Nickel, Mangan, Kobalt? Brauchen die Batteriezellen von Theion nicht. Die Kathoden – die negative geladene Elektrode eines Akkus – bestehen im Wesentlichen aus Schwefel in kristallinem Zustand. Das ist ein Material, das in vielen industriellen Prozessen als Abfall anfällt und entsprechend billig zu haben ist. Das spart aber nicht nur enorme Kosten bei der Beschaffung und Herstellung: Die Rede ist von 20 Cent pro Kilogramm Kathodenmaterial statt 20 Euro. Die alternative Materialmischung macht die Batterie auch deutlich umwelt- und sozialverträglicher: Kobalt etwa enthält Giftstoffe, die bei der Gewinnung freigesetzt werden und schwere gesundheitliche Probleme verursachen können, wenn die Bergleute in den Minen ohne Schutzkleidung arbeiten.

99 Prozent geringere Kosten, dreifache Energiedichte

Zudem sollen die Lithium-Schwefel-Zellen, die das Berliner Startup Theion derzeit entwickelt, eine dreimal so hohe Energiedichte haben wie Lithium-Ionen Zellen auf heutiger Bauart auf NMC-Basis. Und dank eines Festelektrolyten sollen sie den Strom auch deutlich schneller aufnehmen können. Von einem „Super-Akku“ mag Ulrich Ehmes gleichwohl nicht sprechen: „Davon gibt es schon zu viele“, lästert er im Gespräch mit EDISON. Der Batterie-Veteran, der schon für den Schweizer Leclanché-Konzern eine vollautomatische Produktionslinie für Lithium-Ionen-Zellen aufbaute und den Aufsichtsrat von Battrion im Schweizer Dübendorf leitet, hat die Aufgabe übernommen, den neuen Batterietyp als neuer CEO von Theion zur Marktreife zu entwickeln.

Theion-Management
Klare Strukturen
Theion-CEO Ulrich Ehmes (rechts) und CTO Marek Slavik wollen bis zum Jahresende die ersten Muster Lithium-Schwefel-Zellen auf einer Pilotanlage in Berlin fertigen. Erprobt sollen sie zunächst in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Foto: Theion

„Ich bin davon überzeugt, dass wir bei Theion durch die Auswahl der richtigen Materialien in Verbindung mit der angepassten Prozesstechnologie die Batterieleistung auf ein neues Niveau und eine echte Disruption bewirken können“, sagt der promovierte Elektrotechnik-Ingenieur. Das klingt dann schon wieder verdächtig nach einem kleinen Wunder. Zumal das Ganze in kürzester Zeit passieren soll: Die ersten Zellen, schildert Ehmes hoffnungsfroh, sollen schon bis Jahresende bereit sein, um im kommenden Jahr in mobilen Anwendungen erprobt zu werden.

Erste Theion-Zellen in der Raumfahrt

Wobei „mobil“ erst einmal nicht „Elektromobil“ meint: Die Abnehmer der ersten Entwicklungsmuster sieht Ehmes in der Luft- und Raumfahrt. Hilfsaggregate von Satelliten etwa seien auf leistungsfähige und leichte Stromlieferanten angewiesen. Ehmes: „Wir gehen erst einmal in die Nische“ Aber auch Lufttaxen, Laptops und Mobiltelefone sollen von dem neuen Zelltypus profitieren – die Autoindustrie kommt später dran.

Eine mehr als zehnjährige Forschung und 16 Patente stecken bereits in dem Projekt. Erfunden wurde die innovative „Kristall-Batterie“ von dem Tschechen Marek Slavik, dem Co-Gründer und Cheftechnologen von Theion. Der Spezialist für Nanotechnologie hat viele Jahre bei Unternehmen in Norwegen und der Schweiz verbracht und war dort auf die Möglichkeit gestoßen, kristallinen Schwefel und Kohlenstoff-Nanoröhren für die Optimierung von Energiespeichern zu nutzen. Zur Kohlenstoff-Nutzung hat Theion übrigens eine Partnerschaft mit UP Catalyst geschlossen. Das Unternehmen aus Estland filtert Kohlendioxid aus der Luft und nutzt dieses zur Herstellung von Graphit.

Die Potenziale der Technologie hat auch der in der Tech-Szene bekannte Investor Lukasz Gadowski erkannt. Seine Holding „Team Global“, die unter anderem an Delivery Hero und Volocopter Anteile hält, ist Hauptinvestor von Theion. Aber natürlich sei man weiter offen für weitere Investoren, wirbt Ehmes. Bis zum Bau der ersten „Gigafactory“ (darunter macht es heute kein Batteriehersteller mehr) in Europa bestehe noch erheblicher Kapitalbedarf. Und auch um Fördermittel des Bundes will sich der neue Theion-CEO bemühen.

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