In diesen Tagen brettert Porsche mit dem neuen, 560 Kilowatt starken Taycan Turbo durch Europa. Mit der elektrisch angetriebenen Sportlimousine geht es während der Pressevorstellung in mehreren Etappen von Norwegen nach Italien. Dort, wo es noch erlaubt ist, mit bis zu 250 Sachen. Teilnehmer schwärmen von rasanten Beschleunigungsmanövern mit dem 2,3 Tonner und der tollen Straßenlage. Berichtet wird allerdings auch von Energieverbräuchen um die 30 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometer und Testwagenpreisen von rund 200.000 Euro. Damit steht damit schon jetzt fest: Der Taycan bringt viel Masse auf die Straße, wird aber wenig dazu beitragen, dass Elektromobilität hierzulande zum Massenphänomen wird.

Die Qualitäten dafür bringt schon eher der neue Renault Zoe mit, der in diesen Tagen beim Händler steht und im Oktober zu den Kunden kommt. Er ist ebenfalls für den Transport von vier Menschen konzipiert, ist aber fast 800 Kilo leichter, kostet selbst in Topausstattung siebenmal weniger als das Paradestück aus Zuffenhausen und braucht bei zurückhaltender Fahrweise nicht einmal halb so viel Strom. Und dank einer neuen Batterie mit einer Speicherkapazität von 52 Kilowattstunden und eines besonders effizient arbeitenden Elektromotors kommt man unter dem Strich im Zoe mit einer Akkuladung und einem Durchschnittsverbrauch von 13,6 kWh wie auf unserer Testfahrt mindestens genauso weit wie im Porsche.

Gilles Normand ist im Renault-Konzern für die Elektromobilität verantwortlich. Die Modellpalette will er in den kommenden drei Jahren kräftig erweitern - unter anderem um einen kleinen City-SUV für unter 10.000 Euro. E-Mobilität

Aber natürlich ist der Renault Zoe nicht angetreten, um sich mit dem neuen Porsche Taycan zu messen oder ihn gar zu schlagen. Der spielt in einer ganz anderen Liga, verfolgt eine andere, ganz eigene Mission e und Zielgruppe. Die Wettbewerber des Zoe heißen vielmehr Opel Corsa e, Peugeot e-208 oder DS 3 e-tense, auch VW eUp oder Skoda Citigo e iV – Elektroautos in der Viermeter-Klasse, erschwingliche Stromer für Stadtbewohner und Pendler, klimafreundlich, sozial verträglich und mit leichten Einschränkungen durchaus massentauglich. Über 150.000 Exemplare des Typs hat Renault seit der Markteinführung im Sommer 2013 bis heute verkauft, davon allein 40.000 seit Anfang dieses Jahres. Auch in Deutschland, wo sich bis Ende Juni insgesamt 24.254 Kunden für den rein elektrischen Kleinwagen entschieden, sind die Franzosen damit Marktführer. „Andere Hersteller“, sagt Gilles Normand, Vorstand für Elektromobilität im Renault-Vorstand im Interview mit EDISON, „haben mit dem Hinweis auf die ungewissen Marktperspektiven lange gezögert, Elektroautos auf den Markt zu bringen. Wir sind dieses Risiko eingegangen, haben anfangs auch eine Menge Lehrgeld bezahlt.“ Aber inzwischen sei der Zoe ein Teil des Ertragsmodells. Was ihn besonders freut: „Die Verkaufszahlen sind im vergangenen Jahr um 50 Prozent gestiegen, obwohl das Nachfolgemodell schon in Sicht war. Ich hoffe, dass es so weiter geht.“

Fit für die Langstrecke

Allerdings weiß auch er, dass der Wettbewerb im kommenden Jahr härter wird: Wegen der strengen CO2-Grenzwerte in Europa ab 2020 sind inzwischen auch die anderen Autohersteller gezwungen, Elektroautos in großer Stückzahl zu verkaufen und bringen deshalb massentaugliche Stromer auf den Markt. „Wir begrüßen den Wettbewerb und freuen uns darauf“, sagt Normand. Er ist zuversichtlich: „Mit dem Zoe haben wir ganz gute Karten.“

Mit Blick auf die wachsende Konkurrenz hat Renault die Karten allerdings auch noch einmal neu gemischt: Die Rundum-Auffrischung für das Modelljahr 2020 ist mehr als ein Facelift. Etwa 60 Prozent der Teile seien komplett neu, verrät ein Renault-Ingenieur am Rande der Pressevorstellung. Ja, auch das Blechkleid wurde von Chefedesigner Laurens van den Acker ordentlich aufgehübscht, mit neuen Stoßfängern vorn und hinten und scharfen LED-Leuchten, einer fein konturierten Motorhaube und ein wenig Chrom-Schi-Schi auf dem überdimensionierten Kühlerschlund. Aber wichtiger sind die Innovationen unter dem Blech, die technischen Veränderungen am Antriebsstrang und Akku-Pack, auch im Interieur.

Kam der Zoe als reines Stadtauto anfangs noch mit einer Motorleistung von 58 kW und einem Batteriespeicher von nur 22 kWh aus – der gut war für eine Reichweite von knapp 150 Kilometern – trumpft das Spitzenmodell nun mit einer Leistung von 100 kW und einer Speicherkapazität von 52 kWh auf. Damit soll das Auto mit einer Akkuladung fast 400 Kilometer weit kommen und deutlich flotter marschieren als bisher. Letzteres bestätigte die Testfahrt eindrucksvoll, ersteres muss ein Langzeittest erweisen. Und während der Zoe früher früher einen weiten Bogen um Schnellladesäulen und damit meist auch um die Autobahn machen musste, kann die neue Generation hier nun locker andocken und genüsslich Gleichstrom über einen CCS-Stecker zapfen. Maximal 50 Kilowattstunden Strom können hier in einer Stunde aufgenommen werden – damit wird der Zoe endlich auch fit für Überlandfahrten. An der Ladesäule in der Stadt und an der Wallbox in der Garage beträgt die maximale Ladeleistung weiterhin 22 kW – so schnell sind bislang nur wenige.

Mehr Reichweite per Upgrade

Renault bietet die Zoe in Zukunft in zwei Antriebsvarianten an – mit 80 und 100 kW Motorleistung. Der Akkupack im Fahrzeugboden ist dabei stets der gleiche, obwohl in der Basisversion Zoe ZE 40 (mit der kleineren Maschine) brutto nur 41 kWh Strom gespeichert werden können. Die Erklärung: Per Software wird die Speicherkapazität künstlich gedrosselt. Das spart einerseits Fertigungskosten (auch wenn mehr Batteriezellen verbaut sind als geordert), ermöglicht anderseits aber auch, die Reichweite später per Upgrade zu verlängern, wenn sich das Fahrprofil des Besitzers ändern sollte. Eine pfiffige Idee, aber keine originäre: Tesla bot in der ersten Generation des Model S seinerzeit ähnliches an.

Nachgebessert hat Renault den Stromer aber auch an anderen Stellen. Beispielsweise im Innenraum, der nicht nur mit höherwertigeren Materialen ausgekleidet wurde, sondern obendrein ein größeres „Info-Terminal“ spendiert bekam – ein Touchpad mit einer Bildschirmdiagonale von bis zu 9,3 Zoll in der Topversion Intense. Das Smartphone ist dank Easy Link damit blitzschnell gekoppelt und kann obendrein während der Fahrt auch noch induktiv geladen werden.

Der rechte Fuß genügt

Es gibt Menschen, für die derlei Dinge bei einem Auto inzwischen wichtiger sind als der Antrieb oder das Fahrverhalten. Aber auch die werden wie der Tester alter Schule zu schätzen wissen, dass Renault einige Menge Gehirnschmalz und Material in eine verbesserte Schalldämmung und Fahrwerksabstimmung gesteckt hat. Der Zoe schluckt deshalb Fahrbahnunebenheiten deutlich souveräner und hält auch Fahrwerks- und Windgeräusche deutlich besser von empfindlichen Ohren fern. Mit einem Satz: Der kleine Zoe ist deutlich erwachsener geworden und vermag auf kurvenreichen Landstraßen eine Menge Fahrspaß zu bereiten. Wer unterwegs in den B-Modus schaltet und darüber die Rückgewinnung der Bremsenergie intensiviert, kommt nicht nur leicht- sondern auch einfüßig über Land und durch locker durch die Rushhour.

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Gegen Aufpreis auch fit für Gleichstrom

Gegen einen Aufpreis von 890 Euro lädt der Zoe auch Gleichstrom an der Ladesäule. In 60 Minuten kann er dann 50 Kilowattstunden Strom aufnehmen und im Akku speichern. © Copyright Renault

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Lichtspiel-Theater

Komplett in LED-Technik ausgeführt sind auch die Heckleuchten. Das Blinklicht ist dynamisch – das Lichtsignal wandert von innen nach außen. Das sah man bislang nur bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns. © Copyright Renault

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Frisch aufgeladen

Die chromgesprengelte Kühlerluftöffnung in der Frontschürze ist zwar größer als erforderlich. Sie gibt der Front des Zoe aber zusammen mit dem Renault-Rhombus über der Ladeklappe, den LED-Scheinwerfern aber ein prägnanteres Gesicht als zuvor. © Copyright Renault

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Das kann sich sehen lassen

9,3 Zoll groß ist der Touchscreen in der Topausstattung Intens. Über das „Info-Terminal“ können verschiedene Apps und auch das Navigationssystem aufgerufen werden, das über eine Funkverbindung aktuelle Verkehrsinfos und auch Updates empfängt. © Copyright Renault

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Ganz schön flott

Mit dem neuen, 100 Kilowatt starken Motor beschleunigt der Zoe 50 in 11,4 Sekunden auf Tempo 100. Bei 135 km/h ist allerdings Schluss. © Copyright Renault

Erst recht, wenn das Auto wie der Testwagen eine Batterie neuer Assistenzsysteme an Bord hat, zur Erkennung der Verkehrszeichen, der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der Fahrspuren, zum automatisierten Ein- und Ausparken und zum Anfahren am Berg. Unverständlicherweise ist ein Notbremsassistent zur Markteinführung im Oktober noch nicht am Start. Er soll, so heißt es, erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden. Schlimmer noch: Für das Basismodell sind einige der Sicherheitsfeatures weder für Geld noch gute Worte zu bekommen. Und Tote-Winkel-Warner hält der Vertrieb offenbar auch für Käufer der mittleren Modellreihe namens Experience für überflüssig. Die sollen, so lässt die Modellbezeichnung vermuten, offenbar erst einmal ihre eigenen Erfahrungen machen.

Die Batterie kommt extra

Womit wir auch schon bei der Preisgestaltung wären. Und da geht Renault auch in Zukunft ganz eigene Wege. Die erwähnte Basisversion Zoe 40 mit kleinem Motor ist zwar aus Wettbewerbsgründen zum gleichen Preis erhältlich wie das Vorgängermodell. Aber jenseits davon, bei den Modellen mit stärkerem Motor und größerem Akku, sind die Preise schon ein wenig ins Galoppieren gekommen. Die Schnelllademöglichkeit per Gleichstrom lässt sich Renault mit 890 Euro extra bezahlen, viele Komfort- und Sicherheitsausstattungen gibt es nur in der Topversion, die mit 27.900 Euro zu Buche schlägt.

Obendrein kommt immer noch die Batterie. Während die Wettbewerber Auto und Batterie stets im Paket bieten, haben die Zoe-Kunden die Qual der Wahl: Man kann den Akku für den Festpreis von 8090 Euro kaufen (egal, ob die Speicherkapazität 40 oder 50 KWh beträgt). Oder man mietet den Stromspeicher zu Monatsbeträgen zwischen 74 und 124 Euro (je nach Fahrleistung, unabhängig von der Größe) hinzu. Laut Frank Niewöhner, Vertriebsvorstand von Renault Deutschland, wählt hierzulande die Mehrheit der Zoe-Käufer diesen Weg – um sich nicht über den Wiederverkaufswert eines in die Jahre gekommenen Akkus Gedanken machen zu müssen, aber wohl auch, weil die Garantiebedingungen bei einer Miete günstiger sind als beim Kauf des Akkus. Man achte auf das Kleingedruckte.

Kaufen oder Leasen?

Unser Testwagen im schicken Celadon Blue-Metallic kommt inklusive Batterie und Ladekabel auf einen Kaufpreis von 39.625 Euro. Davon gehen nach Stand heute zwar noch 4000 Euro Umweltbonus ab, nach den jüngsten Beschlüssen des Klimakabinetts zur Förderung der Elektromobilität in Zukunft möglicherweise noch 2000 Euro mehr. Noch besser sieht die Rechnung natürlich aus, wenn man nur den Wagen kauft und die Batterie mietet. Da blieben dann netto rund 25.000 Euro, die zu finanzieren wären. Oder man least das Auto: Wie man hört, hat sich das Marketing mit Blick speziell auf den Opel Corsa-e besonders günstige Konditionen für eine solche Konstellation ausgedacht. Und wie schon beim Vorgänger soll es für ADAC-Mitglieder in Deutschland wieder Sonderkonditionen geben.

Auch davon können Porsche-Kunden nur träumen.

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