Was bei Bohrmaschinen, Smartphones und anderen Elektrogeräte schon lange Standard ist, könnte vielleicht auch bald bei E-Autos funktionieren: induktives Laden. Einfach mit dem Auto über einer etwa einen Quadratmeter großen Bodenplatte parken – schon fließt der Strom. Kein umständliches Gefummel mit dem Ladekabel, kein Nachdenken, ob der Anschluss rechts oder links sitzt, keine Gefahr von Fehlbedienungen.

Allerdings wird es noch dauern, bis das vom Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle entwickelte System in Serie geht. Wenn überhaupt, denn es ist nicht zum Nachrüsten, sondern für die Erstausstattung gedacht. Schließlich muss jedes Fahrzeug extra an die Technik angepasst werden. So wird der Stromempfänger so im Auto eingebaut, dass er die Bodenfreiheit nicht einschränkt. Außerdem will die Technik in die Bordelektrik integriert werden. Noch hat kein Hersteller angebissen und Mahle sucht weiter.

BMW und Mercedes haben Entwicklungen gestoppt

Entwicklungsingenieur Volker Schall ist aber zuversichtlich, zumal etliche Automobilhersteller an dem Thema bereits dran waren. Mercedes etwa kündigte schon 2014 ein induktives Ladesystem für die Plug-in-Version der S-Klasse an. BMW brachte 2017 sogar ein System für den 530e heraus, zum Systempreis von 3200 Euro. Was daraus wurde? Nichts. In der Versenkung verschwunden.

Elf Kilowatt und mehr 
Das Mahle-System zum induktiven Laden von Elektroautos besteht aus einer Bodenplatte und einer Empfängerplatte zwischen Vorderachse und Batterie. Es soll auch dann funktionieren, wenn eine der Platten verschmutzt ist. Foto: Mahle
Elf Kilowatt und mehr
Das Mahle-System zum induktiven Laden von Elektroautos besteht aus einer Bodenplatte und einer Empfängerplatte zwischen Vorderachse und Batterie. Es soll auch dann funktionieren, wenn eine der Platten verschmutzt ist. Foto: Mahle

„Die beiden Systeme hatten schon deshalb keine Zukunft, weil sie proprietär ausgelegt waren“, sagt Ingenieur Schall. „Ein BMW konnte nur mit der BMW-Technik laden, der Mercedes nur mit dem Mercedes-System.“ Auch die Begrenzung auf 3,7 kW sei nicht gerade hilfreich gewesen. „Es war klar, dass sich das nicht durchsetzt.“

Kabellos laden mit 11 kW

Auch das magnetische Mahle-Prinzip besteht aus einer Bodenplatte – die von Siemens beigesteuert wird – sowie einer Empfängerplatte zwischen Vorderachse und Batterie. Es soll aber in allen E-Autos, bei Schnee und Eis oder mit verschmutzter Platte funktionieren. Und der Strom soll kontinuierlich mit 11 kW fließen. Stärkere Ladeströme Ströme seien denkbar, bis hin zu mehreren hundert Kilowatt, beispielsweise für Nutzfahrzeuge. Mit einem Wirkungsgrad von gut 92 Prozent sei das Mahle-System zudem fast so effektiv wie Laden per Kabel, wirbt der Entwickler.

Größtes Potenzial im gewerblichen Bereich

Anwendungen gibt es zuhauf. Die meisten Menschen denken wahrscheinlich zuerst an das bequemere Laden des Elektroautos zuhause. Doch die eigentlichen Potenziale liegen im gewerblichen Bereich. Taxistände, Flughäfen, Speditionshöfe, autonome Shuttles – überall, wo Fahrzeuge nicht sehr lange stehen oder öfters den Standort wechseln, könnten sie schnell und unkompliziert ihre Akkus füllen. Schon deshalb, weil die Technik immer an der gleichen Stelle platziert wäre: Vorne zwischen den Rädern.

Perfekte Position
Die Kunst besteht beim induktiven Laden darin, Bodenplatte mit dem Magnetsensor unter dem Elektroauto in Deckung zu bringen. Beide Platten müssen sich exakt gegenüber befinden.  Bild: Zollner Elektronik AG
Perfekte Position
Die Kunst besteht beim induktiven Laden darin, Bodenplatte mit dem Magnetsensor unter dem Elektroauto in Deckung zu bringen. Beide Platten müssen sich exakt gegenüber befinden. Bild: Zollner Elektronik AG

Statt umständlich zu rangieren, peilt der Fahrer einfach Stellplatz an und hält auf die Platte zu. Erst wenn die aus dem Sichtfeld verschwindet, beginnen Auto und Magnetsensoren der Bodenplatte miteinander zu kommunizieren. „Wir wollen nicht, dass der Fahrer durch ständiges Piepsen zu früh abgelenkt wird. Beispielsweise, wenn er in einem Parkhaus an mehreren Ladeplatten vorbeifährt“, sagt Entwicklungsingenieur Thiemo Lämmle.

Ob letztlich Pfeile im Fahrzeugdisplay oder ein Kamerabild den Weg für die letzten Zentimeter weisen, oder ob das Auto gar vollautomatisch per Parkpilot gelenkt wird, müsste der Automobilhersteller entscheiden. Wichtig sei nur, dass sich die Platten exakt übereinander befinden. Erst dann werde das Magnetfeld aufgebaut, das den Strom überträgt.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert