Als Audi seine Luxuslimousine A8 Mitte der 1990er Jahre auf Wunsch mit einem elektrischen Schiebedach ausstattete, das die Klimaanlage auch im Stand mit Sonnenenergie versorgen konnte, schien das wie der Sprung in eine verheißungsvolle Autozukunft. Zumindest im Sommer gab es kein Einsteigen mehr in einen glühend heißen Innenraum. Der Fahrer fand ein leicht gekühltes Interieur vor und konnte so direkt und ohne Schweißausbruch durchstarten.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, die (kostenfreie) Sonnenenergie möglichst intensiv und effizient im Auto nutzen zu können, um Energieverbräuche zu senken und zumindest teilweise auch für den Vortrieb zu nutzen. Mit der Elektromobilität ist die Beschäftigung mit dem Thema noch intensiver geworden. Das niederländische Startup Lightyear etwa, das durch Erfolge auf der World Solar Challenge in Australien zum Bau eines Serienautos ermuntert wurde, wollte für seinen 250.000 Euro teuren Lightyear One mithilfe großflächig über die Karosserie verteilten Solarmodulen an sonnenreichen Tagen Energie für 72 Kilometer gewinnen.

Fisker Ocean

Ähnlich ehrgeizige Ziele verfolgte in München das Team von Sono Motors. Mit seinen Solarpanelen sollte hier das Elektroauto Sion pro Tag 30 bis 35 Kilometer elektrische Reichweite sammeln können. In der Woche sollte sich der Ertrag im Idealfall auf bis zu 245 Kilometer summieren, wenigstens aber auf 112 Kilometer. Damit hätte ein täglich pendelnder Sion-Besitzer in acht Wochen viermal weniger laden als in einem gleich großen konventionellen Elektroauto. Hätte, wäre – beide Projekte endeten in einem Insolvenzverfahren.

Solarzellen als Statement für Nachhaltigkeit

Ein ähnliches Schicksal ereilte dieses Jahr der kalifornische Elektroautohersteller Fisker. Für den bei Magna in Österreich produzierten Elektro-SUV Fisker Ocean hatte der bayerische Spezialist ein „SolarSky“ genannten Solardach entwickelt. Bei entsprechender Sonneneinstrahlung sollte das zwei Quadratmeter große Dachkonstrukt unter idealen Bedingungen Sonnenkraft für rund 2.500 Kilometer pro Jahr einsammeln. Doch der Fisker-Traum platzte, Auftragsfertiger Magna und Techniklieferant Webasto schauten ebenso in die Röhre wie die Kunden.

Doch zumindest bei Webasto glaubt man weiter an die Sonnenenergie. Der Lieferant stellte jüngst mit dem System „Eco Peak“ einen Erprobungsträger vor, dessen Polycarbonat-Scheibe nicht nur die Dachfläche des Fahrzeugs abdeckte, sondern ähnlich wie beim Technologieträger des elektrischen Mercedes EQXX auch die Heckscheibe umfasste. Die entsprechend vergrößerte Fläche wurde mit Solarzellen bestückt, die das Fahrzeug theoretisch mit bis zu 350 kWh Strom pro Jahr versorgen können – das entspricht (abhängig von Fahrzeug und Wetterbedingungen) einer Fahrstrecke von bis zu 2500 Kilometern.

Lightyear One

„Es geht gar nicht immer nur um den reinen Nutzen. Ein modernes, attraktiv gestaltetes Solardach von Webasto ist ein Statement für Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein des Fahrzeugkäufers“, erläutert Jan-Henning Mehlfeldt, bei Webasto für das Dachgeschäft verantwortlich. Da es mit den Nachfragen der Autohersteller in Sachen Solardächer aktuell jedoch hapert, stehen bei dem Dachspezialisten aus der Nähe von München aktuell Lichtinszenierungen, schaltbare Verschattungen und Sensoren für Fahrerassistenzsysteme, die am Autodach verbaut sind, im Vordergrund der Entwicklungen.

Mercedes-Folie kommt auf Wirkungsgrad von 20 Prozent

Mercedes-Benz will die Sonnenenergie mittelfristig jedoch nicht ungenutzt verpuffen lassen und hat eine Solarlackierung für seine Elektroautos entwickelt, die in einigen Jahren Strom für mehrere tausend Kilometer erzeugen könnte. Möglich macht das eine extrem dünne Folie, die auf den Fahrzeuglack aufgebracht wird. Mit einer Dicke von fünf Mikrometern ist diese dünner als ein menschliches Haar und wiegt gerade einmal 50 Gramm pro Quadratmeter Fahrzeugfläche.

Vorteil: Die Folie ist nicht nur extrem leicht, sondern kann flexibel auf alle Karosseriemodule aufgebracht werden, ohne das Design des Fahrzeugs zu verändern, da sich die Photovoltaik-Fläche auf nahezu jeden Untergrund auftragen lässt. Die dünnen Solarzellen haben dabei in der Vorausentwicklung einen Wirkungsgrad von immerhin 20 Prozent. Ein vollelektrisches Mittelklasse-Crossover mit einer Lackfläche von elf Quadratmetern könnte unter entsprechender Sonneneinstrahlung kostenlose Energie für bis zu 12.000 Kilometer im Jahr produzieren.

Fahren in L.A. allein mit Sonnenenergie

Die durch die Sonnenzellen erzeugte Energie wird entweder direkt zum Fahren verwendet oder zur späteren Verwendung in die Hochvoltbatterie eingespeist. Praktisch: Das Photovoltaiksystem ist daueraktiv und erzeugt daher auch Energie, wenn das Fahrzeug parkt und ausgeschaltet ist. Das würde kostenlose Energie beim Einkaufen bedeuten und somit Zusatzkilometer, ohne an die Ladesäule zu müssen.

Mercedes EQXX

Wieviel Energie das Solarsystem einspeist, hängt von der Sonneneinstrahlung, dem Einfallswinkel, den Sonnenstunden und etwaigen Beschattungen ab. Die Mercedes-Entwickler haben gerechnet: Statistisch legen Mercedes-Fahrer in Stuttgart im Durchschnitt 52 Kilometer am Tag zurück. Rund 62 Prozent dieser Fahrleistung ließen sich durch Sonnenenergie abdeckt. In Los Angeles ergäbe sich dagegen sogar einen Überschuss an Energie durch die Sonneneinstrahlung und der Autofahrer könnte seine komplette tägliche Fahrstrecke durch Solarenergie abdecken.

Der erzielte Überschuss könnte über bidirektionales Laden zudem ins Hausnetz eingespeist werden. Dabei ist der Entwicklung befindliche Solarlack frei von Seltenen Erden, enthält keinerlei Silizium und aus leicht verfügbaren Rohstoffen produziert problemlos recycelt werden. Denn unter dem Strich geht es nicht allein um Nachhaltigkeit, sondern auch die Kosten und die Herstellung der Folien ist günstiger als konventionelle Solarmodule.

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