solaranlage mal keinen Strom, weil der Himmel über Schmiechen durch Wolken verhangen ist, gilt: Erst wird der Heimspeicher genutzt, dann die Autobatterie und schließlich Strom aus dem Netz gezogen.

„Ich bin erstaunt, wie gut das alles funktioniert und wie unkompliziert ich das System über mein Smartphone steuern kann. Es gibt nichts Negatives – und ich bin sehr kritisch“, erzählt Borchardt. Die Kapazität seines Heimspeichers von zehn Kilowattstunden reicht zumeist für den Fünf-Personen-Haushalt. Auch die Waschmaschine reizt das System nicht aus, eher schon die Sauna.

 Bei unserem Besuch produzieren die Solarmodule, wie ein Blick auf die App zeigt, gerade drei Kilowatt, obwohl der Himmel wolkenverhangen ist. In einem durchschnittlichen Jahr arbeiten die PV-Module in Schmiechen etwa 1000 bis 1100 Stunden mit voller Leistung. 2023 kamen so insgesamt 8500 Kilowattstunden zusammen.

Amortisiert spätestens nach 20 Jahren

Durch die hohe Leistungsfähigkeit der Solarmodule und die sinkenden Einspeisevergütungen hat sich der Zweck der Photovoltaik-Anlage stark gewandelt. Vorteile bringt sie heute nicht mehr durch den Verkauf des Solarstroms, sondern durch einen hohen Eigenverbrauch und einen geringen Zukauf von Strom aus dem Netz. Bei den aktuellen Stromkosten im Netzbezug von rund 30 Cent amortisiert sich eine Solaranlage von der Größe, die Borchardt installiert hat, in weniger als 20 Jahren, sagen die Eon-Experten. Natürlich in Abhängigkeit vom Wetter, der Lage des Hauses und der Dachneigung. Borchardt ist sogar sicher, nun schon nach 13 bis 15 Jahren erste Gewinne zu erzielen, da er bei der Installation selbst Hand angelegt hat und so einiges an Kosten sparen konnte.

Alles im Blick 
Die Eon Home-Box kommuniziert mit der PV-Anlage auf dem Dach, dem Heimspeicher und dem Elektroauto und lädt die Daten in eine Internet-Cloud hoch, sodass Hausbesitzer Borchardt auf dem iPad genau sehen kann, was gerade passiert.
Alles im Blick
Die Eon Home-Box kommuniziert mit der PV-Anlage auf dem Dach, dem Heimspeicher und dem Elektroauto und lädt die Daten in eine Internet-Cloud hoch, sodass Hausbesitzer Borchardt auf dem iPad genau sehen kann, was gerade passiert.

Mit der Idee, mit PV-Anlage und Heimspeicher am Stromhandel teilzunehmen, steht er nicht allein da. Eine Eon-Umfrage ergab kürzlich, dass 84 Prozent aller Hausbesitzer mit einer PV-Anlage sowie 77 Prozent der Hausbesitzer noch ohne Solarmodule auf dem Dach gerne die Technologie nutzen würden.

Dass sich im Leben des Familienvaters aus Schmiechen aber nicht nur alles um Kilowattstunden und erneuerbare Energien dreht, sieht man am Vehikel, das in der Scheune direkt neben seinem BMW i3 steht. Es ist ein über 60 Jahre alter Fendt-Traktor, mit dem Marc Borchardt im Winter seine Kinder auf Schlitten durch den Schnee zieht. An diesen Tagen ist es Borchardt ausnahmsweise mal ganz egal, ob die Sonne scheint oder nicht.

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2 Kommentare

  1. Winfried Kracker

    Ich fand den Artikel über Marc Borchardt und das bidirektionale Laden sehr spannend. Können Sie mir weiterhelfen, da ich ganau sowas gerne selber ausprobieren würde (Habe schon eine Photovoltaikanlage auf dem Dach)
    MfG Winfried Kracker

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    • Franz W. Rother

      Wie kann ich helfen?

      Antworten

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